Müssen wir bald die Pflanzen von Hand bestäuben?
Ohne Bienen keine Kirschen oder Äpfel - der Insektenschwund könnte verheerende Folgen haben. Der Insektenforscher Thomas Schmitt warnt: Der Klimawandel und unsere Art Landwirtschaft zu betreiben, vernichten die Lebensräume der nützlichen Ökosystem-Helfer.
Bald soll das kalte Winterwetter vorbei sein, sagen die Meteorologen. Frühlings- und Sommerzeit ist auch immer Insektenzeit. Und auch wenn manchen von uns das Brummen, Summen und Schwirren über unseren Köpfen nicht behagt, weil sie ein zwiespältiges Verhältnis zu krabbelnden Insekten haben: Die kleinen Lebewesen sind wichtig für unser Ökosystem, wichtig für unser Überleben. Ohne Bienen gäbe es schon bald keine Äpfel oder Kirschen mehr.
Und genau das ist das Problem: Die Zahl der Insekten hat weltweit, speziell auch in Deutschland abgenommen. Thomas Schmitt, Professor für Entomologie und Direktor des Deutschen Entomologischen Instituts Senckenberg im brandenburgischen Müncheberg, hat diesen Schwund erforscht. Seine Studie ergab beispielsweise, dass in der Region Regensburg seit 1840 etwa ein Drittel der Tagesfalter-Arten verschwunden ist.
"Wir verlieren also die schönen bunten Schmetterlinge. Aber wir verlieren auch jede Menge Ökosystem-Dienstleistungen – wie man das so schön nennt. Sie müssen das auch so sehen: Insekten arbeiten ja für uns."
Beispiel Bienen und Hummeln:
"Die Bestäubungsdienstleistung ist ein unheimlich großer Wert, der durch Insekten zur Verfügung gestellt wird. Und das sind nicht nur die Honigbienen, sondern auch ganz viele Wildbienen, zu denen auch die Hummeln gehören, die hier für uns kostenlos arbeiten."
Müssen auch wir bald mit Pinsel bestäuben?
Gibt es keine Bienen mehr, müssten es die Europäer bald den Chinesen gleich tun und per Hand, mit Pinsel bestäuben.
Wie kann man diese fatale Entwicklung stoppen? Für Thomas Schmitt liegt ein Schlüssel in der Landwirtschaft: Eine Subventionierung nach Fläche sei der völlig falsche Ansatz, vielmehr sollten die Mittel nur noch "ökologisch lenkend" eingesetzt werden.
Der massive Einsatz von Düngern und Pestiziden gefährde den Lebensraum der Insekten, Vögel und Amphibien und habe über viele Jahrzehnte zu einem "ganz starken Verlust an hochwertigen Habitaten" geführt.
Auch der Klimawandel trage zum Insektenschwund bei: Die allgemeine Erwärmung führe etwa dazu, dass es im Winter kaum noch über längere Zeit geschlossene Schneedecken gebe. Dafür gebe es deutlich mehr Regen. All diese führe zu Veränderungen des gewohnten Mikroklimas, das Insekten zum Gedeihen bräuchten.
Schmitt appelliert nicht nur an die Politik, sondern vor allem auch an Naturschutzorganisationen, mit dem Thema deutlicher als bislang an die Öffentlichkeit zu gehen.