Willkommen in der Welt des Alterspubertiers!
In den 45-jährigen Polizisten mit Burnout-Erfahrung aus "Kühn hat Ärger" verliebt man sich sofort. Jan Weiler verwickelt ihn in einen Krimi mit viel Nebenhandlung und noch mehr gut gemeinter Gesellschaftskritik. Für einen Verriss reicht das aber nicht, dafür beschreibt er die Vorort-Hölle einfach zu gut.
Es ist ein famoser Einstieg: Martin Kühn, 45 Jahre alt, 1,96 Meter groß, Münchner Polizist, verheiratet, zwei Kinder, Hausbesitzer, steht eines Morgens im Bad und fragt sich: "Wer bist du? Wie geht es dir? Stimmt alles?" Man liebt ihn sofort. Denn wer kennt ihn nicht, diesen Blick am Morgen ins eigene Gesicht, den Kühn hier so unaufgeregt schonungslos wagt? Und man liebt ihn auch dafür, weil eben nichts stimmt.
Kühn kommt gerade aus einer zweimonatigen Reha zurück - wegen eines Burnouts. Ihn, den starken Ermittler, hat es niedergestreckt und so richtig gut es ist immer noch nicht – der Job, die Familie, die Ehe, die Schulden fürs Haus und vor allem der alternde Körper drücken aufs Gemüt.
Kühn ist Kult, dem Mann kann man sich nicht entziehen
Willkommen in der Welt des Alterspubertiers! Mit dem Pubertier kennt Jan Weiler sich bekanntermaßen bestens aus, beschreibt seine Stimmungen perfekt. Jetzt also: das Alterspubertier, das nicht anerkennen will, dass der Körper altert und krank wird, das einen One-Night-Stand hat, das seiner Familie abständig ambivalent begegnet und darüber selbst am unglücklichsten ist. Kühn ist Kult. Dem Mann kann man sich nicht entziehen. Und das ab Seite eins!
Dabei ist "Kühn hat Ärger" ein Krimi, der mit einer fast schon penetrant gutgemeinten Prise Gesellschaftskritik aufgefüllt ist. Das nervt. War aber auch schon im Vorgänger "Kühn hat zu tun" stilprägend. Auch am Setting hat sich wenig geändert: Kühns mit Giftstoffen verseuchte Neubausiedlung ist wieder Thema. Genauso sein Kampf gegen eine Pegida-ähnliche Bürgerwehr, die Schuld der Nazis, das Leben am Stadtrand von München, das Wegschrumpfen der Mittelschicht, das Pendlerleben und der Stress im Job. All das vermischt sich mit dem eigentlichen Thema, dem Mord an Amir Bilal. Der 17-jährige Sohn libanesischer Einwanderer wurde brutal erschlagen. Dabei war Amir, den die Polizei als kleinkriminellen Gewohnheitstäter kannte, auf dem Weg raus aus dem gesellschaftlichen Sumpf, in dem er aufgrund seines Migrationshintergrundes und sozial schlechter Grundbedingungen steckte. Er hatte sich in Julia verliebt. Sie stammt aus gutem Haus, ihre schwerreichen Eltern finanzierten das Projekt "Münchner Sternenhimmel", das sich um die Integration von Kids wie Amir bemüht. Und Amir war der Beweis, dass es funktioniert, dass Fürsorge und Liebe Horizonte erweitern können.
Dabei ist "Kühn hat Ärger" ein Krimi, der mit einer fast schon penetrant gutgemeinten Prise Gesellschaftskritik aufgefüllt ist. Das nervt. War aber auch schon im Vorgänger "Kühn hat zu tun" stilprägend. Auch am Setting hat sich wenig geändert: Kühns mit Giftstoffen verseuchte Neubausiedlung ist wieder Thema. Genauso sein Kampf gegen eine Pegida-ähnliche Bürgerwehr, die Schuld der Nazis, das Leben am Stadtrand von München, das Wegschrumpfen der Mittelschicht, das Pendlerleben und der Stress im Job. All das vermischt sich mit dem eigentlichen Thema, dem Mord an Amir Bilal. Der 17-jährige Sohn libanesischer Einwanderer wurde brutal erschlagen. Dabei war Amir, den die Polizei als kleinkriminellen Gewohnheitstäter kannte, auf dem Weg raus aus dem gesellschaftlichen Sumpf, in dem er aufgrund seines Migrationshintergrundes und sozial schlechter Grundbedingungen steckte. Er hatte sich in Julia verliebt. Sie stammt aus gutem Haus, ihre schwerreichen Eltern finanzierten das Projekt "Münchner Sternenhimmel", das sich um die Integration von Kids wie Amir bemüht. Und Amir war der Beweis, dass es funktioniert, dass Fürsorge und Liebe Horizonte erweitern können.
Manches gerät zu klischeehaft, zu stereotyp
Es steckt also wirklich viel in dieser Geschichte, zu viel. Manches gerät zu klischeehaft, zu stereotyp, die schnelle Wandlung Amirs etwa, die Strahlkraft Julias oder die dumpfe Blödheit der Bürgerwehr. Und trotzdem bleibt man dran. Das liegt daran, dass Jan Weiler ein Meister in der Beschreibung von Alltäglichem ist. Schon wenige Szenen reichen und man weiß, wie sich die Vorort-Hölle anfühlt, welcher Mief in einem chronisch unterfinanzieren Kommissariat herrscht und wie köstlich und albern zugleich Apfel-Guave-Limonade ist. Da verzeiht man Jan Weiler selbst die peinliche mehrseitige Sexszene, die fast ausschließlich aus dem im Takt gehauchten Wort "schön" besteht oder die vierseitige, ausufernde Beschreibung der Vor- und Nachteile von Bonsai-Parkett, das die Herzen des Geldadels angeblich höher schlagen lässt – und das es natürlich nicht gibt.
Und weil er das Alltägliche so gut kennt, holt Jan Weiler seine Leserinnen und Leser perfekt ab. Fast so, als würde er neben ihnen auf dem Sofa sitzen und über ihre Ängste vor dem Alter, dem sozialen Abstieg, dem Abgehängt-werden reden. Das hat was sehr Befreiendes. Ganz klar: In zwei Wochen wird auch dieses Jan Weiler Buch die Bestsellerliste stürmen. Das Alterspubertier hat einfach Zugkraft.