Jörg Sommer, Michael Müller (Hg.): "Unter 2 Grad? Was der Weltklimavertrag wirklich bringt"
Hirzel Verlag, Stuttgart 2016
320 Seiten, 19,80 Euro
Was taugt das Klimaschutzabkommen?
39 Autoren aus Wissenschaft, Politik, Medien und NGOs bewerten in Jörg Sommers und Michael Müllers Sammelband das Klimaschutzabkommen der UNO. Die Texte rangieren zwischen Jubel und tiefer Skepsis.
Es sei ein Schnellschuss gewesen, zu dem sich Jörg Sommer mit Michael Müller im Dezember 2015 verabredet habe. Sie baten 39 Autoren aus Wissenschaft, Politik, Medien und NGOs, das frisch vereinbarte erste Klimaschutzabkommen der UNO zu bewerten. Im April 2016 wurde es in New York auf Anhieb von immerhin 175 Staaten unterzeichnet und muss nun noch in jedem einzelnen ratifiziert werden.
Der Sammelband drückt, wie es sich die beiden Herausgeber gewünscht hatten, eine optimistische Grundhaltung aus, die zwischen Jubel und Skepsis vermittelt, indem sie aufzeigt, dass die Nachfolgevereinbarung des Kyoto-Protokolls durchaus das Papier wert sei.
Die Vorsitzenden der Deutschen Umweltstiftung wie des Bundesverbandes "Naturfreunde" würdigen das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, als gleichermaßen ehrgeizig wie gerade noch tolerabel, das zweite ambitiöse Ziel von 1,5 Grad dagegen als schon nicht mehr vorstellbar.
Zwischen Mahnung und Vision
Gleichzeitig sehen sie Chance und Risiko in der Freiwilligkeit, national angekündigte Klimaschutzmaßnahmen verpflichtend umzusetzen. Denn die Summe der Selbstverpflichtungen reichte nur für ein 2,8-Grad-Limit. Auch sei der nunmehr notwendige Prozess des ökologischen Wandels völlig ungeklärt. Im Gegenteil: Sie warnen, dass die unbestimmt geforderten "klimaneutralen Lösungen" zur Flucht auf "falschen" Wegen führen könnten.
Für sie geht es politisch um die Frage, ob dieses Jahrhundert eines der Flüchtlingswanderungen, der erbitterten Verteilungskämpfe und der Gewalt werde – oder eines der nachhaltigen Entwicklung. Dazu müsste besonders den Menschen in den ärmsten Erdteilen Afrikas, auf den pazifischen Inseln und an den asiatischen Flussdeltas geholfen werden, sich selbst vor Wetter- und Klimafolgen zu schützen.
Bewusst wollten die Herausgeber deswegen auch den heiklen Punkt diskutieren, wie sich bedrohte Regionen rechtzeitig auf geeignete Weise anpassen, sofern sie voraussichtlich eine Klimafolge wie Dürre oder Überschwemmung nicht abwenden könnten.
Darüber hinaus blicken die Autoren des Sammelbandes zurück, auf den langen Weg wissenschaftlicher Erkenntnis, dass die Erde im Schwitzkasten eines warmen Himmels gefangen sei, auch auf den steinigen der Klimadiplomatie, der letztlich, so Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, erfolgreich gewesen sei - ausgehend vom Weltgipfel in Rio de Janeiro 1992 über 21 Folgetreffen hinweg bis nach Paris 2015. Ansonsten schwanken die Experten in ihrer Bilanz zwischen Mahnung und Vision.
Gut durchdachter, verlässlicher Klimaschutz
Es komme auf einen gut durchdachten, verlässlichen Klimaschutz an, der Unternehmen und Gesellschaft auf Energie-Effizienz festlege, ein wirksames Preissystem für CO2 finde, den Abschied von der Kohlenstoffwirtschaft erlaube, ja die nächste industrielle Revolution auslöse, ohne allerdings die Ökosysteme andersartig unter Druck zu setzen.
Das sollte Lösungen einschließen, mit denen sich Schwellen- und Entwicklungsländer ein nicht klimaschädliches Wachstum erlaubten könnten, indem sie beispielsweise mithilfe des Nordens auf erneuerbare Energien setzten.
Ein internationales Klimaschutzabkommen ausgehandelt zu haben, sei zwar eine Leistung der UNO. Es erfolgreich umzusetzen, werde nunmehr eine Aufgabe autonom handelnder Nationalstaaten sein – und dort vor allem der Städte und Kommunen.