John Berger: Ein Geschenk für Rosa
Aus dem Englischen von Hans Jürgen Balmes
Carl Hanser Verlag, München 2018
135 Seiten, 22 Euro
Eintauchen und staunen
Schriftsteller, Maler und Kommentator: Der 2017 verstorbene John Berger war eine Leitfigur unter den europäischen Intellektuellen. Sein Buch "Ein Geschenk für Rosa" mit essayistischen Skizzen, Zeichnungen und Fotos ist nun auf Deutsch erschienen.
In einem dieser kurzen Texte beschreibt John Berger, wie er loszieht, um das Atelier eines befreundeten Malers zu besuchen. Durch halb Paris geht es in einen Vorort voller Apartmentblocks. In einer kleinen Wohnung unter dem Dach hat der Maler sein Atelier. Dort gibt es keine fein gehängten Bilder zu sehen. Stattdessen lehnen überall schmutzige Leinwände und bekleckste Papierbögen. Selbst der Boden ist übersät mit Entwürfen. Doch dann erzählt Berger, wie er vor einem zwei mal zwei Meter großen Gemälde des Paradieses stehenbleibt, sprachlos, staunend: "Und nach einem Moment des Innehaltens, des Luftholens, trat ich ein."
So ähnlich mag es einem als Leser mit John Bergers Texten ergehen. Beim ersten Blättern weiß man oft gar nicht, durch welche Welten man gerade wandert. Berger schafft es, Gedanken über Bilder, einen Liedtext, François Hollande, eine Kirche in Mexiko und die Beobachtung eines Jongleurs in einem einzigen Text zu vereinen. Und wie in den Bildern des Malerfreundes könnte die Anordnung verwinkelter kaum sein: "Die Straßenzüge sind manchmal gerade und regelmäßig, dann rätselhaft verschlungen, mit brachliegenden Grundstücken und unfertigen Bauplätzen". Und trotzdem: Wer lesend in Bergers Sphären eintritt, kommt aus dem Staunen oft nicht mehr heraus.
So ähnlich mag es einem als Leser mit John Bergers Texten ergehen. Beim ersten Blättern weiß man oft gar nicht, durch welche Welten man gerade wandert. Berger schafft es, Gedanken über Bilder, einen Liedtext, François Hollande, eine Kirche in Mexiko und die Beobachtung eines Jongleurs in einem einzigen Text zu vereinen. Und wie in den Bildern des Malerfreundes könnte die Anordnung verwinkelter kaum sein: "Die Straßenzüge sind manchmal gerade und regelmäßig, dann rätselhaft verschlungen, mit brachliegenden Grundstücken und unfertigen Bauplätzen". Und trotzdem: Wer lesend in Bergers Sphären eintritt, kommt aus dem Staunen oft nicht mehr heraus.
Über Dinge und deren gesellschaftliche Bedeutung
Gut ein Jahr nach John Bergers Tod ist nun dieser Band mit letzten Texten erschienen, die Hans Jürgen Balmes sehr schön übersetzt hat. Die meisten der Stücke sind zwischen 2013 und 2015 entstanden. Berger, der Schriftsteller und Maler, hatte die Sammlung aus essayistischen Skizzen, Zeichnungen und Fotos selbst komponiert, sein Sohn das Konvolut dann abgeschrieben. So kurz die einzelnen Texte auch sind, enthalten sie doch die ganze Kunst des großen Engländers. Egal, ob er sich der Sprache zuwendet oder mit Charlie Chaplin ein Bild betrachtet, ob er sich die Steinchen eines Mosaiks ansieht oder Rosa Luxemburg ein Geschenk macht (es sei hier nicht verraten): Immer gelingt es John Berger, uns Leser etwas sehen zu lassen. Er verwandelt die Dinge vor unseren Augen und zeigt uns ihre gesellschaftliche Bedeutung.
In fast allen Texten sind auch kleine Selbstbeschreibungen enthalten. Nicht von ungefähr lautet der Titel des ersten Stückes "Selbstporträt". Mit Rosa Luxemburg teilte John Berger den Wunsch, sich für die an den Rand gedrängten Menschen einzusetzen. Wie Charlie Chaplin vertraute er auf das Glück des Staunens. Von seinem geliebten Onkel hatte er die Unnachgiebigkeit gelernt und die andere Sicht auf die Dinge ("Er untersuchte alles und jedes."). Und wie ein Sänger probierte er immer, dem gleichförmigen Ablauf der Zeit zu trotzen.
In fast allen Texten sind auch kleine Selbstbeschreibungen enthalten. Nicht von ungefähr lautet der Titel des ersten Stückes "Selbstporträt". Mit Rosa Luxemburg teilte John Berger den Wunsch, sich für die an den Rand gedrängten Menschen einzusetzen. Wie Charlie Chaplin vertraute er auf das Glück des Staunens. Von seinem geliebten Onkel hatte er die Unnachgiebigkeit gelernt und die andere Sicht auf die Dinge ("Er untersuchte alles und jedes."). Und wie ein Sänger probierte er immer, dem gleichförmigen Ablauf der Zeit zu trotzen.
Kritik an der Globalisierung
Dabei verfügt noch der unscheinbarste Text über eine politische Schicht. Am überzeugendsten sind jene Stellen, an denen John Berger seine Kritik an der Globalisierung nicht in überdeutliche Kommentare packt, sondern in Szenen und Bilder einlagert, denen er das Gemeinsame ablauscht. Wie in den Gemälden des befreundeten Malers fangen die Zeichen dann an zu tönen: Sie "murmeln, flüstern und pfeifen."