Kältehilfe in Brüssel-Etterbeek

Polizei bringt Obdachlose zwangsweise ins Warme

Hamburg: Bei Minustemperaturen hat ein Obdachloser auf einer Parbank im Alten Elbpark übernachtet.
Hamburg: Bei Minustemperaturen hat ein Obdachloser auf einer Parbank im Alten Elbpark übernachtet. © imago/Rüdiger Wölk
Von Malte Pieper, Carsten Schmiester und Sabine Wachs |
Eiseskälte in ganz Europa: Das hat einen Brüsseler Bürgermeister zu einer unkonventionellen Maßnahme veranlasst. Obdachlose werden aufgegriffen und zwangsweise ins Warme gebracht. In Frankreich werden Rathaussäle umfunktioniert und Finnland hilft schon bei drohender Obdachlosigkeit - mit Erfolg.

Brüssel/Etterbeek: Polizei nimmt Obdachlose mit und bringt sie ins Warme

In Teilen Brüssels dürfen Obdachlose angesichts der Minustemperaturen nicht mehr draußen schlafen. Werden sie von der Polizei gefunden, müssen sie mitkommen – erst werden sie zu einem Arzt gebracht, dann zu einem Schlafsaal der Gemeinde. Dort ist es den Obdachlosen verboten, den Saal vor dem Morgengrauen wieder zu verlassen.
Urheber dieser unkonventionellen Maßnahme ist der Bürgermeister der Brüsseler Teilgemeinde Etterbeek, Vincent De Wolf. Er ist ein Liberaler und vertritt eigentlich das Motto 'Leben und leben lassen'. Doch das Winterwetter bringt ihn an seine Grenzen, und so nutzt er nun eine Lücke in den belgischen Verwaltungsgesetzen und lässt unter Berufung auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung die Obdachlosen zwangsweise ins Warme bringen.
Er selbst sagt: "Moralisch und juristisch kann ich so nicht schlafen gehen und einfach abwarten, bis eine Katastrophe passiert. Jemand, der nur wegen der Kälte stirbt, der nachts erfriert, darf einfach nicht sein."
Es liege in seiner Verantwortung, Todesfälle zu verhindern, sagt De Wolf. Belgiens Sozialverbände sprechen hingegen von einem echten Dilemma: Einerseits sind sie froh helfen zu können, andererseits sind sie gegen Zwang zur Hilfe. Viel Obdachlose wollen aus Angst vor Gewalt oder Diebstahl nämlich nicht in die Notunterkünfte. In Teilen Brüssels haben sie nun keine Chance mehr.

Frankreich: Aktionsplan "Grand Froid"

In Paris leben mehr als 3000 Menschen auf der Straße, die Notschlafstätten sind überfüllt. Nun hat die Stadt mehr als 700 weitere provisorische Plätze eingerichtet.
Nicht nur Turnhallen wurden umfunktioniert, es wurden sogar Rathaussäle leer geräumt. Überall wo die Stadt Paris, freie, trockene und warme Plätze anbieten kann, sind Notschlafstätten entstanden.
Die Angst, dass Menschen erfrieren, ist groß. Trupps vom Roten Kreuz und anderen Sozialdiensten laufen deshalb durch die Stadt, verteilen Decken, warmes Essen und warme Getränke an all diejenigen, die keine Platz in den Notunterkünften bekommen haben. Cafés und Bars öffnen die Türen. Ähnliche Maßnahmen nach dem Aktionsplan "Grand Froid" gibt es in ganz Frankreich.

Finnland: Stiftung stellt preiswerte Wohnungen zur Verfügung

In Finnland gibt es kaum noch Obdachlose: Seit 1999 existiert dort das von der Regierung aufgelegte Programm "Housing First". Dies Programm versucht schon bei drohender Obdachlosigkeit, Betroffenen zu permanentem Wohnraum zu verhelfen und nicht nur die Obdachlosigkeit nur zu 'managen', Obdachlose also lediglich von einem Provisorium zum nächsten zu vermitteln, ohne die Abwärtsspirale wirklich zu stoppen.
Über eine Stiftung stehen im ganzen Land mehr als 16.000 preiswerte Wohnungen zur Verfügung und werden offenbar gut genutzt. Bis 2008 wurde so den meisten Obdachlosen auch bei der Bewältigung des Alltages geholfen. Nur Menschen mit schwerwiegenden sozialen oder gesundheitlichen Problemen seien selbst für "Housing First" schwer zu erreichen, heißt es.
Vor einem Jahr lag in Finnland mit seinen 5,5 Millionen Einwohnern die Zahl der obdachlosen Menschen bei etwa 6700 Menschen, ein Drittel davon hatte schon seit mehreren Jahren keine Wohnung.
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