Ulrike Herrmann ist Wirtschaftskorrespondentin der Tageszeitung "taz", ausgebildete Bankkauffrau, Historikerin und Autorin zahlreicher Sachbücher. In diesen Tagen erscheint ihr neuer Titel "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung".
Womit Marx tatsächlich Recht hatte
Nichts ist gerechter als der Wettbewerb? Führt Deregulierung zu fairer Konkurrenz? Nein, meint unsere Autorin Ulrike Herrmann. Dass der "perfekte Wettbewerb" eine Chimäre sei, habe bereits Marx in seinem Werk "Das Kapital" gezeigt.
"Man sehe sich die Arbeiter mit ihren Autos und Mikrowellen doch an – besonders verelendet sehen sie nicht aus!" So höhnte Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Samuelson über Karl Marx . Und es stimmt: Marx hatte nicht immer Recht. Trotzdem übt er bis heute einen ungeheuren Sog aus.
Marx fasziniert, weil er die Wucht des Kapitalismus in eingängige Worte fassen konnte. Im Kommunistischen Manifest schrieb er schon 1848: "Die fortwährende Umwälzung der Produktion, die ununterbrochene Erschütterung aller gesellschaftlichen Zustände, die ewige Unsicherheit und Bewegung zeichnet die Bourgoisieepoche vor allen anderen aus. Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht." Das erkennt jeder wieder.
Marx war der erste Theoretiker, der die Dynamik des Kapitalismus richtig beschrieben hat: Die moderne Wirtschaft ist ein permanenter Prozess – und kein Zustand. Einkommen ist niemals garantiert, sondern entsteht erst, wenn unablässig investiert wird.
Das Gewinnstreben scheint zum Selbstzweck zu verkommen, oder wie es Marx in einem seiner berühmtesten Zitate formulierte: "Akkumuliert, Akkumuliert! Das ist Moses und die Propheten!"
Marx verlieh dem Begriff "Kapital" eine neue Bedeutung. Bis dahin hatten die Ökonomen das Kapital als etwas Statisches betrachtet. Geld und Maschinen galten als Vermögenswerte "an sich", die man mühelos bilanzieren konnte. Bei Marx gab es kein Vermögen, das irgendwie vorhanden wäre. Kapital bildete sich erst, wenn produziert wurde, wenn Güter entstanden, die sich mit Gewinn verkaufen ließen.
Marx fasziniert, weil er die Wucht des Kapitalismus in eingängige Worte fassen konnte. Im Kommunistischen Manifest schrieb er schon 1848: "Die fortwährende Umwälzung der Produktion, die ununterbrochene Erschütterung aller gesellschaftlichen Zustände, die ewige Unsicherheit und Bewegung zeichnet die Bourgoisieepoche vor allen anderen aus. Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht." Das erkennt jeder wieder.
Marx war der erste Theoretiker, der die Dynamik des Kapitalismus richtig beschrieben hat: Die moderne Wirtschaft ist ein permanenter Prozess – und kein Zustand. Einkommen ist niemals garantiert, sondern entsteht erst, wenn unablässig investiert wird.
Das Gewinnstreben scheint zum Selbstzweck zu verkommen, oder wie es Marx in einem seiner berühmtesten Zitate formulierte: "Akkumuliert, Akkumuliert! Das ist Moses und die Propheten!"
Marx verlieh dem Begriff "Kapital" eine neue Bedeutung. Bis dahin hatten die Ökonomen das Kapital als etwas Statisches betrachtet. Geld und Maschinen galten als Vermögenswerte "an sich", die man mühelos bilanzieren konnte. Bei Marx gab es kein Vermögen, das irgendwie vorhanden wäre. Kapital bildete sich erst, wenn produziert wurde, wenn Güter entstanden, die sich mit Gewinn verkaufen ließen.
Die Kleinen werden verdrängt
Aber was trieb die rastlose Dynamik im Kapitalismus an? Marx erkannte als Erster, dass die Technik dabei eine zentrale Rolle spielt.
Für jeden einzelnen Unternehmer ist es attraktiv, neue Maschinen anzuschaffen, die produktiver sind als die Anlagen der Konkurrenz. Denn sobald ein Fabrikant seine Waren billiger herstellt, kann er einen Extraprofit erwirtschaften, den Marx "Extramehrwert" nannte. Die Wettbewerber müssen jedoch sofort nachziehen, wenn sie nicht vom Markt gefegt werden wollen. Also investieren auch sie in neue Maschinen, und der Extramehrwert verschwindet wieder.
Jeder Kapitalist unterliegt damit dem "Zwangsgesetz der Konkurrenz", wird von seinen Wettbewerbern getrieben und weitet seine Produktion ständig aus, um nicht unterzugehen. Doch die meisten Märkte sind irgendwann gesättigt und können die zusätzlichen Waren nicht mehr aufnehmen. Den Verdrängungswettbewerb überleben nur jene Firmen, die am billigsten produzieren können. Dies sind meist die Großkonzerne.
Für jeden einzelnen Unternehmer ist es attraktiv, neue Maschinen anzuschaffen, die produktiver sind als die Anlagen der Konkurrenz. Denn sobald ein Fabrikant seine Waren billiger herstellt, kann er einen Extraprofit erwirtschaften, den Marx "Extramehrwert" nannte. Die Wettbewerber müssen jedoch sofort nachziehen, wenn sie nicht vom Markt gefegt werden wollen. Also investieren auch sie in neue Maschinen, und der Extramehrwert verschwindet wieder.
Jeder Kapitalist unterliegt damit dem "Zwangsgesetz der Konkurrenz", wird von seinen Wettbewerbern getrieben und weitet seine Produktion ständig aus, um nicht unterzugehen. Doch die meisten Märkte sind irgendwann gesättigt und können die zusätzlichen Waren nicht mehr aufnehmen. Den Verdrängungswettbewerb überleben nur jene Firmen, die am billigsten produzieren können. Dies sind meist die Großkonzerne.
Die Illusion vom perfekten Wettbewerb
Marx war der erste Ökonom, der klar beschrieb, dass der Kapitalismus zum Oligopol neigt. Die kleinen Firmen werden verdrängt, bis nur noch wenige Großkonzerne eine ganze Branche beherrschen.
Marx' Analyse gilt bis heute, wie aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen: Großkonzerne machen zwar nur ein Prozent der deutschen Firmen aus, aber im Jahr 2012 generierten sie 68 Prozent des gesamten Umsatzes. Gleichzeitig sind 81 Prozent aller Firmen Kleinstbetriebe – aber gemeinsam kamen sie 2012 nur auf ganze 6 Prozent des Umsatzes.
Die deutsche Wirtschaft ist also extrem konzentriert; wenige Großkonzerne kontrollieren die gesamte Wertschöpfungskette, von den Rohstoffen bis zum Absatz. Der Kapitalismus ist zutiefst dialektisch: Die Konkurrenz treibt die Unternehmer an, bis von der Konkurrenz fast nichts mehr übrig ist.
Doch obwohl Marx diese Erkenntnis schon vor 150 Jahren formulierte, ist sie im ökonomischen Mainstream immer noch nicht angekommen. Stattdessen träumen die meisten Volkswirte von einer "Marktwirtschaft", die durch "perfekten Wettbewerb" gekennzeichnet ist.
Marx' Analyse gilt bis heute, wie aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen: Großkonzerne machen zwar nur ein Prozent der deutschen Firmen aus, aber im Jahr 2012 generierten sie 68 Prozent des gesamten Umsatzes. Gleichzeitig sind 81 Prozent aller Firmen Kleinstbetriebe – aber gemeinsam kamen sie 2012 nur auf ganze 6 Prozent des Umsatzes.
Die deutsche Wirtschaft ist also extrem konzentriert; wenige Großkonzerne kontrollieren die gesamte Wertschöpfungskette, von den Rohstoffen bis zum Absatz. Der Kapitalismus ist zutiefst dialektisch: Die Konkurrenz treibt die Unternehmer an, bis von der Konkurrenz fast nichts mehr übrig ist.
Doch obwohl Marx diese Erkenntnis schon vor 150 Jahren formulierte, ist sie im ökonomischen Mainstream immer noch nicht angekommen. Stattdessen träumen die meisten Volkswirte von einer "Marktwirtschaft", die durch "perfekten Wettbewerb" gekennzeichnet ist.