"Keinem Präsidenten fällt so etwas leicht."

Von Max Böhnel |
Erst eine Rakete, dann Bomben aus der Luft, später Bodentruppen: Die USA griffen Panama an. Der Grund: Angeblich wollten sie die Demokratie in Panama verteidigen, den Drogenhandel bekämpfen und die Unversehrtheit des Panamakanalvertrages wahren. Die wahren Gründe waren andere.
Am 20. Dezember 1989, kurz nach Mitternacht um 0:46 Uhr schlug in Panama-Stadt die erste Rakete ein. Sie traf das Hauptquartier des Diktators General Manuel Antonio Noriega. Inmitten der Flammen forderte ein US-Offizier über Megafon die panamesischen Elitetruppen auf, sich zu ergeben und ihren Chef auszuliefern:

"We ask you to surrender. If you do not, we are prepared to level each and every building.”"

Als eine Reaktion ausblieb, machte die US-Armee aus ihrer Drohung ernst und bombardierte von Kampfflugzeugen und -hubschraubern aus die Kasernengebäude in dem Armenviertel Chorrillo. Dazu kam schwerer Artilleriebeschuss, bis ganze Straßenzüge in Flammen standen. In den frühen Morgenstunden, während 24000 US-Soldaten in ganz Panama einmarschierten, wandte sich Präsident George Bush senior zuhause in den USA über Fernsehen und Radio an die amerikanische Nation:

""Liebe Mitbürger, letzte Nacht habe ich US-Militär nach Panama beordert. Keinem Präsidenten fällt so etwas leicht."

Bush begründete die Panama-Invasion, die den PR-Namen "Operation Gerechte Sache" trug, folgendermaßen:

"Die Ziele der USA bestehen darin, das Leben von US-Bürgern zu schützen, die Demokratie in Panama zu verteidigen, den Drogenhandel zu bekämpfen und die Unversehrtheit des Panamakanalvertrags zu wahren. Es gab viele Versuche, die Krise mit Diplomatie und Verhandlungen zu lösen. All dies scheiterte am Diktator von Panama, General Manuel Noriega, einem angeklagten Drogenhändler."

Den Panamakanal-Vertrag, der die Rückgabe der Hoheit über die Kanalzone bis Ende des Jahres 1999 an Panama vorsah, stellte niemand ernsthaft in Frage, auch Noriega nicht. Und vor allem: Noriega war ein alter Verbündeter der USA. Er konnte sich seit den 60er-Jahren auf die Unterstützung der CIA verlassen, als es um den Kampf gegen die sogenannte kommunistische Gefahr in Lateinamerika ging. Dass Noriega gleichzeitig mit dem kolumbianischen Medellin-Kartell seit vielen Jahren unter einer Decke steckte, war Bush wohlbekannt. Die beiden pflegten seit Jahren ein gutes Verhältnis. Die in New York für die Menschenrechtsorganisation "Madre" arbeitende Lateinamerika-Expertin Yifat Susskind erklärt:

"Als Bush 1976 CIA-Chef wurde, war sein Hauptansprechpartner in Panama der Militärgeheimdienstchef Noriega. Er diente den USA jahrelang als wichtiger Informationszuträger und erhielt dafür Hunderttausende von Dollars. Später wurde Bush unter Ronald Reagan Vizepräsident und Leiter des sogenannten Feldzugs gegen Drogen. Auch dann wurden Noriegas Drogengeschäfte mit dem Medellin-Kartell unter den Tisch gekehrt. Denn Noriega arbeitete mit der CIA zusammen, als die Contras in Nicaragua mit Waffen versorgt wurden."

Doch Noriega, inzwischen zum Armeechef aufgestiegen, fiel bald in Ungnade. Der Bruch erfolgte auf dem Höhepunkt des Iran-Contra-Skandals 1986.

US-Regierungsvertreter hatten geheim Waffen an das iranische Mullah-Regime geliefert. Ein Teil der Erlöse ging illegal nach Zentralamerika: an die Contras, die die linke Sandinistenregierung in Nicaragua bekämpften und ebenfalls im internationalen Drogenhandel tätig waren - zusammen mit Noriega. Als das mörderische Konstrukt in Washington aufflog und zahlreiche US-Regierungsbeamte ihren Hut nehmen mussten, war auch Noriega nicht mehr haltbar. 1988 wurde er in den USA des Rauschgifthandels und der Geldwäsche angeklagt. Als Noriega mehrere Putschversuche überstand, beschloss George Bush ein Jahr darauf den Angriff. Innerhalb von drei Tagen war Panama besetzt. Noriega floh in die Residenz des Vatikans. Nach elf Tagen ergab er sich den US-Truppen. Seit seiner Verurteilung befindet er sich als Kriegsgefangener in einem Hochsicherheitstrakt in Miami. Die Amerikaner gaben den Panama-Kanal am Ende des Jahrtausends vertragsgerecht zurück, behalten sich jedoch weitere Interventionen vor. Wenn nach Ansicht der US-Regierung die Sicherheit der Kanal-Zone bedroht ist, könnte ein neuer Angriff bevorstehen.