Komische Gedichte als Waffe
Wiglaf Droste gibt sich gerne kämpferisch. Von ihm nicht gemocht zu werden, ist nicht angenehm, denn was er verachtet, übergießt er kübelweise mit Häme. Seine Kolumnen in der "taz" sind gefürchtet. Für sein "vitales Dissidententum" und seine "Verbindung aus grobem Ton und feinem Stil" wurde er 2003 mit dem Ben Witter-Preis ausgezeichnet. Ähnliches lässt sich auch über seine Gedichte sagen, die nun unter dem eher zarten Titel "nutzt gar nichts, es ist Liebe" vorliegen.
Dem Band ist ein Zitat von Alfred Polgar vorangestellt, das die Gemeinsamkeit von Dichten und Schießen beschreibt. In beiden Fällen muss man, da es dem Schützen wie dem Dichter leicht die Hand verreißt, höher zielen, um zu treffen. Also zielt Droste hoch - und nimmt das Risiko in Kauf, gelegentlich mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Das Gedicht mit dem Titel "Die Lehren der 45er" spielt folglich auf keine Nachkriegs-Generationserfahrung an, sondern meint die 45er "Magnum von Mike Hammer", die sich bei Doste auf "Händefalter und Seitenscheitelkämmer" reimt.
"Die andre Wange jesusmäßig hinhalten
ist Quatsch mit Soße
In seine Feinde soll man Löcher machen
und zwar große."
Trotz solch martialischer Töne ist Droste außerhalb der Lyrik kein Freund gewaltsamer Konfliktlösungen. Als er einmal das Militär bespottete und behauptete, Soldaten seien Mörder, sah er sich mit einer Verleumdungsklage der Bundeswehr konfrontiert. Nun fragt er listig in Gedichtform:
"Ja wie soll man sie denn nennen?
Faxgeräte?Sackgesichter?
Zeugungsfähiges Gelichter?
Freddies, die auf Totschlag brennen? Weder Geist noch Güte kennen?"
Nach den Soldaten kommen auf Drostes Feindesliste die Kirchenleute, gegen deren professionelles Geheuchel er eine gelegentlich etwas penälerhafte Blasphemie setzt. Die Spottverse "Ratzinger will Jesus werden" lesen sich allerdings, nachdem Ratzinger erst einmal Papst geworden ist, durchaus prophetisch. Am besten ist Droste dann, wenn er ganz knapp wird. Seine Zweizeiler klingen so, als wären sie locker dahin geworfen, denn man sieht ihnen nicht an, wie viel Arbeit darin steckt. Guido Westerwelles Libido beispielsweise bringt Droste restlos in dem Vers unter:
"Alles was er hatte
war seine Krawatte"
Und in dem kleinen Gedicht "1 Schicksal" könnte ahnungsvoll sogar so etwas wie Selbstkritik aufblitzen:
"Die Pubertät
Die kam so spät:
Die Regression
Wartete schon."
Das Buch ist in acht Sachkapitel unterteilt. Neben "Religion und Schießkunst" gibt es freundliche Kinderverse oder Gedichte über Tisch und Bett, die die Freuden sinnlichen Genießens feiern. Das Lob der Hühnersuppe oder das aus dem Nabel der Liebsten zu schlürfende Linsengericht gehören in diese Rubrik. Nach dem Essen und dem Lieben bleibt nur noch das Faulenzen:
"Faulsein kostet so viel Kraft:
Man liegt da und ist geschafft."
Solche Verse haben Wilhelm Busch-haftes Kaliber und könnten es durchaus in den alltäglichen Zitatenschatz schaffen. Im Kapitel "Tiere und Pflanzen" findet sich Drostes großartiger "toleranter Panther". Weil lecker Hasen und Bambis vernaschen heutzutage in Männergruppen und im Pantherplenum nicht gut ankommt, mutiert er zum Softie, der behinderten Rehen über die Straße hilft und bei Hasenwitzen einschreitet.
Politische Korrektheit und alle Formen von Heuchelei stehen auf Drostes Abschussliste ganz weit oben. Gegen den Zwang öffentlicher Einvernahme wehrt er sich mit harten Bandagen - so zum Beispiel, wenn er die New Yorker Terroranschläge vom 11.9.2001 als "fliegende Architekturkritik" bezeichnet. Natürlich ist das maßlos. Man darf solche Geschmacklosigkeit aber nicht als Meinungsäußerung lesen, sondern als gezielte Provokation.
Gerade dann, wenn alle sich einig sind, will Droste zornig werden dürfen. In den Glossen und Kolumnen des Journalisten wirkt das manchmal selbstgerecht und von oben herab. Die Lyrik arbeitet dem entgegen und bindet auch den gerechten Zorn in eine Form. Droste setzt die Tradition von Ringelnatz und Tucholsky fort. Es gibt derzeit nur wenige Autoren in Deutschland, die so scharfe Pointen setzen können und die es tatsächlich schaffen, das komische Gedicht als Waffe zu gebrauchen.
Wiglaf Droste: nutzt gar nichts, es ist Liebe.
Gedichte. Reclam Leipzig,
160 S., 12.90 Euro.
"Die andre Wange jesusmäßig hinhalten
ist Quatsch mit Soße
In seine Feinde soll man Löcher machen
und zwar große."
Trotz solch martialischer Töne ist Droste außerhalb der Lyrik kein Freund gewaltsamer Konfliktlösungen. Als er einmal das Militär bespottete und behauptete, Soldaten seien Mörder, sah er sich mit einer Verleumdungsklage der Bundeswehr konfrontiert. Nun fragt er listig in Gedichtform:
"Ja wie soll man sie denn nennen?
Faxgeräte?Sackgesichter?
Zeugungsfähiges Gelichter?
Freddies, die auf Totschlag brennen? Weder Geist noch Güte kennen?"
Nach den Soldaten kommen auf Drostes Feindesliste die Kirchenleute, gegen deren professionelles Geheuchel er eine gelegentlich etwas penälerhafte Blasphemie setzt. Die Spottverse "Ratzinger will Jesus werden" lesen sich allerdings, nachdem Ratzinger erst einmal Papst geworden ist, durchaus prophetisch. Am besten ist Droste dann, wenn er ganz knapp wird. Seine Zweizeiler klingen so, als wären sie locker dahin geworfen, denn man sieht ihnen nicht an, wie viel Arbeit darin steckt. Guido Westerwelles Libido beispielsweise bringt Droste restlos in dem Vers unter:
"Alles was er hatte
war seine Krawatte"
Und in dem kleinen Gedicht "1 Schicksal" könnte ahnungsvoll sogar so etwas wie Selbstkritik aufblitzen:
"Die Pubertät
Die kam so spät:
Die Regression
Wartete schon."
Das Buch ist in acht Sachkapitel unterteilt. Neben "Religion und Schießkunst" gibt es freundliche Kinderverse oder Gedichte über Tisch und Bett, die die Freuden sinnlichen Genießens feiern. Das Lob der Hühnersuppe oder das aus dem Nabel der Liebsten zu schlürfende Linsengericht gehören in diese Rubrik. Nach dem Essen und dem Lieben bleibt nur noch das Faulenzen:
"Faulsein kostet so viel Kraft:
Man liegt da und ist geschafft."
Solche Verse haben Wilhelm Busch-haftes Kaliber und könnten es durchaus in den alltäglichen Zitatenschatz schaffen. Im Kapitel "Tiere und Pflanzen" findet sich Drostes großartiger "toleranter Panther". Weil lecker Hasen und Bambis vernaschen heutzutage in Männergruppen und im Pantherplenum nicht gut ankommt, mutiert er zum Softie, der behinderten Rehen über die Straße hilft und bei Hasenwitzen einschreitet.
Politische Korrektheit und alle Formen von Heuchelei stehen auf Drostes Abschussliste ganz weit oben. Gegen den Zwang öffentlicher Einvernahme wehrt er sich mit harten Bandagen - so zum Beispiel, wenn er die New Yorker Terroranschläge vom 11.9.2001 als "fliegende Architekturkritik" bezeichnet. Natürlich ist das maßlos. Man darf solche Geschmacklosigkeit aber nicht als Meinungsäußerung lesen, sondern als gezielte Provokation.
Gerade dann, wenn alle sich einig sind, will Droste zornig werden dürfen. In den Glossen und Kolumnen des Journalisten wirkt das manchmal selbstgerecht und von oben herab. Die Lyrik arbeitet dem entgegen und bindet auch den gerechten Zorn in eine Form. Droste setzt die Tradition von Ringelnatz und Tucholsky fort. Es gibt derzeit nur wenige Autoren in Deutschland, die so scharfe Pointen setzen können und die es tatsächlich schaffen, das komische Gedicht als Waffe zu gebrauchen.
Wiglaf Droste: nutzt gar nichts, es ist Liebe.
Gedichte. Reclam Leipzig,
160 S., 12.90 Euro.