Die Angst vor der Genderdebatte
Warum verkaufen sich Ratgeber, die traditionelle Geschlechterbilder vermitteln, besser als literarische Bücher, die diese hinterfragen? Der Literaturwissenschaftler Stefan Horlacher sucht darauf eine Antwort und plädiert für die Darstellung der Vielfalt von Geschlechterrollen.
Stefan Horlacher ist Professor für englische Literaturwissenschaft an der TU Dresden und forscht auch zum Thema Geschlechterrollen in der Literatur. Traditionelle Ratgeber wie Robert Blys "Eisenhans - Ein Buch über Männer" oder Sam Keens "Feuer im Bauch - Über das Mann-Sein" verkauften sich besser als literarische Bücher, die den Leser dazu zwingen, sich selbst zu hinterfragen, sagt er.
Erfolgreich seien unter den Ratgebern vor allem solche Bücher, die die Unterschiede zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit betonen:
"... und die dann meinen, Ihnen erklären zu können, warum eine Frau nicht einparken kann. Das wird als versichernd empfunden, weil es scheinbar das Wissen zu bestärken scheint."
Sexuelle Identität bedeutet Verantwortung
In der belletristischen Literatur würden die Grenzen bekannter Rollenmodelle eher überschritten:
"Das kann explizit sein, das kann auch implizit sein, aber es bringt uns zum Nachdenken und hilft uns weiter – manchmal vielleicht auf unangenehme Weise."
Stefan Horlacher verweist auf die Geschichte:
"Unser ganzes westliches Denken beruht seit der Bibel auf patriarchalischen Strukturen – es wäre naiv zu denken, dass 50 oder 100 Jahre Feminismus dieses Fundament wegwaschen können."
Dass Frauen heute mit dem Thema Sexismus verstärkt in die Öffentlichkeit gehen und Medien das aufgreifen, begrüßt der Literaturwissenschaftler ausdrücklich:
"Heute haben wir eigentlich eine Pluralität von Männlichkeit und Weiblichkeit. Wenn Sie eine gewisse Freiheit haben in der Entscheidung Ihrer sexuellen Identität, dann bedeutet das auch Verantwortung und es bedeutet den Wegfall von gewissen vorgegebenen Ordnungsstrukturen. Und das kann natürlich dazu führen, dass Menschen sich ängstigen und wieder konservativ zu dem zurückgehen, was bisher als natürlich oder normal angesehen wurde."