Was wird aus dem Literaturnobelpreis?
Ihre Aufgabe ist hochkarätig: Sie vergibt den Literaturnobelpreis. Nun stürzt der Rücktritt von drei Mitgliedern die "Schwedische Akademie" in eine schwere Krise. Es geht um sexuelle Belästigung, Vetternwirtschaft und eine mutmaßlich "undichte Stelle".
Die Geschichte selbst wäre feinster Stoff für ein preisverdächtiges Werk: Liebe, sexueller Missbrauch, Heimlichtuerei, Vetternwirtschaft, Vorteilsnahme und Verrat, schließlich die Katastrophe, der Bruch, vielleicht sogar – der Zusammenbruch. In diesem Fall der "Schwedischen Akademie": 1786 von König Gustav III. mit dem Zweck gegründet, die schwedische Sprache und Literatur zu fördern.
Ihre traditionell 18 Mitglieder vergeben pro Jahr um die 50 verschiedene Stipendien und Preise, allen voran aber den Literaturnobelpreis. Deshalb sind sie weltberühmt und so zerstritten wie nie.
Seit Zeitungen im vergangenen November berichteten, dass der Ehemann eines Akademiemitgliedes, der Lyrikern Katarina Frostenson, im Verdacht steht, über Jahre hinweg im Umfeld der Akademie 18 Frauen sexuell belästigt, Namen von Nobelpreisträgern vor der offiziellen Bekanntgabe ausgeplaudert und von finanziellen Zuwendungen der Akademie profitiert zu haben.
Anwälte hatten den Fall im Auftrag der Akademie untersucht und mit ihrer Empfehlung wohl zur Eskalation beigetragen. Der Schriftsteller Klas Östergren, der Historiker Peter Englund und der Literaturwissenschaftler Kjell Espmark gaben ihren Rückzug, nicht den Austritt aus dem Gremium bekannt. Dennoch – ein Erdbeben.
Akademiemitglied Anders Olsson kommentierte im schwedischen Rundfunk: "Das war eine der schwersten Fragen, die wir jemals zu beantworten hatten. Soll das Akademiemitglied, das in Kontakt stand mit der 'Person' aus der Kulturwelt, sollte es also ausgeschlossen werden oder nicht? Die Mehrheit war gegen einen Ausschluss. Die drei, die gegangen sind, hatten das anders gesehen, waren als Minderheit aber überstimmt worden."
Anfang vom Ende der Jury?
Zwei weitere Mitglieder hatten sich bereits aus anderen Gründen zuvor aus der Akademie zurückgezogen. Macht aktuell also nur 13 Aktive. Und weitere "Stuhlinhaber", wie es heißt, denken ebenfalls darüber nach, künftig nicht mehr mitzumachen. Dann blieben weniger als zwölf und es wäre nach den Statuten nicht mehr möglich, neue Mitglieder zu wählen.
Der aktuelle Krach könnte also tatsächlich der Anfang vom Ende sein. Nicht des Literaturnobelpreises selbst, aber doch der traditionellen Art seiner Vergabe. Dem Verleger Svante Weyler schwant Schlimmstes:
"Sie wollen Krieg, offensichtlich - und beide Seiten. Sehenden Auges begeben sie sich in diese Situation."
Und ganz Schweden fiebert mit. Die einen aus Angst um eine zwar oft umstrittene, in ihren Augen aber doch zutiefst respektable Institution. Die anderen in der Hoffnung auf ein Ende mit Schrecken, das sie dem Schrecken ohne Ende vorziehen. Zu ihnen zählt Ingrid Elam, sie ist Literaturkritikerin beim öffentlichen Sender SVT:
"Man müsste etwas Radikales machen. Wie sollen sie denn die Glaubwürdigkeit zurückbekommen? Eine Möglichkeit wäre es, bei null anzufangen."
Statement kann alles bedeuten
Ein Neubeginn also und sie ist nicht die Einzige, die davon träumt. Aber es gibt nur einen, der dafür sorgen könnte.
"Der König hat das Sagen! Vielleicht sollte er die Sekretärin auffordern, eine ganz neue Runde zusammenzustellen."
Immerhin hat Carl-Gustav am Wochenende mit der Ständigen Sekretärin der Akademie gesprochen, mit Sara Danius, die sonst den großen öffentlichen Auftritt durchaus schätzt, diesmal aber um alle Kameras und Mikrofone einen weiten Bogen machte. So wie der König zunächst auch, er sprach erst später von einer "beklagenswerten Entwicklung".
Der Hof gab ergänzend bekannt, beide hätten ein "informatives Treffen gehabt". Dabei sei es um die gegenwärtige Lage der Akademie gegangen und um "verschiedene Lösungsansätze mit dem Ziel einer positiven Entwicklung". Das kann alles bedeuten: Von "Augen zu und durch" bis "Alle raus und neue rein"!