Gutes Feuerlegen, schlechtes Feuerlegen?
Pjotr Pawlenski bekam in Frankreich Asyl, nachdem er einen Brand vor dem Gebäude des russischen Inlandsgeheimdiensts gelegt hatte. Nun sitzt er in Frankreich in Haft, weil er vor der Banque de France Feuer legte. Für Kunstkritiker Carsten Probst eine Überreaktion.
Pjotr Pawlenski ist der vielleicht radikalste lebende russische Künstler. Selten, dass er nicht mit der Obrigkeit in Konflikt gerät – nun sitzt er seit acht Monaten in Untersuchungshaft in Frankreich, weil er im Oktober 2017 an der Banque de France in Paris Feuer gelegt hatte. Pawlenski – und auch andere – betrachten das als Kunst.
Durch seine Aktion wirft er eine spannende Frage auf: Denn für eine ähnliche Brand-Stiftungs-Aktion auf die Zentrale des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB war er in Russland "nur" zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Zudem bekam er in Frankreich Asyl – weil er sich nach der Aktion in Moskau von russischen Behörden verfolgt sah.
Warum wird Pawlenskis Aktionskunst in Paris als Regimekritik anerkannt, wenn er das System in Russland kritisiert – aber drakonisch bestraft, wenn er dasselbe in Paris tut? In Paris gab es nun Proteste, auf dass Pawlenski freigelassen werde.
Sinn für künstlerischen Aktivismus
Deutschlandfunk-Kultur-Kunstkritiker Carsten Probst erscheint der Fall als klare Überreaktion der französischen Behörden. Die Aktion mit dem Brand vor der Banque de France sei sehr überlegt gewesen, der symbolische Akt trete deutlich hervor – und das Feuer sei eben nicht am Tag gelegt worden, wenn es Publikumsverkehr gebe.
"Insofern glaube ich, könnte ein gelassener Rechtsstaat darin auch durchaus künstlerische Absichten erkennen – wenn er denn wollte", sagt Kunsthistoriker Probst.
Stattdessen sitze Pawlenski wegen Sachbeschädigung in Verbindung mir der Gefährdung anderer Personen in U-Haft. Die Behörden seien wohl auch etwas ratlos angesichts der Aktion. Zudem wirkten aber wahrscheinlich auch die Terrorakte in Paris nach. Jedenfalls, so Probst, scheine den Behörden der Sinn für künstlerischen Aktivismus ein bisschen abhanden gekommen zu sein.
Autoritäre Herrschaftsformen
Mit der Aktion in Russland habe sich Pawlenski wohl einen Status als künstlerischer Bürgerrechtler erarbeitet. Die Aktion in Frankreich werde zumindest von manchem jedoch anders beurteilt. Und in Deutschland seien viele Politiker, die Ai Wei Wei zuerst als den großen chinesischen Dissidenten gefeiert hatten, gar nicht mehr so begeistert gewesen, als dieser begann, sich für Flüchtlinge in Europa einzusetzen.
Wir merken, so Carsten Probst: Je näher diese politische Kunst selbst mit ihren politischen Statements an den tagespolitisch heißen Themen sei, desto stärker gerate sie auch immer wieder in den Strudel dieser Debatten, die natürlich von Land zu Land, von Beobachterposition zu Beteiligtenposition immer unterschiedlich ausfalle.
Und Pawlenski zeige das:
"Es gibt nicht nur in Russland autoritäre Herrschaftsformen, sondern eben im Westen einen, wenn man so will, autoritären Neokapitalismus – so lautet ungefähr seine Botschaft."
(mf)