Supermarkt-Kassiererin kämpft für gleichen Lohn
Leiharbeiterinnen müssen spätestens nach neun Monaten den gleichen Lohn bekommen wie ihre angestellten Kolleginnen. Doch statt gleicher Bezahlung bekam eine Supermarkt-Kassiererin die Kündigung. Das Arbeitsgericht Mönchengladbach erklärte diese für rechtswidrig.
Die 51-jährige Heike Orzol begann im Oktober 2013 in Grevenbroich als Kassiererin für die Supermarktkette "Real" zu arbeiten. Und zwar als Leiharbeiterin, ihr eigentlicher Arbeitgeber war die Zeitarbeitsfirma Mumme.
Heike Orzol erzählt, dass sie mit zuletzt knapp zehn Euro pro Stunde rund ein Drittel weniger Geld bekam als die festangestellten Beschäftigten. Mit der Arbeit war sie zufrieden, die Supermarktkette Real wohl ebenso – bis zum 31. Dezember 2017 arbeitete die Kassiererin dort. Dann erfolgte die Kündigung über die Zeitarbeitsfirma.
"Das versteh ich gar nicht, wenn ich heute noch in den Laden reingehe, ist das Erste, was sie sagen: Na, mein Schatz, was machst du denn? Da frag ich mich jetzt mal, warum will man mich da nicht?"
Die Leiharbeitsfirma kündigte vor Beginn der Equal-Pay-Frist, plante für die Kassiererin eine dreimonatige Pause - und wollte sie dann wieder zum niedrigeren Lohn einstellen. Heike Orzol erzählt, dass andere Beschäftigte in ihrer Zeitarbeitsfirma auch gekündigt worden seien. Den Mitbetroffenen habe sie erzählt, dass sie gegen die Kündigung klagen wolle:
"Ich hab auch viele andere Leute gefragt, die auch bei der Zeitarbeitsfirma waren, hab gesagt, Leute, wollt ihr nicht mitgehen? Der eine, dem war das dann zu viel Geld. Der andere, ich hab eh keine Lust mehr gehabt. Und wo ich dann gesagt hab: Mein Gott Leute, ihr könnt euch doch das alles so nicht gefallen lassen. Kein Mensch hatte den Mumm, von 15 Mitarbeitern bin ich die Einzige gewesen, die den Mumm hatte."
"Das versteh ich gar nicht, wenn ich heute noch in den Laden reingehe, ist das Erste, was sie sagen: Na, mein Schatz, was machst du denn? Da frag ich mich jetzt mal, warum will man mich da nicht?"
Die Leiharbeitsfirma kündigte vor Beginn der Equal-Pay-Frist, plante für die Kassiererin eine dreimonatige Pause - und wollte sie dann wieder zum niedrigeren Lohn einstellen. Heike Orzol erzählt, dass andere Beschäftigte in ihrer Zeitarbeitsfirma auch gekündigt worden seien. Den Mitbetroffenen habe sie erzählt, dass sie gegen die Kündigung klagen wolle:
"Ich hab auch viele andere Leute gefragt, die auch bei der Zeitarbeitsfirma waren, hab gesagt, Leute, wollt ihr nicht mitgehen? Der eine, dem war das dann zu viel Geld. Der andere, ich hab eh keine Lust mehr gehabt. Und wo ich dann gesagt hab: Mein Gott Leute, ihr könnt euch doch das alles so nicht gefallen lassen. Kein Mensch hatte den Mumm, von 15 Mitarbeitern bin ich die Einzige gewesen, die den Mumm hatte."
Gericht erklärt Kündigung für rechtswidrig
Die Kassiererin gewann ihren Prozess. Die Erste Kammer des Arbeitsgerichts Mönchengladbach erklärte jetzt die Kündigung für rechtswidrig: Die Kündigung einer Leiharbeitnehmerin sei nicht schon dann gerechtfertigt, wenn der dauerhafte Einsatz beim Kunden auf dessen Wunsch für drei Monate und einen Tag unterbrochen wird, obwohl ein Beschäftigungsbedarf durchgehend bestehe.
Zudem missbilligte das Gericht, dass die Lohngleichstellung durch die Kündigung ausgehebelt wird. Der Anwalt von Heike Orzol, Daniel Labrow, sieht in dem Urteil einen Präzedenzfall:
"Diese Sache ist grundsätzlich legal, weil der Gesetzgeber diese Regelung ja etabliert hat. Wenn ein Leiharbeitnehmer oder eine Leiharbeitnehmerin länger als drei Monate in einem anderen Betrieb eingesetzt worden ist, ja, dann kann diese Person wieder bei dem bisherigen Betrieb eingesetzt werden zu dem bisherigen Gehalt, dadurch würde man halt Equal Pay vermeiden. Und das ist letztendlich gewissermaßen eine Fehlgeburt der Großen Koalition. Man hat diese Regelung sicherlich als Kompromiss etabliert. Besser wäre es natürlich gewesen Equal Pay ab dem ersten Tag einzuführen."
Nutzen Unternehmen nun verstärkt die Umgehung des Equal Pay durch Kündigung? Der Arbeitsrechtsexperte Professor Wolfgang Däubler kennt konkret vier Fälle. Alle betreffen die Supermarktkette Real. Däubler glaubt aber, es gäbe viel mehr. Auf Nachfrage von Deutschlandfunk Kultur schreibt er:
"Da Leiharbeiter nur selten Klage erheben und sich vor Gericht wehren, gehe ich davon aus, dass das nur die Spitze des Eisberges ist. Bei einfachen Tätigkeiten ohne viel Aufwand fürs Anlernen neuer Arbeitskräfte ist es für den Arbeitgeber verführerisch, nach neun Monaten die Personen auszutauschen, um so Lohnkosten zu sparen."
Der Südwest-Rundfunk berichtete über Kündigungen für langjährig Beschäftigte bei Real in Tübingen. Vor Gericht argumentiert die Zeitarbeitsfirma:
"Für den Entleiher fallen bei der Gleichstellung für die Überlassung von Arbeitnehmern deutlich höhere Kosten an. Diese Kosten sind für Real aufgrund der Wettbewerbssituation und der niedrigen Margen in der Lebensmittelbranche nicht tragbar."
"Diese Sache ist grundsätzlich legal, weil der Gesetzgeber diese Regelung ja etabliert hat. Wenn ein Leiharbeitnehmer oder eine Leiharbeitnehmerin länger als drei Monate in einem anderen Betrieb eingesetzt worden ist, ja, dann kann diese Person wieder bei dem bisherigen Betrieb eingesetzt werden zu dem bisherigen Gehalt, dadurch würde man halt Equal Pay vermeiden. Und das ist letztendlich gewissermaßen eine Fehlgeburt der Großen Koalition. Man hat diese Regelung sicherlich als Kompromiss etabliert. Besser wäre es natürlich gewesen Equal Pay ab dem ersten Tag einzuführen."
Nutzen Unternehmen nun verstärkt die Umgehung des Equal Pay durch Kündigung? Der Arbeitsrechtsexperte Professor Wolfgang Däubler kennt konkret vier Fälle. Alle betreffen die Supermarktkette Real. Däubler glaubt aber, es gäbe viel mehr. Auf Nachfrage von Deutschlandfunk Kultur schreibt er:
"Da Leiharbeiter nur selten Klage erheben und sich vor Gericht wehren, gehe ich davon aus, dass das nur die Spitze des Eisberges ist. Bei einfachen Tätigkeiten ohne viel Aufwand fürs Anlernen neuer Arbeitskräfte ist es für den Arbeitgeber verführerisch, nach neun Monaten die Personen auszutauschen, um so Lohnkosten zu sparen."
Der Südwest-Rundfunk berichtete über Kündigungen für langjährig Beschäftigte bei Real in Tübingen. Vor Gericht argumentiert die Zeitarbeitsfirma:
"Für den Entleiher fallen bei der Gleichstellung für die Überlassung von Arbeitnehmern deutlich höhere Kosten an. Diese Kosten sind für Real aufgrund der Wettbewerbssituation und der niedrigen Margen in der Lebensmittelbranche nicht tragbar."
Prekär Beschäftigte nicht gut organisiert
Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat zwölf Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes noch keine Kenntnis von massenhaften Kündigungen, um Equal Pay zu umgehen. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi nicht. Aber möglich seien solche Entlassungen, sagt Professor Jens Schubert, Leiter der Abteilung Recht und Rechtspolitik bei Verdi:
"Das Problem ist, dass wir in diesem Felde Kolleginnen und Kollegen haben, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die prekär beschäftigt sind. Und deshalb regelmäßig nicht organisiert sind. Wir versuchen da sehr viel, um an die Kolleginnen und Kollegen heranzutreten, aber dadurch, dass wenige organisiert sind, sind es auch wenige Fälle, die bei uns im Rahmen des Rechtschutzes ankommen."
Laut Bundesagentur für Arbeit enden knapp die Hälfte der Beschäftigungsverhältnisse vor der Neun-Monatsfrist – aus den unterschiedlichsten Gründen. Dazu kommt die spezielle Situation, dass der Gesetzgeber eigentlich die gleiche Bezahlung vom ersten Tag an will, aber gleichzeitig eine Umgehung dieser Regelung durch Tarifverträge erlaubt.
"Das Equal-Pay-Thema wird mit den Verleihern geregelt, und da gibt es mit den Arbeitgeberverbänden im Bereich der Leiharbeit/Zeitarbeit Vereinbarungen, die mit den DGB-Gewerkschaften abgeschlossen werden. Also, Verdi ist da nicht Alleingänger."
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi fordert gleiche Bezahlung vom ersten Tag an. Diese Position teilen aber nicht alle Gewerkschaften. Und der DGB hat als Tarifgemeinschaft für seine Einzelgewerkschaften mit dem Bundesarbeitsverband der Personaldienstleister Tarifverträge abgeschlossen. Die ermöglichen, dass Leiharbeiterinnen die ersten neun Monate kein gleiches Gehalt bekommen.
"Das Problem ist, dass wir in diesem Felde Kolleginnen und Kollegen haben, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die prekär beschäftigt sind. Und deshalb regelmäßig nicht organisiert sind. Wir versuchen da sehr viel, um an die Kolleginnen und Kollegen heranzutreten, aber dadurch, dass wenige organisiert sind, sind es auch wenige Fälle, die bei uns im Rahmen des Rechtschutzes ankommen."
Laut Bundesagentur für Arbeit enden knapp die Hälfte der Beschäftigungsverhältnisse vor der Neun-Monatsfrist – aus den unterschiedlichsten Gründen. Dazu kommt die spezielle Situation, dass der Gesetzgeber eigentlich die gleiche Bezahlung vom ersten Tag an will, aber gleichzeitig eine Umgehung dieser Regelung durch Tarifverträge erlaubt.
"Das Equal-Pay-Thema wird mit den Verleihern geregelt, und da gibt es mit den Arbeitgeberverbänden im Bereich der Leiharbeit/Zeitarbeit Vereinbarungen, die mit den DGB-Gewerkschaften abgeschlossen werden. Also, Verdi ist da nicht Alleingänger."
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi fordert gleiche Bezahlung vom ersten Tag an. Diese Position teilen aber nicht alle Gewerkschaften. Und der DGB hat als Tarifgemeinschaft für seine Einzelgewerkschaften mit dem Bundesarbeitsverband der Personaldienstleister Tarifverträge abgeschlossen. Die ermöglichen, dass Leiharbeiterinnen die ersten neun Monate kein gleiches Gehalt bekommen.
Dazu kommt, dass der Gesetzgeber mit der Option einer dreimonatigen Pause am Leiharbeitsplatz die gleiche Bezahlung ebenfalls verhindert – wie bei Heike Orzol. So kann gleicher Lohn dauerhaft vermieden werden. Der Arbeitsrechtsexperte Wolfgang Däubler spricht von "hinterhältigen Tricks" und sagt: Der Fehler liege im Gesetz.
Im Fall von Heike Orzol hat das Gericht diese Tricks nicht gelten lassen. Jetzt hofft die Kassiererin, bald wieder arbeiten zu können.
"Ich würde gerne wieder bei Real arbeiten gehen, wenn’s sein muss auch über eine Zeitarbeitsfirma. Das ist mir auch egal. Wie hab ich das gesagt immer? Das ist für mich wie eine Familie gewesen, das war so ein Ausgleich, ne."
Im Fall von Heike Orzol hat das Gericht diese Tricks nicht gelten lassen. Jetzt hofft die Kassiererin, bald wieder arbeiten zu können.
"Ich würde gerne wieder bei Real arbeiten gehen, wenn’s sein muss auch über eine Zeitarbeitsfirma. Das ist mir auch egal. Wie hab ich das gesagt immer? Das ist für mich wie eine Familie gewesen, das war so ein Ausgleich, ne."