Luisa Stömer und Eva Wünsch: "Ebbe & Blut - Alles über die Gezeiten des weiblichen Zyklus"
Verlag Gräfe und Unzer, München 2017
240 Seiten, 24 Euro
In welche Richtung fließt das Blut im All?
Wir sind weit gekommen mit der Frauenemanzipation. Doch wie viel Prüderie trotzdem noch in unseren Köpfen steckt, zeigt sich beim Thema Monatsblutung. Dagegen wollen Luisa Stömer und Eva Wünsch mit "Ebbe und Blut" angehen - informativ, unterhaltsam und wunderbar gestaltet.
Ob das Blut eines Menstruationszyklus in eine Bierflasche passt? Eine von vielen Fragen, mit denen sich junge Frauen konfrontiert sehen. Oft kommen solche seltsamen, aber gar nicht so einfach zu beantwortenden Fragen von Jungen: Warum können Mädchen pinkeln, wenn sie doch gerade ein Tampon tragen? Wieso tut ihnen der Bauch weh, obwohl die Menstruation keine Verletzung ist? Was macht die Gebärmutter, wenn sie gerade nicht blutet?
Weil es auch 2017 noch immer viel Unsicherheit, Sprachlosigkeit und grobes Unwissen über die Monatsblutung gibt, haben die beiden Grafikerinnen Luisa Stömer und Eva Wünsch "Ebbe & Blut" vorgelegt. Das ebenso so locker-leicht wie anspruchsvoll angelegte Nachschlagewerk geht zurück auf ihre gemeinsame Bachelorarbeit, die im Sommersemester 2016 eine Auszeichnung als beste Abschlussarbeit der Technischen Hochschule Nürnberg erhielt.
Vom Zyklus übers Tampon zur Verhütung
Fachlich unterstützt von einer Hebamme und einem Gynäkologen bringen die beiden Autorinnen in 14 Kapiteln ein erstaunlich breites Themenfeld zur Sprache - einer jugendlich-frischen, beinahe mündlichen Sprache, die sich nicht davor scheut, immer mal wieder Ausdrücke, die man gemeinhin nicht schriftlich verwendet, oder ein paar englische oder auch mal französische Wörter einzuflechten. Kompetent und auf dem Stand der Forschung behandelt das Buch biologische Hintergründe zum Monatszyklus ebenso wie die vielen Methoden, mit denen sich der Blutfluss Richtung Unterhose heute einfangen und aufsaugen lässt, Vor- und Nachteile jeweils inklusive, das wichtige Thema Schmerzen bei der Periode, psychische Begleiterscheinungen wie das Prämenstruelle Syndrom, alte Hausmittel gegen Bauchweh und seelischen Absturz, Fragen der Verhütung und schließlich auch - unaufgeregt, sachlich, ohne jedweden politischen Eifer - die Beendigung ungewollter Schwangerschaften.
Ein Kapitel "Bloody Details" mit Kuriositäten aus dem Reich der weiblichen Monatsblutung ("Im Weltall fließt das Blut nicht, wie anzunehmen wäre, nach oben, sondern völlig normal nach unten. Der Körper scheint zu wissen, was es loszuwerden gilt. Chapeau!"), ein ausführliches Glossar und ein Quellenverzeichnis runden das Nachschlagewerk ab.
Lockere Optik passt zum Schreibstil
So munter wie sie schreiben legen Luisa Stömer und Eva Wünsch ihr Buch auch optisch an und setzen in den vielen Grafiken ganz auf das Stilmittel der Collage. Ein Retro-Look durchzieht das Buch, da die Grafikerinnen alte Schwarzweiß-Fotografien und Illustrationen aus Frauenzeitschriften und Playboy-Heften zu neuen Gebilden zusammenfügen. Da surfen weiblich-rundliche Damen in Fünfziger-Jahre-Badeanzügen auf Monatsbinden heutigen Designs oder eine Schönheit aus den 1960er Jahren spielt Tennis - nicht mit einem Ball, sondern mit einer kleinen Frau. Auf einem anderen Bild verschließt ein Gewimmel an Händen den Mund einer Frau. Wir sind weit gekommen mit der Frauenemanzipation, zeigt dieses selbstbewusste und informative Nachschlagewerk, das jede junge Frau mit Gewinn lesen kann. Gleichwohl, das sagen diese Bilder: In unseren Köpfen steckt noch immer viel von der Prüderie vergangener Jahrzehnte.