"Als wären sie in verschiedenen Ausstellungen gewesen"
Der kleine Unterschied macht sich auch im Museum bemerkbar: Denn Männer und Frauen nehmen Kunstwerke offenbar zum Teil vollkommen unterschiedlich wahr, sagt jedenfalls Kulturwissenschaftler Martin Tröndle, der zu dem Thema eine Studie gemacht hat.
Betrachten Männer und Frauen Kunst tatsächlich unterschiedlich? Dieser Frage ist Martin Tröndle von der Zeppelin Universität in Friedrichshafen nachgegangen. Er beschäftigt sich mit Kunstrezeption im Museum, so hat er vor drei Jahren etwa untersucht, wie lange ein Besucher im Schnitt vor einem Kunstwerk verbringt (ganze elf Sekunden). Auch ein Ergebnis dieser Studie: Jedes zehnte Kunstwerk wird aufgrund des Geschlechts anders wahrgenommen.
Mit Hilfe von Verweildauermessungen und Datenhandschuhen, die untern anderem den Puls der Besucherin oder des Besuchers beim Betrachten eines Kunstwerks messen, kam Tröndle zu folgenden Ergebnissen: Frauen nehmen sich doppelt so viel Zeit dafür, die Erläuterungen zu den Kunstwerken zu lesen wie Männer. Und: Befragt man Männer und Frauen nach dem Ausstellungsbesuch nach Kunstwerken, die ihnen besonders im Gedächtnis geblieben sind, nennen sie jeweils komplett andere – "als wären die Männer und die Frauen in jeweils völlig anderen Ausstellungen gewesen".
Wer interessiert sich für was?
In einer konkreten Ausstellung hätten die Männer sich vor allem für ein Männerporträt interessiert sowie für eine Kunstaktion, in der mit Filzstift Taggings wie Kommentare zu den Kunstwerken angebracht wurden. "Da könnte man sagen, das ist ein bisschen wie ein Revier markieren - gegebenenfalls, also etwas, das Männern vielleicht eher entspricht."
Die Frauen wiederum seien besonders fasziniert von zwei Frauenporträts und den daneben gehängten Lebensläufen gewesen. "Vor diesen Lebensläufen, die da auch ausführlich beschrieben sind, haben sie hochgradige physiologische Reaktionen – sieht aus wie ein Feuerwerk – und ganz lange Verweildauern."
Interessante Hinweise für Ausstellungsmacher
Ziel ist es, den Kuratoren von Ausstellungen gezielte Hinweise für die Platzierung der Exponate geben zu können. Interessant seien zum Beispiel Aspekte wie "welchen Einfluss hat der Raum oder die Bewegung des Besuchers im Raum auf seine Kunstrezeption. Das gibt Hinweise für Kuratoren oder Museumsmacher, wie man seine Sachen hängen kann, wenn man will, dass sie gesehen werden – oder wenn man eine bestimmte Geschichte erzählen will."