Marc Jongen

AfD-Politiker verteidigt Aussagen zum Islam

AfD-Politiker Marc Jongen am 19.08.2013 in Stuttgart
AfD-Politiker Marc Jongen am 19.08.2013 in Stuttgart © picture alliance / dpa / Marijan Murat
Marc Jongen im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
Man dürfe "nicht allen Muslimen die Tür vor der Nase zuschlagen", müsse aber genauer hinsehen, welche Strömungen sich im Islam ausbreiteten, fordert AfD-Politiker Marc Jongen. Gleichzeitig dementiert er einen Medienbericht über AfD-Vizechefin Beatrix von Storch.
Die umstrittene stellvertretende Bundesvorsitzende der AfD, Beatrix von Storch, ist nach Angaben aus ihrer Partei "keineswegs" von der Arbeit am künftigen Programm ausgeschlossen worden. Anderslautende Medienberichte könne er nicht bestätigen, sagte der AfD-Vizevorsitzende von Baden-Württemberg, Marc Jongen, am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur.
"Frau von Storch war in der letzten Sitzung der Programmkommission in der Tat nicht anwesend. Aber das war dort auch kein größeres Thema", so Jongen, der selbst der Kommission angehört.
Er sei sich sicher, dass von Storch auf dem Parteitag Ende April ihre Standpunkte geltend machen und eventuell auch Änderungsanträge einbringen werde. Das könnten alle Mitglieder.

Kein Kommentar zu "Grüßen aus Brüssel"

Von Storchs Twitter-Nachricht kurz nach den Terroranschlägen von Brüssel ("Viele Grüße aus Brüssel") wollte Jongen nicht kommentieren.
Der AfD-Politiker verteidigte darüber hinaus die im Programm-Entwurf seiner Partei getroffene Aussage, wonach der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Zwar sollte man "nicht allen Muslimen jetzt die Tür vor der Nase zuschlagen". Aber man müsse viel genauer hinsehen, welche Strömungen sich im Islam ausbreiteten und wie scharf die Abgrenzung zum islamischen Fundamentalismus sei: "Da sehen wir erhebliches Gefahrenpotential."
Die Regierungspolitik gehe manchmal "zu naiv" und "gutgläubig" an die Sache heran. "Wir glauben, dass man eine Hand doch ausstrecken muss (…) zum Dialog, dass man aber zugleich etwas selbstbewusster auch die Regeln des Zusammenlebens, wie wir sie hier im Westen, in Deutschland etabliert haben, geltend machen muss", sagte Jongen.

Das vollständige Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Was will die AfD, die Alternative für Deutschland? Wenn es ums Thema Flüchtlinge geht, dann dürften wir da alle eine Idee haben. Bei anderen Themen, na ja, eher weniger. Was auch daran liegen dürfte, dass die Partei, die ja fulminant Mitte März in drei Landtage eingezogen ist, noch ohne Programm daherkommt. Das soll sich beim Parteitag der AfD Ende April ändern, ein Grundsatzprogramm soll da beschlossen werden, vorbereitet von einer Kommission, in der auch Marc Jongen sitzt, stellvertretender AfD-Chef in Baden-Württemberg – manche sagen Vordenker, manche nennen ihn den Chefideologen seiner Partei. Jetzt bei uns im Interview, Marc Jongen, ich grüße Sie!
Marc Jongen: Ich grüße Sie auch!
Frenzel: Noch ist programmatisch ja nichts beschlossen, der Entwurf hat aber in diesen Tagen schon erste Schlagzeilen gemacht. Der Islam gehört nicht zu Deutschland, das schreiben Sie. Was heißt das denn für die fünf Millionen Muslime in Deutschland, gehören die auch nicht hierher?

"Der Islam ist eine Herausforderung für Deutschland"

Jongen: Na ja, dieser Satz, "Der Islam gehört nicht zu Deutschland", ist natürlich zunächst einmal eine programmatische Abgrenzung von dem gegenteiligen Satz, den wir alle kennen vom ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff erstmals ausgesprochen, von Frau Merkel wiederholt: "Der Islam gehört zu Deutschland", so hieß das. Und das hat viele Menschen verwundert, so etwas zu hören, und sie konnten das nicht akzeptieren. Dazu gehören sicherlich sehr viele Wähler der AfD.
Denn diese Aussage meint entweder eine Trivialität, nämlich es gibt sehr viele Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland, das wird niemand bestreiten; oder er meint eine Soll-Aussage oder eine normative Aussage im Sinne von: Der Islam gehört zur Tradition Deutschlands, trägt also zum Bestand des deutschen Staates, der deutschen Gesellschaft Wesentliches bei. Und das stimmt nun weder in historischer Hinsicht noch auch aktuell. Der Islam gehört in dem Sinne nicht zu Deutschland, das wollen wir damit zum Ausdruck bringen. Er ist eine Herausforderung für Deutschland.
Frenzel: Aber Herr Jongen, man kann diesen Satz natürlich in seiner positiven Fassung auch als Einladung verstehen. Wir stehen ja alle noch unter den Eindrücken des Terrors von Brüssel, hausgemachter islamistischer Terror, wahrscheinlich belgische Staatsbürger. Haben Sie nicht die Sorge, dass die Gefahr von Parallelgesellschaften noch größer wird, wenn wir sagen, ihr gehört nicht hierher?
Jongen: In der Tat bin ich auch der Meinung, dass wir nicht allen Muslimen jetzt die Tür vor der Nase zuschlagen sollten und sagen sollten, ihr gehört alle nicht zu uns. Das tun wir aber auch als AfD nicht. Wir sagen, man muss da viel genauer hinsehen, welche Strömungen sich im Islam ausbreiten, wie scharf oder eben nicht scharf die Abgrenzung zum islamischen Fundamentalismus ist. Und da sehen wir erhebliches Gefahrenpotenzial.

"Regierungspolitik geht zu naiv mit Islamismus um"

Und wir sehen vor allem die offizielle Politik, die Regierungspolitik hier manchmal etwas zu naiv an die Sache herangehen, manchmal zu gutgläubig, dass man sozusagen mit Gesprächsangeboten diese Entwicklungen doch in die richtige Richtung wieder umbiegen könnte. Und wir glauben, dass man eine Hand doch ausstrecken muss immer zum Gespräch, zum Dialog, dass man aber zugleich etwas selbstbewusster auch die Regeln des Zusammenlebens, wie wir sie hier im Westen, in Deutschland etabliert haben, geltend machen muss.
Frenzel: Ihre stellvertretende Bundesvorsitzende Beatrix von Storch hat gleich nach den Anschlägen per Twitter "Viele Grüße aus Brüssel" verschickt. Finden Sie das angemessen, ist das der Stil der AfD?
Jongen: Ich kann jetzt nicht einzelne Postings von Parteikollegen hier kommentieren.
Frenzel: Das müssen Sie dann vielleicht auch gar nicht, Herr Jongen, aber Beatrix von Storch - Medienberichten zufolge ist sie aus der Programmkommission rausgeflogen. Können Sie uns sagen, warum?

"Frau von Storch nicht von Programmprozess ausgeschlossen"

Jongen: Auch das kann ich so nicht bestätigen. Frau von Storch war in der letzten Sitzung der Programmkommission in der Tat nicht anwesend, aber das war dort auch kein größeres Thema. Ich bin auch sicher, dass sie am Parteitag dann Ende April ihre Standpunkte wieder geltend machen wird und eventuell auch Änderungsanträge einbringen wird. Das kann sie ja tun, das können alle Mitglieder der AfD, das Ganze ist ja ein basisdemokratischer Prozess. Das heißt, sie ist keineswegs von dem Programmprozess ausgeschlossen.
Frenzel: Marc Jongen, lassen Sie uns über andere Themen sprechen, Stichwort demografischer Wandel: Ein Punkt Ihres Programms ist mit "Mehr Kinder statt Masseneinwanderung" überschrieben. Es gab glaube ich mal einen CDU-Politiker, der hat das auf die Formel "Kinder statt Inder" gebracht. Sie wollen die Geburtenrate erhöhen, das will die Politik ja seit Jahren. Was ist Ihr Rezept?
Jongen: Ich bin ganz froh, dass Sie diesen alten Spruch von Jürgen Rüttgers, glaube ich, war das, der dann diesen Wahlspruch gebraucht hat, "Kinder statt Inder", ansprechen. Das macht es mir nämlich leicht darzustellen, dass wir eben nicht zu populistischen Sprüchen greifen, sondern sachlich an diese Themen herangehen. Da war die CDU wesentlich populistischer als wir.
Frenzel: Man kann natürlich aber auch sagen, "Mehr Kinder statt Masseneinwanderung" ist jetzt auch nicht ganz weit weg davon

"In wenigen Jahrzehnten wäre die Bevölkerung ausgetauscht"

Jongen: Na ja, aber das richtet sich gegen keine konkrete Volksgruppe oder ist auch nicht diskriminierend gemeint, sondern das geht von ganz nüchternen, pragmatischen Fakten aus. Die demografische Forschung sagt uns klipp und klar, dass, wenn wir den Rückgang der Bevölkerung, den wir aufgrund der niedrigen Geburtenrate in Deutschland zu erwarten haben, wenn wir den kompensieren wollten, tatsächlich kompensieren wollten allein durch Zuwanderung, dann geraten wir nicht nur an die Grenze der Integrationsfähigkeit der Gesellschaft, sondern wir überschreiten die massiv.
Das heißt, wir hätten dann in wenigen Jahrzehnten eine völlig ausgetauschte Bevölkerung in Deutschland, wir würden unser eigenes Land nicht wiedererkennen. Das heißt, das kann nicht unser Ziel sein. Wir müssen mit allen dem Sozial- und Rechtsstaat zu Gebote stehenden Mitteln versuchen, hier Anreize zu schaffen, damit die einheimische Bevölkerung – damit sind jetzt nicht die so genannten Biodeutschen nur gemeint, sondern alle hier lebenden und auch gut integrierten Ausländer genauso – wieder mehr Kinder bekommen.
Sonst kommen wir in eine Schieflage hinein, die unsere Sozialsysteme dann zusammenbrechen lässt. Das ist jetzt auch keine ganz neue Weisheit. Wir als AfD nehmen das nur sehr ernst und versuchen, in diesem Sinne eben eine nachhaltige Politik zu betreiben.
Frenzel: Sie sagen …
Jongen: Wenn ich eins noch hinzufügen darf: Eine maßvolle Einwanderung, auch nach qualitativen Kriterien gesteuert, von gut Qualifizierten bis Mittelqualifizierten, halten wir auch als AfD für richtig und für nötig. Nur, das kann das demografische Problem nicht lösen.
Frenzel: Ihre Lösung, Vater-Mutter-Kind, Sie nennen das die Keimzelle der Gesellschaft in Ihrem Programmentwurf. Und Sie warnen davor, dass andere Modelle, Alleinerziehende zum Beispiel als erstrebenswerte Lebensentwürfe propagiert werden. Herr Jongen, ich versuche mal, Brücken zu bauen: Ein konservativer Imam würde Ihnen das sofort unterschreiben!
Jongen: Ja, das ist auch nicht unser Problem mit dem konservativen Imam. Da hätten wir dann eher andere Probleme, der würde wahrscheinlich auch die Einführung der Scharia in Deutschland befürworten. Aber ich glaube, wir sollten jetzt eher über das demografische Problem reden.
Frenzel: Aber es zeigt vielleicht, dass Sie auch mit Ihrer Programmatik vielleicht eher im Gestern stecken als im Heute. Ich habe so ein Bild vor Augen: Wir haben ja gerade eine sehr erfolgreiche ZDF-Serie sehen können, "Ku‘damm 56", dieses Sittenbild aus dem Westdeutschland der 50er-Jahre. Verstehe ich Sie falsch oder ist das in etwa die Idee der AfD, wie es wieder werden sollte?
Jongen: Ich kenne jetzt diese Sendung leider nicht, deswegen kann ich dazu konkret nichts sagen. Aber zurück …
Frenzel: Wo die Familienverhältnisse klar sind, die Rollenverhältnisse zwischen Mann und Frau, wo all das, was Sie sagen, was nicht propagiert werden soll als Lebensmodell, also auch zum Beispiel Homosexualität, Alleinerziehende, ja, wo das noch nicht die Normalität ist.

"Was jahrtausendelang funktioniert hat"

Jongen: Ja, das wird uns ja häufig zum Vorwurf gemacht, dass wir rückwärtsgewandt seien und von gestern. Das geht natürlich auch von einem Geschichtsmodell aus, das annimmt, dass immer der letzte Schritt, der gemacht worden ist in einer Gesellschaft, dass der alternativlos ist und dass es kein Zurück geben darf. Ich will es mal umdrehen und sagen: Was jahrtausendelang funktioniert hat, natürlich auch nicht immer identisch in der Form, aber doch in einer Familienstruktur … Familienstrukturen, wo Frau und Mann gemeinsam Kinder zeugen und das die Keimzelle der Gesellschaft ist, dann muss man doch mal fragen: Was so lange funktioniert hat und das Fortkommen gesichert hat, das kann nicht plötzlich außer Kraft gesetzt werden.
Oder anders gesagt: Experimente, davon abzurücken, sind doch hoch problematisch und risikoreich. Und ein konservatives Denken – in der Tat hat die AfD ein stark konservatives Element in sich – geht an solche Experimente in der Tat vorsichtig und skeptisch heran. Das hat aber nichts mit den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts nur zu tun.
Frenzel: Das sagt der stellvertretende Parteichef der Alternative für Deutschland in Baden-Württemberg und Mitautor des Programmentwurfs Marc Jongen. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Jongen: Ich danke Ihnen!
Frenzel: Und dieses Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet. Ich habe mit Marc Jongen unter anderem auch über Wirtschaftspolitik geredet, das ganze Gespräch finden Sie online bei uns.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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