Margery Williams: Der kleine Kuschelhase. Oder: Wie ein Spielzeug lebendig wird
Aus dem Englischen von Hans Gärtner, mit Bildern von Sarah Massini
Coppenrath Verlag, Münster 2017
64 Seiten, 14,95 Euro
Neuauflage ohne Witz
Margery Williams "Kuschelhase" ist ein Klassiker der Kinderbuchliteratur. Jetzt hat ihn der Coppenrath Verlag neu aufgelegt. Doch die Chance, etwas Neues im alten Gewand zu erschaffen, wird vertan: Zu eng bleiben die Illustrationen am Original.
Hasen sind bei vielen Kindern - neben Bären - die absoluten Kuscheltier-Favoriten. Denn Hasen sind niedlich, haben ein weiches Fell und lustige lange Ohren. Hasen sind somit kitschverdächtig und nur wenigen Hasen-Bilderbüchern gelingt es, die Kitsch-Klippe zu umschiffen. Was übrigens auch auf Bär-Bilderbücher zutrifft. A. A. Milnes "Pu der Bär" aus dem Jahr 1926 ist ja darum ein Klassiker geworden, weil sein gutmütiger Protagonist weniger niedlich als komisch und mit seinen lustigen Liedern und seiner Naivität vor allem zum Lachen ist. Und damit erstaunlich modern!
Vier Jahre vor "Winnie-the-Pooh" erschien Margery Williams' "The Velveteen Rabbit". Eine Geschichte über einen kleinen Stoffhasen, "rund und prall, wie ein richtiger Kuschelhase sein muss", der von seinem kleinen Besitzer erst vergessen, dann aber sehr geliebt und übers Jahr schäbig und verschlissen wird. Er möchte unbedingt "echt" werden, denn ein altes Spielzeugpferd hat ihm erzählt, dass Stofftiere lebendig werden können, wenn sie nur genug geliebt werden. Und irgendwann wirkt der "Kinderzimmerzauber" und der kleine Hase wird "echt".
Keine überraschende Erzählweise
Denn nachdem der Junge einmal sehr krank ist, muss sein gesamtes Spielzeug verbrannt werden - auch der kleine Kuschelhase. Weinend sitzt der nachts in einem Müllsack, als eine Fee erscheint und ihn vor dem Feuertod rettet. Sie macht ihn lebendig, so dass der kleine Hase frei im Wald leben kann mit anderen Tieren. So wie er es sich immer gewünscht hatte.
Margery Williams’ Kuschelhasen-Geschichte verläuft genau so, wie man es – vom Titel her – erwartet. Aus dem vergessenen Hasen wird erst ein Star im Kinderzimmer und als dessen Tage gezählt sind, kommt die gute Fee. Das ist sicher niedlich, aber weder im Ablauf noch in der Erzählweise besonders interessant oder überraschend.
Konventionell bebildert
Vielmehr kommen Fragen auf: Warum haben Hase und Junge keinen Namen? Die Geschichte wirkt dadurch relativ unpersönlich. Und: Kann es sein, dass ein Kind sein Lieblingsspielzeug vergisst und sich mit einem neuen, "wunderschönen" Häschen abspeisen lässt? Nein! Und warum muss ein Hase, der doch durch die Liebe "echt" und "lebendig" wurde, nun noch "lebendiger" werden durch das Eingreifen einer Fee? Wenn Liebe wirklich lebendig macht, wozu dieses Konstrukt?
Erzählt ist diese Geschichte in einem behäbigen, leicht altmodischen Ton, der in seine Entstehungszeit passt und jedem Illustrationskonzept genügend Raum lässt. Da könnte eine innovative Neuillustration zum kreativen Gegengewicht werden! Sarah Massinis Bilder halten sich aber stilistisch eng an die Vorlage. Sie wirken robust, solide, aber auch konventionell. Sie sind ohne Witz, eigenen Charme oder einen speziellen Zauber. Lieb und brav, aber es fehlt ihnen der Pep, der die fast hundert Jahre alte Geschichte wieder frisch beleben könnte. Das ist schade!