Margiana. Ein Königreich der Bronzezeit in Turkmenistan
Mit Fotografien von Herlinde Koelbl
Neues Museum
25.04.2018 bis 07.10.2018
Herlinde Koelbl macht 4000 Jahre alte Kultur lebendig
Die Fotografin Herlinde Koelbl durfte erstmalig in Turkmenistan Ausgrabungen dokumentieren. Vor 4000 Jahren entstand in Margiana eine zivilisatorische Hochkultur – die jetzt im Neuen Museum Berlin entdeckt werden kann.
Es ist ungewöhnlich, dass Museumsdirektoren über ihre eigene Ausstellung ins Schwärmen geraten. Doch Matthias Wemhoff, Archäologe und Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte kann seine Begeisterung kaum zurückhalten über den faszinierenden, nahezu unbekannten Ort, den er da im Neuen Museum in Berlin wiederauferstehen lässt. Und schon der Name klingt geheimnisvoll: "Margiana".
"Es kommt wirklich selten vor, dass man heute archäologisch noch eine Kultur vorstellen kann, zu der es noch nie eine Ausstellung gegeben hat. Die noch niemals hier präsentiert worden ist. Und das ist auch etwas Besonderes für die turkmenische Seite, denn es ist überhaupt das erste Mal, dass Turkmenistan eine Ausstellung nach außen gegeben hat", sagt Wemhoff.
"Margiana" war bis vor kurzem im Westen unbekannt
"Margiana" ist eine historische Landschaft im Osten Turkmenistans, die vor 4000 Jahren eine zivilisatorische Hochkultur hervorgebracht hat, welche bis vor kurzem im Westen völlig unbekannt war. Erst 1972 wurde der Ort durch einen russischen Archäologen entdeckt und bis 2013 ausgegraben. Heute liegt die Ruinenstätte aus Lehmmauern und Terrassen mitten in der Wüste, doch früher floss an dieser Stelle der Fluss Murgab, verbreiterte sich in einem fruchtbaren Delta, bis er in der Wüste versickerte.
Hier, nur 30 km von Merw entfernt, der UNESCO-Weltkulturerbestätte, dem wichtigen Zentrum der Seidenstraße, erhob sich einst die Stadt Gonur Depe mit tausenden Einwohnern, Wohnarealen, Nekropolen und einer imposanten Palastanlage im Zentrum - ein pulsierendes, gut vernetztes Handelszentrum mit komplexen Verwaltungsstrukturen. Aber, meint Matthias Wemhoff: "Wir sind noch mal 2000 Jahre früher. Wir sind am Ende des 3. Jahrtausends vor Christus. Das ist eine Zeit, wo wir uns oft keine Vorstellung von den Wegen, von den Verbindungen, von den Austauschräumen machen. Das ist eine Zeit, in der wir eigentlich nur sehr wenige Hochkulturen haben, von denen wir Bescheid wissen."
Die Elite liegt in Königsgräbern
Die 250 archäologischen Objekte, allesamt Leihgaben aus Turkmenistan sind für sich schon beeindruckend. Fast zeitlos schön einige, wie Handspiegel, Schminkgefäße, Schmuckstücke aus Gold und Silber oder Lapislazuli, fremd und anrührend andere, wie die zahllosen kleinen Tier- und Menschenfiguren mit ihren ausdrucksstarken Gesichtern, aber auch historische Rohre der Bewässerungsanlagen, mit denen das Wasser verteilt wurde. Die Elite von Gonur Depe ließ sich in sogenannten Königsgräbern bestatten – riesige unterirdische Häuser aus Lehmziegeln, in denen sich prächtige Grabbeigaben fanden, darunter feingearbeitete Mosaike, Gold- und Silbergefäße und Reste von vierrädrigen Wagen.
Doch erst durch Herlinde Koelbls Fotografien wird der Ort "Margiana" im Museum lebendig. Gleich am Eingang ziehen zwei großformatige Bilder der rotsandigen Wüstenlandschaft, in die sich terrassenartig lehmfarbene Mauerreste schmiegen, die Besucher förmlich hinein in die Ausstellung. Die Fotografien mussten am frühen Morgen in einem bestimmten Moment aufgenommen werden, erzählt Koelbl, damit sich aus den Lehmmauern wieder die Idee einer Stadt zusammenfügte.
Beim ersten Sonnenstrahl auf dem Hügel
"Wir sind um 5 Uhr früh aufgebrochen, durch die Wüste gerüttelt worden, um um sieben Uhr in der Frühe wirklich beim ersten Sonnenstrahl auf einem bestimmten Hügel zu stehen, und dann zu sehen und eben auch zu fotografieren, wie die Lehmmauern dann lebendig wurden, wie die Stadt lebendig wurde. Man hat wirklich gesehen, nicht nur in der Stadt, sondern auch bei den Figuren, wie durch Licht Leben entsteht", so die Fotografin.
Koelbl hat nicht nur die Landschaft, sondern auch die Objekte und die Menschen porträtiert – stellt so immer wieder Bezüge her zur jetzt dort lebenden Bevölkerung. Etwa, wenn einer kleinen Menschenfigur mit einem merkwürdig trapezförmigen Kopf Bilder von Turkmeninnen entgegengestellt werden, deren Kopfbedeckung eine ganz ähnliche Form hat.
Nur eines haben die Archäologen in Margiana nicht gefunden: Hinweise auf Schrift. Stattdessen aber viele kunstvoll gearbeitete Siegel aus Stein oder Metall mit verschiedenen Darstellungen von Tieren, Blüten oder Fabelwesen. Sie dienten offenbar der Kennzeichnung von Waren, wurden aber auch als persönliche und amtliche Unterschrift verwendet. Vor dem Schreiben kam eben das Verwaltungswesen.