Wie steht es um den Journalismus, Herr Küppersbusch?
Politischer Journalismus müsse mehr sein, als über Parteien zu berichten, meint der Medienmacher Friedrich Küppersbusch und nimmt die Öffentlich-Rechtlichen in die Pflicht: "Wir haben keine politische Sendung gemacht, nur weil darin ein Politiker auch was gesagt hat."
Ute Welty: Wenn heute der Vorstand des Deutschen Journalistenverbandes zusammenkommt, dann bereitet dieses Gremium einen Verbandstag vor, der es in sich hat. Selten stand der Journalismus so sehr in der Kritik, Stichwort "Lügenpresse", Stichwort "Fake News", und auf der einen Seite streiten private Fernsehanstalten mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten darüber, wer was und wie viel im Netz darf. Auf der anderen Seite gibt es erfolgreiche Kooperationen, zum Beispiel im Rechercheverbund von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" oder auch zwischen ZDF, "Zeit" und Deutschlandfunk Kultur.
Wir versuchen heute früh eine Bestandsaufnahme, und zwar mit Friedrich Küppersbusch. Als Moderator hat er sich einen Namen gemacht bei "ZAK", als Kommentator wird er von verschiedenen Zeitungen und Radiosendern verpflichtet, und als Produzent zeichnet er für zahlreiche und zum Teil preisgekrönte Fernsehformate verantwortlich, ob bei RTL oder bei ARTE. Guten Morgen, Herr Küppersbusch!
Friedrich Küppersbusch: Guten Morgen, Frau Welty. So weit hat alles gestimmt, auch wenn meine Bescheidenheit mich zwingen müsste, zu sagen, na, so viel war das auch nicht.
Welty: Aber wie fühlt man sich denn so als Teil der "Lügenpresse"?
Küppersbusch: Elend. Ich glaube, viele Kolleginnen und Kollegen fühlen sich jetzt zum ersten Mal in den letzten Monaten und Jahren so wie Bundesligafußballtrainer schon immer: Zu Hause sitzen 80 Millionen Bundestrainer, die es besser wissen. Und das ist ihr gutes Recht, es besser zu wissen.
Der Vorwurf trifft den politischen Journalismus
Welty: Tatsache ist ja, auch jenseits dieses Vorwurfs der "Lügenpresse", Journalisten und ihre Arbeit sind nicht gerade gut angesehen in weiten Teilen der Gesellschaft. Woran liegt das?
Küppersbusch: Da muss ich leider differenzieren. Wir reden ja über politischen Journalismus. Ich glaube, der Vorwurf der "Systemmedien" oder der "Lügenpresse" trifft ja nicht zum Beispiel Tierfilme, Kulturberichterstattung oder eben Sportnachrichten oder Musiksendungen, sondern es geht hier um den politischen Journalismus.
Und der politische Journalismus im Fernsehen teilt sich auf. Es gibt die kommerziellen Wettbewerber, die extrem wenig bis gar keine politische Berichterstattung machen, und es gibt die Öffentlich-Rechtlichen, die recht viel politische Berichterstattung machen, da allerdings im Wesentlichen partei-politische Berichterstattung. Dazwischen klaffen also zwei Gräben. Man kann sicherlich 24 Stunden am Tag Fernsehen schauen oder auch Radio hören und kriegt ganz wenig bis nichts von Politik mit, oder man nutzt öffentlich-rechtliche Angebote und bekommt sehr viel mit, dann allerdings Parteipolitik.
Und dazwischen klafft ein Graben, und der heißt: Ist eigentlich alles politisch, was parteipolitisch ist? Und da haben die Hörerinnen und Hörer, Zuschauerinnen und Zuschauer, aber eben auch die Wählerinnen und Wähler inzwischen jedenfalls zu einem Teil gesagt, nein, das, was wir so darüber denken, das findet da nicht statt. Da sind immer die dann auch so gehießenen oder geziehenen "Systemparteien" oder "Altparteien", das scheint ja was Verwandtes zum "Systemmedium" zu sein, und wir wollen das anders haben.
Ob das gut oder schlecht ist, die Frage liegt ja dahinter – wir haben ja lange darüber diskutiert: Menschen, immer mehr Nichtwähler, immer mehr Menschen nehmen nicht mehr am demokratischen Diskurs teil, - und einige davon kommen jetzt offenbar zurück. Also scheue ich mich so ein bisschen davor, auch wenn das weh tut, als "Lügenpresse", als "Systemmedium" beschimpft zu werden, zu sagen, dass das nun auch schon alles wieder schlecht sei. Nein. Offenbar gelingt es auch neuen politischen Kräften oder sich klarer formulierenden, um es höflich zu sagen, politischen Kräften, wieder mehr Schwung in die Bude zu bringen.
"Die längste Hausmitteilung aller Zeiten"
Welty: Fehlt es an Selbstkritik im Journalismus?
Küppersbusch: Ach, vielleicht … – das glaube ich eigentlich nicht. Wir haben jetzt ja die Debatten, die Sie angesprochen haben. Das ist zunächst einmal auch ein rein wirtschaftlicher Verteilungskrieg. Der "Spiegel" erschien vor einem Monat mit einer Titelgeschichte über ARD und ZDF. Das Titelbild selbst unterschied sich kaum von einem AfD-Wahlplakat gegen die Öffentlich-Rechtlichen. Die Titelgeschichte selbst entpuppte sich bei der Lektüre als die längste Hausmitteilung aller Zeiten. Es begann mit der Meinung des BDZV-, also Zeitungsverleger-Vorsitzenden, Matthias Döpfner, gleichzeitig Springer-Chef, der meint, die Öffentlich-Rechtlichen sollen sich im Internet mal schön zurückhalten. Und damit endete diese Geschichte auch, und dazwischen gab es Argumente, gute Punkte, schiere Demagogie und Reichsbürgerparanoia.
Das ist ein Verteilungskampf, da haben jetzt die Arbeitsgemeinschaft der Redakteursausschüsse der Öffentlich-Rechtlichen geantwortet, dass sie sich das nicht bieten lassen wollen, dass sie ihre Arbeit nicht in den Dreck ziehen lassen wollen. Da geht es hin und her, eigentlich um die Frage, dürfen die Öffentlich-Rechtlichen noch am Internet, am digitalen Journalismus teilnehmen, und das ist natürlich eine Frage, wo die einen sagen: Wir wollen das Geld verdienen, und die anderen sagen, wir wollen aber auch noch mitmachen. Das muss die Gesellschaft klären, ob sie die Argumente, die für öffentlich-rechtliches Radio und Fernsehen galten, ob die auch noch fürs Internet gelten sollen, nämlich, dass das ein zu hohes Gut ist, nicht nur, aber auch vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte, als dass man es dem freien Spiel der Kräfte des Marktes überlassen sollte. Das ist ein Aspekt an der Veranstaltung.
Was ist die gemeinsame Sache in diesem Land?
Die Selbstkritik – meine wäre in der Tat die, dass wir meinen, als Journalistinnen und Journalisten, wenn wir einem Politiker das Mikrofon hinhalten und gern auch kritisch nachfragen, dass wir dann schon alle politischen Bedürfnisse des Publikums befriedigt hätten. Ich nehme immer gern das Beispiel der erfolgreichen Sendung "Stern-TV" bei RTL, die von ihren Zuschauern seit über zwei Jahrzehnten als zeitkritische, als politische Sendung gesehen wird. Da geht es aber oft auch um Verbraucherthemen, um Human-Touch-Themen, um gekonntes den Betroffenen-Ans-Knie-Fassen. Die Zuschauer sagen, ja, da habe ich mich jetzt drüber informiert, was in der Gesellschaft so los ist, und öffentlich-rechtliche Redakteurinnen und Redakteure rümpfen die Nase und sagen: Na ja, das ist ja doch Boulevard. Also die Definition dessen, was die res publica, was die gemeinsame Sache in diesem Lande ist, die könnte besser sein, und da haben wir tatsächlich auch Anlass zur Selbstkritik. Wir haben keine politische Sendung gemacht, nur, weil darin ein Politiker auch was gesagt hat.
Welty: Dieser Konkurrenzkampf, den Sie beschreiben, zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Medien, welchen Eindruck hinterlässt der bei denen, die eben lesen, hören und sehen?
Küppersbusch: Das ist ja ganz unterschiedlich. Es ist sicherlich populär, zu schreiben 'Weg mit der Rundfunkgebühr', und zu sagen, die öffentlich-rechtlichen könnten ja spenden- oder beitragsfinanziert sein, - so steht es im Parteiprogramm der AfD -, und gleichzeitig darüber zu erschrecken, wie das Mediensystem zum Beispiel in den USA aussieht, wie ein höchst eigenwilliger Präsident mit Twitter praktisch eine Gegenöffentlichkeit hergestellt hat, in der es nicht mehr um Wahrheit und um solide Recherche geht, sondern einfach um steile Behauptung. Das Mediensystem in den USA sieht ungefähr so aus seit Jahrzehnten, wie es im AfD-Parteiprogramm steht, und das ist halt schwierig zu erklären, dass die Dinge kompliziert sind.
"Renne für deine Geschichte"
Welty: Was raten Sie jemandem, der bei Ihnen anklopft und Journalist werden möchte?
Küppersbusch: Renne für deine Geschichte. Am Ende des Tages muss eine junge Journalistin, ein Journalist kämpfen, muss im Selbstausbeutungsmodus laufen. Das ist ja nicht alles so, dass es anfängt mit Top-Honoraren von kommerziellen Sendern oder von super aufgestellten Zeitungshäusern, sondern für wenige Cent schreibt man da oder moderiert oder macht einen Beitrag. Und wenn man da nicht an seine Geschichte glaubt und nicht überzeugt davon ist, dass das irgendwie eine Wichtigkeit auch für andere Menschen hat, was man zu erzählen hat und dass man das gut geprüft hat, dass das wirklich so ist, dann sollte man das gar nicht erst anfangen.
Wir haben ja neben dieser Debatte über "Lügenpresse", und wie doof die Journalistinnen und Journalisten sind, haben wir gleichzeitig 20 Jahre hinter uns, in denen jeder irgendwas mit Medien werden wollte. Das passt ja auch irgendwie nicht richtig zusammen. Das ist nicht wie damals bei den Ärzten, wenn du eine Eins im Abi-Zeugnis hast, musst du Arzt werden, ganz egal, ob du Talent hast oder nicht. Jetzt galt lange Zeit, wenn du es irgendwie schaffen kannst, mach irgendwas mit Medien, weil das ist die Zukunft. Da werden viele auch feststellen, nein, ich werde ja gar nicht ab dem zweiten Semester schon die "Tagesthemen" präsentieren oder samstagabends im ZDF auftreten. Und dann geht es "Per aspera ad astra". Wenn du nicht an deine Geschichte glaubst, an dein journalistisches Anliegen – lass es.
Welty: Die Rolle der Medien und die Zukunft des Journalismus, darüber berät der Deutsche Journalistenverband heute im Bundesvorstand, und dann ab morgen auf dem Verbandstag. Ich habe darüber gesprochen mit Friedrich Küppersbusch, Produzent, Kommentator und Moderator. Herr Küppersbusch, bis hierher vielen Dank!
Küppersbusch: Danke schön, Frau Welty, tschüs!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.