"Es ist wichtig, dass Putin abgelöst wird"
Michail Chodorkowski, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des insolventen russischen Ölkonzerns Yukos, saß zehn Jahre in Haft. Steuerhinterziehung und planmäßiger Betrug lautete die Urteilsbegründung. Im Exil arbeitet der Kreml-Kritiker daran, Russland auf die Demokratie vorzubereiten.
Der frühere Oligarch und Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski saß von 2003 bis 2013 in Haft. Seine Begnadigung kam überraschend. Amnesty International hielt Chodorkowskis Verurteilung für politisch motiviert und bezeichnete ihn als "prisoner of conscience".
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im September 2011 seine Verurteilung hingegen als "nicht politisch motiviert" eingestuft.
Deutschlandfunk Kultur-Reporterin Sabine Adler hat Michail Chodorkowski in Berlin getroffen und ein längeres Gespräch mit ihm geführt. Lebt er – angesichts des Giftattentats auf den Ex-Spion Sergej Skripal und dessen Tochter in London – in Sorge, auch ihn könne es treffen?
"10 Jahre habe ich im Lager verbracht. Dort hätte man mich jederzeit problemlos umbringen können. Heute, wo ich zum Glück keinerlei Verbindungen zum Geheimdienst habe, muss die Entscheidung, was mit mir geschehen soll, Putin treffen. Wenn er sich dazu entschließt, werde ich dem kaum entkommen. Aber ich sitze jetzt nicht und denke die ganze Zeit darüber nach. Das Leben ist so schon gefährlich genug. Da ist noch ein Risiko mehr nichts Besonderes", sagt Chodorkowski, der heute in der Schweiz lebt.
"Ich habe keine Leibwächter"
Auf die Frage nach seinen Leibwächtern antwortet der Unternehmer:
"Ich habe keine. Weil man sich vor den Leuten, die der Staat schickt, um einen zu überfallen, nur mit Möglichkeiten schützen kann, die einzig ein Staat bereitstellen kann. Alles andere ist nur Schein."
Während seiner Zeit im Lager sei er nie untätig gewesen und habe viel geschrieben. Auch im Exil will Chodorkowski aktiv sein und nicht einfach abwarten, was kommt. Sein Tag beginne und ende "mit der Kommunikation mit Menschen in Russland." Denn:
Während seiner Zeit im Lager sei er nie untätig gewesen und habe viel geschrieben. Auch im Exil will Chodorkowski aktiv sein und nicht einfach abwarten, was kommt. Sein Tag beginne und ende "mit der Kommunikation mit Menschen in Russland." Denn:
"Es ist wichtig, dass Putin abgelöst wird, aber noch wichtiger ist es, darauf vorbereitet zu sein, um sich nicht sofort wieder einen neuen Putin aufzuhalsen."
"Demokratie errichtet man nicht mit dem Geld reicher Leute"
Chodorkowski macht sich jedoch keine Illusionen:
"Dafür brauchen wir eine parlamentarische Republik, die wir aber noch nie hatten. Wir müssen geeignete Leute finden und ausbilden."
Er wolle einen Beitrag dazu leisten. Aber:
"Die Demokratie errichtet man nicht mit dem Geld reicher Leute – wenn ein Politiker solches Geld nimmt, dient er nicht der Gesellschaft."
Wie sind Putins Aufrüstungs-Bestrebungen als Strategie gegen die USA zu verstehen?
"Das ist keine neue Strategie von ihm, sondern eine ziemlich alte. Wenn er früher gesehen hat, dass sein Regime nicht das nötige Wirtschaftswachstum erbringt und die Gesellschaft über seine weitere Führungsrolle nicht gerade erbaut war, suchte er andere Wege, um seine Macht zu konsolidieren. Schon das Breschnew-Regime hat dann den Feind von außen gesucht."
Zu den Militäreinsätzen in der Ukraine meint er:
"In der Ukraine kämpfen wir nicht gegen die Ukrainer, sondern gegen die Amerikaner, in Syrien ebenso. Amerika ist ein bequemer Feind, der sich nicht sonderlich um Russland kümmert und weit weg ist. Aber auch groß ist, mit dem kann man dem Volk Angst einjagen. Statt die Kühlschränke zu füllen, geht es um den Schutz vor dem Feind."