Hausfriedensbruch im Namen des Tierwohls?
Aktivisten dringen in einen Schweinestall ein und dokumentieren Verstöße gegen den Tierschutz. Der Betreiber klagt wegen Hausfriedensbruchs. Der Richter spricht die Angeklagten frei und lobt ihr Engagement. Nun kommt der Fall erneut vor Gericht.
Die Kamera schwenkt langsam durch die Gänge einer Schweinemastanlage in Sachsen-Anhalt. Graue Gatter, hin und wieder eine verdreckte Tränke, rosa Leiber dicht an dicht – zu dicht.
Hier läuft nicht alles nach Vorschrift. Darauf müsse man aufmerksam machen, zur Not auch durch Hausfriedensbruch – finden zumindest Tierschützende der Gruppe "Animal Rights Watch". Sie dringen 2013 mit einer Kamera in die Anlage ein und filmen die Verstöße gegen die Tierschutz-Nutztier-Haltungsverordnung. Sandra Franz, Sprecherin der Organisation, zieht nüchtern Bilanz:
"Sauen werden einfach die Hälfte ihres Lebens in Kastenstände eingesperrt. Das sind quasi körpergroße Metallkäfige, in denen sie sich gerade mal hinlegen und wieder aufstehen können. Die können sich noch nicht mal um die eigene Achse drehen, die können einen Schritt nach vorne und nach hinten tun. Das ist legal, das ist erlaubt. In der Schweinezucht in Sandbeiendorf waren die Sauen in illegal engen Kastenständen eigesperrt. Viele der Sauen hatten keinen Zugang zu Trinkwasser, sie hatten kein Beschäftigungsmaterial, einige der Mastbuchten waren überbelegt. Das waren so die hauptsächlichen Missstände."
Hier läuft nicht alles nach Vorschrift. Darauf müsse man aufmerksam machen, zur Not auch durch Hausfriedensbruch – finden zumindest Tierschützende der Gruppe "Animal Rights Watch". Sie dringen 2013 mit einer Kamera in die Anlage ein und filmen die Verstöße gegen die Tierschutz-Nutztier-Haltungsverordnung. Sandra Franz, Sprecherin der Organisation, zieht nüchtern Bilanz:
"Sauen werden einfach die Hälfte ihres Lebens in Kastenstände eingesperrt. Das sind quasi körpergroße Metallkäfige, in denen sie sich gerade mal hinlegen und wieder aufstehen können. Die können sich noch nicht mal um die eigene Achse drehen, die können einen Schritt nach vorne und nach hinten tun. Das ist legal, das ist erlaubt. In der Schweinezucht in Sandbeiendorf waren die Sauen in illegal engen Kastenständen eigesperrt. Viele der Sauen hatten keinen Zugang zu Trinkwasser, sie hatten kein Beschäftigungsmaterial, einige der Mastbuchten waren überbelegt. Das waren so die hauptsächlichen Missstände."
Richter: Das Tierwohl war in Gefahr
Um Missstände aufzuzeigen Hausfriedensbruch begehen - darf man das? NEIN! Findet der Betreiber der Anlage und erstattet Anzeige. JA! Sagt Richter Ulf Majstrak: Er spricht die drei Tierschützerinnen und Tierschützer im Landgericht Magdeburg 2017 frei, genauso wie zuvor das Amtsgericht Haldensleben. Und er geht sogar noch einen Schritt weiter: Er belobigt die Frau und die beiden Männer. Sie hätten das Tierwohl zum Ziel gehabt, das in Gefahr gewesen sei.
Es ist das erste Mal, dass ein Landgericht bei einer vergleichbaren Konstellation so entscheidet – sehr zum Ärger der Bauernverbände. Auch aus Reihen der Politik wird Kritik laut. Sandra Franz erinnert sich an den Moment der Urteilsverkündung im Landgericht:
"Also für uns war das Urteil sehr überraschend. Für uns war es schon überraschend vom Amtsgericht freigesprochen zu werden und dann vom Landgericht nochmal freigesprochen zu werden. Der Richter hat eigentlich schon nach zehn Minuten klargemacht, dass er uns freisprechen wird und dass er unserer Argumentation total folgt und dass das Gericht unsere Erfahrungen über die letzten Jahre anerkannt hat. Dass wir eben immer wieder die Erfahrung gemacht haben, dass Veterinärbehörden nicht einschreiten, wenn man Missstände meldet, dass Staatsanwaltschaften keine Ermittlungen aufnehmen oder dann einstellen. Das alles hat der Richter halt anerkannt und hat auch gesehen, dass es in dem Fall auch genauso war und das ist unserer Kenntnis nach auch das erste Mal so in Deutschland."
Es ist das erste Mal, dass ein Landgericht bei einer vergleichbaren Konstellation so entscheidet – sehr zum Ärger der Bauernverbände. Auch aus Reihen der Politik wird Kritik laut. Sandra Franz erinnert sich an den Moment der Urteilsverkündung im Landgericht:
"Also für uns war das Urteil sehr überraschend. Für uns war es schon überraschend vom Amtsgericht freigesprochen zu werden und dann vom Landgericht nochmal freigesprochen zu werden. Der Richter hat eigentlich schon nach zehn Minuten klargemacht, dass er uns freisprechen wird und dass er unserer Argumentation total folgt und dass das Gericht unsere Erfahrungen über die letzten Jahre anerkannt hat. Dass wir eben immer wieder die Erfahrung gemacht haben, dass Veterinärbehörden nicht einschreiten, wenn man Missstände meldet, dass Staatsanwaltschaften keine Ermittlungen aufnehmen oder dann einstellen. Das alles hat der Richter halt anerkannt und hat auch gesehen, dass es in dem Fall auch genauso war und das ist unserer Kenntnis nach auch das erste Mal so in Deutschland."
Das Urteil ist "geradezu revolutionär"
Mit einem solchen Urteil hatte auch Hans-Georg Kluge nicht gerechnet. Der Berliner Rechtsanwalt vertritt einen der Angeklagten vor Gericht:
"Das Urteil ist außerordentlich überraschend, auch für Juristen – um nicht zu sagen geradezu revolutionär. Es geht im Dreh- und Angelpunkt um den rechtfertigenden Notstand. Die Frage eben: Ab wann darf man selber tätig werden, wenn der Staat nicht tätig wird?"
An diesem Donnerstag kommt es zur Revisionsverhandlung am Oberlandesgericht Naumburg. Doch welche Auswirkungen kann diese haben?
"Wenn die dritte Instanz jetzt die Berufung der Staatsanwaltschaft – denn um das geht’s ja jetzt formal in der Revisionsverhandlung – wenn sie die verwirft, dann wird dieser Freispruch rechtskräftig und dann ist das bundesweit ein Präzedenzfall – gar keine Frage! Deswegen: Eine unabsehbare, große Bedeutung dieses zu erwartende Urteil in Naumburg."
Doch, wenn die Revision Erfolg hat …
"Dann geht’s unter Beachtung dieser Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts nochmal neu los beim Landgericht Magdeburg. Mit etwas schlechteren Chancen für die Angeklagten und so sind wir alle sehr gespannt."
"Das Urteil ist außerordentlich überraschend, auch für Juristen – um nicht zu sagen geradezu revolutionär. Es geht im Dreh- und Angelpunkt um den rechtfertigenden Notstand. Die Frage eben: Ab wann darf man selber tätig werden, wenn der Staat nicht tätig wird?"
An diesem Donnerstag kommt es zur Revisionsverhandlung am Oberlandesgericht Naumburg. Doch welche Auswirkungen kann diese haben?
"Wenn die dritte Instanz jetzt die Berufung der Staatsanwaltschaft – denn um das geht’s ja jetzt formal in der Revisionsverhandlung – wenn sie die verwirft, dann wird dieser Freispruch rechtskräftig und dann ist das bundesweit ein Präzedenzfall – gar keine Frage! Deswegen: Eine unabsehbare, große Bedeutung dieses zu erwartende Urteil in Naumburg."
Doch, wenn die Revision Erfolg hat …
"Dann geht’s unter Beachtung dieser Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts nochmal neu los beim Landgericht Magdeburg. Mit etwas schlechteren Chancen für die Angeklagten und so sind wir alle sehr gespannt."
Aktivisten erwarten Gesetzesverschärfung
Egal, wie die Entscheidung in der Revisionsverhandlung auch ausgehen mag: Sandra Franz fürchtet, dass die Interessenvertreter der Landwirtschaft nun auf einen besonders harten Gegenkurs einschwenken.
"Wir glauben fest, dass es bald zu einer Gesetzesverschärfung kommen wird. Die Agrarindustrie ist eine große und starke Lobby, die auch Vertreter selber im Bundestag zu sitzen haben. Und ich kann mir schon vorstellen, dass da irgendwas geplant ist, um uns die Arbeit schwerer zu machen."
Und tatsächlich: CDU/CSU und SPD haben in ihren Koalitionsverhandlungen zum Thema Tierwohl beschlossen: Stalleinbrüche sollen künftig als Strafbestand gewertet werden.
Doch Gesetze hin oder her: Das Team von "Animal Rights Watch" wird sein Engagement fortsetzen:
"Es muss legitim sein. Ob es legal oder illegal ist, ist uns relativ egal. Und es ist total legitim, Bildmaterial aus diesen Anlangen zu veröffentlichen, meiner Meinung nach. Die Öffentlichkeit - jeder hat ein Recht zu wissen, wie diese Tiere gehalten werden."
"Wir glauben fest, dass es bald zu einer Gesetzesverschärfung kommen wird. Die Agrarindustrie ist eine große und starke Lobby, die auch Vertreter selber im Bundestag zu sitzen haben. Und ich kann mir schon vorstellen, dass da irgendwas geplant ist, um uns die Arbeit schwerer zu machen."
Und tatsächlich: CDU/CSU und SPD haben in ihren Koalitionsverhandlungen zum Thema Tierwohl beschlossen: Stalleinbrüche sollen künftig als Strafbestand gewertet werden.
Doch Gesetze hin oder her: Das Team von "Animal Rights Watch" wird sein Engagement fortsetzen:
"Es muss legitim sein. Ob es legal oder illegal ist, ist uns relativ egal. Und es ist total legitim, Bildmaterial aus diesen Anlangen zu veröffentlichen, meiner Meinung nach. Die Öffentlichkeit - jeder hat ein Recht zu wissen, wie diese Tiere gehalten werden."