Frankfurts verblasster Techno-Ruhm
Techno-Legende Sven Väth wird heute mit der Goethe-Plakette geehrt. Das ist Teil einer Image-Offensive, die Frankfurt am Main im (verlorenen) Wettstreit mit Berlin als Techno-Standort in Erinnerung halten soll. Geplant ist auch ein Techno-Museum.
(Techno-Rave mit Sven Väth: "1, 2, 3, Gude Laune!!")
So kennen die Fans ihren Sven Väth. Ein Plattenaufleger der alten Schule, einer der weiß, wie man mit elektronischen Beats eine perfekte Party feiert. Der Mann ist 50 Jahre alt – ein Karriereende nicht in Sicht. Erklärungsversuch des Meisters:
"Das ist wie ein Rausch. Das ist wie ein Ritual. Das sind so archaische Momente mit einem selbst. Und du spürst: Das macht die Menschheit eigentlich schon seit 1000 Jahren".
Väth: "Ihr habt ja schon schön Bock zu feiern, wollt ihr feiern?"
Publikum: "Jaaa!"
Publikum: "Jaaa!"
Der erfolgsverwöhnte Sven Väth hatte immer Wert auf Lokalkolorit gelegt. Seiner Heimatregion Frankfurt und Offenbach war er jahrzehntelang treu geblieben. Bis sein ehrgeiziges Projekt, der Cocoonclub, nach acht Jahren schließen musste. Insolvenz. Väth hat seine Zelte in Frankfurt längst abgebrochen. Neuer Lebensmittelpunkt: London, weiterhin Sommerresidenz: die Partyinsel Ibiza. Was aber ist mit der Techno-Szene in Frankfurt? Christian Rindermann, selbst DJ und früher Programmgestalter im Cocoonclub konstatiert...
"dass Frankfurt die letzten Jahre nicht mehr so tonangebend ist weil viele Leute aus Frankfurt weggegangen sind. Hauptsächlich nach Berlin. Und weil sich strukturell viel verändert hat."
Der Exodus der tonangebenden Labels
Mit Sonymusic ist vor Jahren der einzige Major vom Main an die Spree gezogen. Kleine Vertriebe wie Neuton mussten aufgeben, dadurch sind auch viele einmal tonangebende Labels der elektronischen Musik mit in die Pleite gezogen worden. Dort war der Frankfurter Achim Szepanski jahrelang stilprägend. Mit Plattenfirmen wie Force Inc oder Mille Plateaux wollte er die vermeintlich unpolitische Technoszene bewusst politisieren. Doch auch Szepanski hat die Labelarbeit längst aufgegeben. Aber er beobachtet als Mitherausgeber eines Online-Magazins weiterhin die Szene, auch in Frankfurt:
"Das ist so ein weiterer Punkt, dass die Städte im Kontext ihrer Ranking-Politik nun ihre Rankings kontextualisieren und solche Sachen einbauen, das eben dazu dient, das Ranking der Stadt zu verbessern."
Nicht nur Achim Szepanski beklagt sich über die Misere der Clubkultur in Frankfurt, auch ein Zusammenschluss von Clubbetreibern. Seit Jahren schrumpfe das Angebot, so der Verein "Clubs am Main". Es gebe sogar vollkommen überzogene Polizeikontrollen von Clubgängern. Die Goethe-Plakette für den DJ Sven Väth fände man ja gut, so Vereinssprecher Klaus Bossert, aber:
"an die Adresse der Stadt sei einmal mehr gesagt, dass solche Akte der Symbolpolitik eben nicht ausreichen, um eine aktive Clubkultur zu erhalten".
Die Profiteure der Frankfurter Clubmisere sitzen nur wenige Kilometer von der Stadtgrenze entfernt in Offenbach. Ihr Club "Robert Johnson" ist der einzige Lichtblick in der gesamten Rhein-Main-Region, die einst so stolz war auf ihre Flaggschiffe wie Dorian Gray im Frankfurter Flughafen, das "XS", das "Omen" oder dessen Nachfolger U60311. Die Relikte dieser Clubs sollen im übernächsten Jahre wenigstens in einem Museum für elektronische Musik – kurz: Momem – ausgestellt werden. Highlight soll eine begehbare Discokugel werden. Vielleicht entsteht dort bald auch ein Wachsfigurenkabinett der bereits verblichenen und noch lebenden Techno-Ikonen Frankfurts, darunter dann auch Sven Väth, letzterer mit stilisierter Goethe-Plakette um den Hals.
Was wohl Goethe zur Textsicherheit des DJs Sven Väth sagen würde? Er würde ihm das Mikrofon abdrehen. Für den Geehrten sind im Zusammenhang mit Goethe nur zwei Dinge wichtig: jahrelang war er Stammgast in einem Café Vis-a-vis des Goethehauses in Frankfurt. Und: das Goethe-Institut hat Väth immer gern in ferne Länder geschickt. Mission: Techno aus Frankfurt für die ganze Welt.