Muslime in unserer Gesellschaft
Während das nach zehn Jahren wieder aufgelegte "Die Mullahs am Rhein. Der Vormarsch des Islam in Europa" sich reaktionär gegen eine kulturell pluralistische Gesellschaft ausspricht, fordert "Tödliche Toleranz – Die Muslime und unsere offene Gesellschaft", Toleranz nicht als Gleichgültigkeit, sondern als echtes Miteinander zu verstehen.
Zuerst die gute Nachricht: 77 Prozent der Berliner stimmen der Aussage zu: "Das Ziel einer multikulturellen Gesellschaft ist wünschenswert." Eine Haltung, für die man die viel gescholtenen Hauptstädter umarmen möchte. Wo, wenn nicht in Berlin mit seinen Problemkiezen Neukölln, Kreuzberg, Wedding wäre am ehesten mit einem ausländerfeindlichen Backlash zu rechnen?
Aber vielleicht sollte man umgekehrt fragen: Wo, wenn nicht in Berlin, dieser Stadt der zugewanderten Hugenotten, Schlesier, Juden und Russen, diesem auf Sand gebauten preußischen Chicago, wäre die Haltung des großen Friedrich, jeder solle nach seiner Facon selig werden, lebendiger anzutreffen?
Nun die schlechte Nachricht: Seitdem der niederländische Filmemacher Theo van Gogh von einem muslimischen Fundamentalisten ermordet wurde, sehen die Gegner einer ethnisch und kulturell pluralistischen Gesellschaft ihre Chance gekommen. Nicht zufällig erscheint jetzt die Neuauflage eines Buchs, das ein gewisser Rolf Stolz schon vor über zehn Jahren schrieb: "Die Mullahs am Rhein. Der Vormarsch des Islam in Europa". In seinem neuen Vorwort bringt Stolz seine These auf den Punkt:
"Nach den Anschlägen von Madrid, nach den Morden und brennenden Kirchen im angeblich so friedlich-idyllischen Holland zeigt sich: Ein soziales Großexperiment, die multi(un)kulturelle Gesellschaft mit ihrer unbegrenzten Ignoranz-Toleranz gegenüber dem islamischen Machtanspruch, ist in einer Katastrophe geendet."
Nach den Anschlägen von New York und Washington besuchte Präsident George W. Bush die größte Moschee Washingtons und rief zum Frieden zwischen Christen und Muslimen auf. Nach Madrid und Amsterdam hetzen Autoren wie Stolz zum Krieg der Kulturen. Mit Hilfe des Schreckbilds radikaler Mullahs, die, so Stolz, in Deutschland "einen Brückenkopf bilden wollen, von dem aus sie Europa erobern können", wird zum Sturm geblasen gegen alles, was deutschen Reaktionären schon immer gegen den Strich ging:
" Die deutsche Gesellschaft lädt gerade dazu ein: Die Befindlichkeit der meisten Deutschen ist geprägt durch diffuse Schuldgefühle und Anbetung alles Fremden, durch einen rasanten Verlust kultureller Kreativität und Identität, durch einen Niedergang der öffentlichen Moral..."
Dekadenz, mit einem Wort. Schluss damit. Schluss mit Schuldgefühlen und der Leugnung nationaler Identität, Schluss vor allem mit der
" Umerziehungsriege, die mit der kulturellen Liquidation Deutschlands die Deutschen unterpflügen wollen in einem französisch-angloamerikanisch geprägten und dominierten Bundesstaat Kleineuropa."
Moment. Fehlt hier nicht ein Feind? Keine Bange, er kommt noch:
" Das Judentum war und ist dort moralisch stark, wo es eine moralisch-geistige Macht verkörperte. Sobald es aber ökonomische und politische Macht errang, gewannen die bösen Geister geistfeindlicher Orthodoxie und ethnischer Selbstvergötterung die Oberhand."
Na, das wird man doch noch sagen dürfen! Kampf also der jüdischen Selbstvergötterung, dem Staate Israel, den Wall-Street-Juden, der deutschen "Umerziehungsriege", Kampf dem Fremden, Kampf der Europäischen Union, Kampf den Franzosen und Angloamerikanern, auf dass der Kampf gegen den Weltbolschewismus – sorry, gegen den Welt-Islam – von der selbstbewussten Nation geführt werden kann. Dieses Buch erscheint in Deutschland anno 2005.
Israel Singer, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, hat Recht, wenn er die Juden der Welt davor warnt, opportunistisch gemeinsame Sache mit den Islam-Hassern zu machen. Noch jeder Rassismus bedient sich der alten Muster des europäischen Antisemitismus, und hinter dem Feindbild des bärtigen, blutsaufenden Mullah lauert das ältere Feindbild des bärtigen, blutsaufenden Juden.
Auf den ersten Blick scheint Günther Lachmanns Buch "Tödliche Toleranz. Die Muslime und unsere offene Gesellschaft" in die gleiche Kerbe zu hauen. Der Umschlag zeigt einen grünen Stern und eine Mondsichel, die wie ein Krummschwert die deutsche Fahne zerschneidet. Vielleicht meinen Verlage heute, Bücher über Muslime nicht anders verkaufen zu können. Doch Lachmanns Buch ist von ganz anderem Geist geprägt. Das zeigt schon die Überschrift seines letzten Kaptitels:
" Toleranz ist nicht Gleichgültigkeit oder: Für ein echtes Miteinander."
Mit wenigen, aber effektiven Zügen zeichnet der Journalist die Geschichte der muslimischen Einwanderung in Deutschland nach, die nicht zufällig wenige Wochen nach dem Bau der Berliner Mauer einsetzt. Mit verhaltenem Zorn beschreibt er, wie die Mehrheitsgesellschaft über Jahrzehnte hinweg glaubte, die Zugewanderten seien "Gastarbeiter", dass der Mohr wieder gehen würde, wenn er seine Schuldigkeit getan hatte. Die Pogrome von Hoyerswerda und Rostock werden ebenso in Erinnerung gerufen wie die Terroranschläge von Lübeck und Mölln. Zuerst Ausbeutung, dann Gleichgültigkeit, dann Gewalt: Dass Deutschland keine Rassenkrawalle wie in Großbritannien oder den USA erlebt hat, ist ein Wunder. Doch in den Gettos der Großstädte konnte in diesem Klima der Djihadismus seine Wurzel schlagen.
Vielleicht hätte Lachmanns Buch lieber "tödliche Ignoranz" heißen sollen; denn ignorant waren beide Seiten: die Konservativen, die nicht wahrhaben wollten, dass Deutschland längst Einwanderungsland ist, und die Linken, die unter Multikulturalität ein Nebeneinander von Döner und Currywurst meinten, ein bunter Karneval der Kulturen; die nicht wahrhaben wollten, dass in dem entstehenden radikal-islamischen Paralleluniversum Frauen beschnitten, an Männer verschachert, wegen sexueller Vergehen ermordet werden; dass in den Moscheen Hass und Gewalt gegen den dekadenten, von Angloamerikanern und Juden beherrschten Westen gepredigt wird. Auch das zeichnet Lachmann nach. Der Terror, das zeigt sein Kapitel über Djihadisten in Deutschland, entsteht nicht irgendwo am Hindukusch, sondern dort, wo der Islam mit der Moderne kollidiert: in den Großstädten des Westens. Vor unserer Nase.
" Was muss geschehen, damit solche Entwicklungen in Zukunft unmöglich werden?"
fragt Lachmann, und antwortet:
"Zunächst einmal müssen die Deutschen sich mit ihren muslimischen Mitbürgern auseinandersetzen. Das, was sie über Jahrzehnte als Toleranz bezeichneten, war letztlich nichts anderes als Ignoranz. In Wahrheit wollten sie mit den Muslimen nichts zu tun haben – und die Mehrheit der Muslime nichts mit den Deutschen. Notwendig ist aber eine kritische Toleranz."
Nicht Kampf der Kulturen also, sondern ein Kampf um Werte. Nicht Ausgrenzen, sondern Grenzen setzen. Günther Lachmanns eminent vernünftiges Buch hat das Zeug, ein Handbuch dieser Auseinandersetzung der offenen Gesellschaft mit ihren Feinden zu werden.
Rolf Stolz:
Die Mullahs am Rhein. Der Vormarsch des Islam in Europa
Herbig Verlag, 2005
Günther Lachmann:
Tödliche Toleranz – Die Muslime und unsere offene Gesellschaft
Piper Verlag, 2005
Aber vielleicht sollte man umgekehrt fragen: Wo, wenn nicht in Berlin, dieser Stadt der zugewanderten Hugenotten, Schlesier, Juden und Russen, diesem auf Sand gebauten preußischen Chicago, wäre die Haltung des großen Friedrich, jeder solle nach seiner Facon selig werden, lebendiger anzutreffen?
Nun die schlechte Nachricht: Seitdem der niederländische Filmemacher Theo van Gogh von einem muslimischen Fundamentalisten ermordet wurde, sehen die Gegner einer ethnisch und kulturell pluralistischen Gesellschaft ihre Chance gekommen. Nicht zufällig erscheint jetzt die Neuauflage eines Buchs, das ein gewisser Rolf Stolz schon vor über zehn Jahren schrieb: "Die Mullahs am Rhein. Der Vormarsch des Islam in Europa". In seinem neuen Vorwort bringt Stolz seine These auf den Punkt:
"Nach den Anschlägen von Madrid, nach den Morden und brennenden Kirchen im angeblich so friedlich-idyllischen Holland zeigt sich: Ein soziales Großexperiment, die multi(un)kulturelle Gesellschaft mit ihrer unbegrenzten Ignoranz-Toleranz gegenüber dem islamischen Machtanspruch, ist in einer Katastrophe geendet."
Nach den Anschlägen von New York und Washington besuchte Präsident George W. Bush die größte Moschee Washingtons und rief zum Frieden zwischen Christen und Muslimen auf. Nach Madrid und Amsterdam hetzen Autoren wie Stolz zum Krieg der Kulturen. Mit Hilfe des Schreckbilds radikaler Mullahs, die, so Stolz, in Deutschland "einen Brückenkopf bilden wollen, von dem aus sie Europa erobern können", wird zum Sturm geblasen gegen alles, was deutschen Reaktionären schon immer gegen den Strich ging:
" Die deutsche Gesellschaft lädt gerade dazu ein: Die Befindlichkeit der meisten Deutschen ist geprägt durch diffuse Schuldgefühle und Anbetung alles Fremden, durch einen rasanten Verlust kultureller Kreativität und Identität, durch einen Niedergang der öffentlichen Moral..."
Dekadenz, mit einem Wort. Schluss damit. Schluss mit Schuldgefühlen und der Leugnung nationaler Identität, Schluss vor allem mit der
" Umerziehungsriege, die mit der kulturellen Liquidation Deutschlands die Deutschen unterpflügen wollen in einem französisch-angloamerikanisch geprägten und dominierten Bundesstaat Kleineuropa."
Moment. Fehlt hier nicht ein Feind? Keine Bange, er kommt noch:
" Das Judentum war und ist dort moralisch stark, wo es eine moralisch-geistige Macht verkörperte. Sobald es aber ökonomische und politische Macht errang, gewannen die bösen Geister geistfeindlicher Orthodoxie und ethnischer Selbstvergötterung die Oberhand."
Na, das wird man doch noch sagen dürfen! Kampf also der jüdischen Selbstvergötterung, dem Staate Israel, den Wall-Street-Juden, der deutschen "Umerziehungsriege", Kampf dem Fremden, Kampf der Europäischen Union, Kampf den Franzosen und Angloamerikanern, auf dass der Kampf gegen den Weltbolschewismus – sorry, gegen den Welt-Islam – von der selbstbewussten Nation geführt werden kann. Dieses Buch erscheint in Deutschland anno 2005.
Israel Singer, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, hat Recht, wenn er die Juden der Welt davor warnt, opportunistisch gemeinsame Sache mit den Islam-Hassern zu machen. Noch jeder Rassismus bedient sich der alten Muster des europäischen Antisemitismus, und hinter dem Feindbild des bärtigen, blutsaufenden Mullah lauert das ältere Feindbild des bärtigen, blutsaufenden Juden.
Auf den ersten Blick scheint Günther Lachmanns Buch "Tödliche Toleranz. Die Muslime und unsere offene Gesellschaft" in die gleiche Kerbe zu hauen. Der Umschlag zeigt einen grünen Stern und eine Mondsichel, die wie ein Krummschwert die deutsche Fahne zerschneidet. Vielleicht meinen Verlage heute, Bücher über Muslime nicht anders verkaufen zu können. Doch Lachmanns Buch ist von ganz anderem Geist geprägt. Das zeigt schon die Überschrift seines letzten Kaptitels:
" Toleranz ist nicht Gleichgültigkeit oder: Für ein echtes Miteinander."
Mit wenigen, aber effektiven Zügen zeichnet der Journalist die Geschichte der muslimischen Einwanderung in Deutschland nach, die nicht zufällig wenige Wochen nach dem Bau der Berliner Mauer einsetzt. Mit verhaltenem Zorn beschreibt er, wie die Mehrheitsgesellschaft über Jahrzehnte hinweg glaubte, die Zugewanderten seien "Gastarbeiter", dass der Mohr wieder gehen würde, wenn er seine Schuldigkeit getan hatte. Die Pogrome von Hoyerswerda und Rostock werden ebenso in Erinnerung gerufen wie die Terroranschläge von Lübeck und Mölln. Zuerst Ausbeutung, dann Gleichgültigkeit, dann Gewalt: Dass Deutschland keine Rassenkrawalle wie in Großbritannien oder den USA erlebt hat, ist ein Wunder. Doch in den Gettos der Großstädte konnte in diesem Klima der Djihadismus seine Wurzel schlagen.
Vielleicht hätte Lachmanns Buch lieber "tödliche Ignoranz" heißen sollen; denn ignorant waren beide Seiten: die Konservativen, die nicht wahrhaben wollten, dass Deutschland längst Einwanderungsland ist, und die Linken, die unter Multikulturalität ein Nebeneinander von Döner und Currywurst meinten, ein bunter Karneval der Kulturen; die nicht wahrhaben wollten, dass in dem entstehenden radikal-islamischen Paralleluniversum Frauen beschnitten, an Männer verschachert, wegen sexueller Vergehen ermordet werden; dass in den Moscheen Hass und Gewalt gegen den dekadenten, von Angloamerikanern und Juden beherrschten Westen gepredigt wird. Auch das zeichnet Lachmann nach. Der Terror, das zeigt sein Kapitel über Djihadisten in Deutschland, entsteht nicht irgendwo am Hindukusch, sondern dort, wo der Islam mit der Moderne kollidiert: in den Großstädten des Westens. Vor unserer Nase.
" Was muss geschehen, damit solche Entwicklungen in Zukunft unmöglich werden?"
fragt Lachmann, und antwortet:
"Zunächst einmal müssen die Deutschen sich mit ihren muslimischen Mitbürgern auseinandersetzen. Das, was sie über Jahrzehnte als Toleranz bezeichneten, war letztlich nichts anderes als Ignoranz. In Wahrheit wollten sie mit den Muslimen nichts zu tun haben – und die Mehrheit der Muslime nichts mit den Deutschen. Notwendig ist aber eine kritische Toleranz."
Nicht Kampf der Kulturen also, sondern ein Kampf um Werte. Nicht Ausgrenzen, sondern Grenzen setzen. Günther Lachmanns eminent vernünftiges Buch hat das Zeug, ein Handbuch dieser Auseinandersetzung der offenen Gesellschaft mit ihren Feinden zu werden.
Rolf Stolz:
Die Mullahs am Rhein. Der Vormarsch des Islam in Europa
Herbig Verlag, 2005
Günther Lachmann:
Tödliche Toleranz – Die Muslime und unsere offene Gesellschaft
Piper Verlag, 2005