Nele Neuhaus: Charlottes Traumpferd. Wir sind doch Freunde
Planet, Stuttgart 2016
272 Seiten, 9,99 Euro
Ein Pferderoman voller Klischees
Nele Neuhaus feiert als Krimischriftstellerin große Erfolge. Aber auch ihr aktuelles Jugendbuch um Pferdemädchen Charlotte ist in den Bestsellerlisten. Unsere Rezensentin hat sich beim Lesen gelangweilt – und hat einen Ersatztipp.
Dass Nele Neuhaus, Star der deutschen Kriminalliteratur, auch als Jugendbuchautorin große Erfolge feiert, ist lange nicht aufgefallen: Doch jetzt steht eins dieser Bücher auf Platz 7 der Spiegel-Bestsellerliste für Kinder- und Jugendbücher. "Charlottes Traumpferd. Wir sind doch Freunde" heißt es. Und bei dem Titel wundert es wenig, dass das Buch dort landet. Denn das Schlagwort "Pferd" ist fast schon ein Garant für Erfolg. Fast 3.900 Bücher sind allein im letzten Jahr zum Thema "Pferd" erschienen. Mädchenherzen schlagen einfach höher, wenn es um diese haarigen Vierbeiner geht - egal ob sie selber reiten oder nicht. Die meisten Mädchen lieben Pferd. Punkt. Warum, weiß keiner so genau. Ist einfach so!
Wenn dann auch noch eine Bestsellerautorin das Ganze geschrieben hat, sind auch die Mütter, die die Bücher schließlich kaufen, überzeugt: Schlecht kann das nicht sein! Zumal Nele Neuhaus selbst begeisterte Reiterin ist und ihre "eigenen Pferde Fritzi und Won Da Pie Pate stehen für die gleichnamigen vierbeinigen Romanfiguren" – wie es auf der Verlagsseite so schön heißt.
Neuhaus macht klar: Reiten ist nichts für Weicheier
Und tatsächlich erfährt man hier viel über das, was Pferdefreunde unbedingt brauchen: Huf-Fett, Schweifspray, Mähnenkamm, Lammfell- Putzhandschuh, Schwämme, Wurzelbürsten und Schweißmesser. Wichtige Utensilien also, mit denen man sich auskennen muss, denn der After eines Pferdes muss mit dem Schwämmchen gereinigt werden.
Ja, Nele Neuhaus macht schon auf den ersten Seite dieses Mädchenbuches klar: Reiten ist nichts für Weicheier! Es ist harte Arbeit. Wer denkt, alles ist so wie in "Ostwind", einem anderen sehr erfolgreichen Pferdemädchenbuch, der liegt falsch, sagt Frau Neuhaus. Und beginnt dann, ihre neue Geschichte von der 15-jährigen Charlotte zu erzählen, denn hier handelt es sich um Band 5 der Traumpferd-Reihe.
Charlotte rettet Cody vor dem Schlachter
Die soll nun mit ihrer ehemals besten Freundin in den Urlaub fahren und findet das doof. Denn Doro war voll fies, hat schlecht über sie geredet und sich mit einer anderen Freundin ein Pferd gekauft. So was! (Was genau passiert ist, steht wahrscheinlich in Band 4.) Dazu ist Katie viel netter und Simon sowieso. Mit seinen schönen Augen hat er Charlottes Herz im Sturm erobert und die beiden sind ein Paar. (Ist anfangs aber noch geheim, denn die anderen sind sonst total neidisch auf das junge Glück. Auch klar.)
Doch Charlottes Mama redet ihrer Tochter gut zu und dann fährt Doro eben mit, nach einer tränenreichen Versöhnung ist das auch kein Problem mehr. Alles scheint super. Die Stimmung ist bestens. Zumal es in Frankreich, ja richtig, auch Pferde gibt. Und dann rettet Charlotte auch noch eins vorm Schlachter: Cody ist mindestens genauso schön wie Simon und berührt Charlotte "so zart wie Schmetterlingsflügel" und ein Band wird zwischen beiden geschmiedet: "Es war der Beginn zu etwas ganz Besonderem, Einzigartigem."
Aufgeblähte Nebensächlichkeiten
Für Aufregung sorgt da nur Alain, der Pferdpfleger, der mit seinem grässlich entstellten Gesicht an einen Werwolf erinnert, reiten kann wie der Teufel und wenig redet. Oder Remy, der trinkende französischer Quartalssäufer und dann eben Doro, die sich dann doch voll daneben benimmt und mit 15 Jahren auch mal Lust auf einen Partyabend hat. Geht's noch? Alle sind erschüttert und die Kritikerin am Ende auch: Denn dieses Buch ist – Verzeihung – sterbenslangweilig.
Es ist ein Buch der aufgeblähten Nebensächlichkeiten. Die Figuren sind schablonenhafte Gutmenschen. Streit gibt es höchstens mal, weil jemand zum Abendessen zu spät kommt. Und Charlotte weint immer dann, wenn Freunde Spannungen untereinander haben. Eine schönes Beispiel auch: Als Charlotte und Simon zusammen spazieren gehen und es romantisch werden könnte, genau in dem Moment springt Charlottes Hund an beiden hoch – der Hund, der, wie uns die Bestsellerautorin wissen lässt, sein kleines und sein großes Geschäft anständig erledigt hat.
Es ist zum Heulen. Selbst für eine hartgesottene Mutter, deren Tochter voll auf dem Pferdetrip ist, die drei lebensgroße Stoffpferde beherbergt, bündelweise Reithosen anschafft und im Sommer teure Reiterferien sponsort. Denn eins müssen auch Pferdebücher trotz aller Klischees sein: Unterhaltsam, fantasievoll und leidenschaftlich! Charlottes Traumpferd ist all das nicht – "Ostwind", seien wir ehrlich, dagegen schon.