Gefälschte Identitäten
"Allied - Vertraute Fremde" erzählt die Geschichte von Max und Marianne, die beide als Agenten arbeiten und sich als Liebespaar ausgeben. Aus dem Fake wird Ernst. Oder doch nicht? Außerdem: die fesselnde Romanverfilmung "Nocturnal Animals".
"Allied - Vertraute Fremde" von Robert Zemeckis
Französisch-Marokko 1942. Mitten in der Wüste springt Max, gespielt von Brad Pitt, mit dem Fallschirm ab. Marokko steht unter der Verwaltung des mit den Nazis kollaborierenden Vichy-Regimes, und Max plant im Auftrag eines britischen Sonderkommandos eine Aktion gegen die Deutschen. In Casablanca trifft er Resistance-Kämpferin Marianne, gespielt vom französischen Star Marion Cotillard, wo sich die beiden zur Tarnung als verliebtes Ehepaar ausgeben
"Die nette Madame Petit in Apartment 7, sie ist verheiratet mit einem deutschen Panzerkommandanten, und sie beobachtet uns. – Du bist sehr genau. – Deshalb lebe ich noch. Küss mich!"
Nicht zufällig erinnert das elegant-exotische Setting von "Allied – Vertraute Fremde" an "Casablanca". Die Reminiszenzen reichen bis hin zu Mariannes Hut – so einen trug auch Ingrid Bergmans Filmfigur Ilsa. Aber im Gegensatz zu ihr ist Marianne – ganz zeitgemäß – eine knallharte Kämpferin, die mit Max in kaltblütiger Perfektion einen Attentatsplan ausführt.
Doch nicht nur dienstlich harmoniert das Duo. Nach gelungener Mission folgt Marianne Max nach London und wird seine Ehefrau. Dann erhält Max Nachricht vom Geheimdienst:
"Was wir Ihnen jetzt sagen werden, fällt uns nicht leicht. Wir haben den Verdacht, dass Ihre Frau eine deutsche Spionin ist. – Das ist doch Irrsinn! – Wenn Sie Recht haben, vergessen wir alles. Aber wenn nicht, werden Sie sie persönlich exekutieren."
"Forrest Gump"-Regisseur Robert Zemeckis inszeniert "Allied" als klassischen Agenten- und Psycho-Thriller. Max' Suche nach der Wahrheit ist spannend und abenteuerlich erzählt, allerdings gibt es zwischen Max und Marianne kein Knistern wie bei Bogart und Bergman, dafür ist die Liebesgeschichte zu rührselig erzählt.
Was an emotionaler Überzeugungskraft fehlt, versucht der Film durch dick aufgetragene Dramatik zu ersetzen. Aber als reizvoll ausgestattetes Melodram-Abenteuer funktioniert "Allied" ganz gut.
"Eine schöne Bescherung" von Helena Bergström
Alles andere als klassisch geht es im schwedischen Film "Eine schöne Bescherung" zu. Simon und Oscar sind ein Paar und haben ihre Familien für Heiligabend eingeladen. Das verspricht Ärger: Simons exzentrische Mutter kommt mit ihrem jungen, muslimischen Liebhaber, während Oscars konservative Eltern mit dem schwulen Sohn hadern. Und Oscar hat ihnen verschwiegen, dass er, Simon und die hochschwangere Mitbewohnerin eine Drei-Eltern-Familie gründen:
"Wann wollt ihr es ihnen sagen? – Was? – Wann lasst ihr endlich die Bombe platzen."
Regisseurin Helena Bergström hat in ihrer Weihnachtskomödie einen quietschbunten Gesellschaftsquerschnitt versammelt – und natürlich kommt es zum großen Krach. Aber im turbulenten Showdown finden dann doch alle zueinander, am Schluss löst sich der ganze Streit in sentimentalem Wohlgefallen auf. In Schweden war "Eine schöne Bescherung" ein Publikumserfolg, als Gesellschaftssatire taugt die gutgemeinte, aber realitätsblinde Komödie nicht.
"Nocturnal Animals" von Tom Ford
Tiefschwarz dagegen ist die amerikanische Romanverfilmung "Nocturnal Animals". Die erfolgreiche Kunst-Galeristin Susan, gespielt von Amy Adams, hat ihren Ex-Mann Edward 20 Jahre nicht gesehen. Jetzt schickt er ihr seinen ersten Roman. Sie beginnt, das Buch, dessen Handlung der Film nun parallel erzählt, zu lesen: Tony ist mit seiner Frau und Tochter im Auto nachts in Texas unterwegs. Plötzlich werden sie von mehreren Wagen von der Straße abgedrängt. Und dann kommen die Fahrer auf sie zu:
"Guten Abend. – Guten Abend. – Sie wissen, Sie müssen bei einem Unfall anhalten? – Ja. weiß ich. – Nachdem, wie Sie gefahren sind? - Was haben Sie gesagt? – So wie Sie gefahren sind, das war verrückt. Kommen Sie nicht näher. – Schon gut Schatz. – Also, jetzt steigen Sie bitte wieder in Ihren Wagen und lassen uns in Ruhe – Lady, Lady, ganz ruhig."
Tony kann nicht verhindern, dass die Männer Frau und Tochter entführen - später wird man beide vergewaltigt und ermordet in der Wüste finden. Tony, ausdrucksstark gespielt von Jake Gyllenhaal, zerbricht an seinem Schuldgefühl.
In seinem zweiten Film nach "A Single Man" stellt der amerikanische Modeschöpfer Tom Ford unterkühlte Design- und brutale Alptraum-Szenarien auf eine Art nebeneinander, die an David Lynch erinnert. Die düstere Geschichte bringt Susan zum Nachdenken über ihre eigene Vergangenheit:
"Hast du ihn geliebt? – Ja, hab ich. Er war Autor und ich hatte kein Vertrauen zu ihm. Ich wurde panisch und habe ihm etwas angetan, was man nicht wiedergutmachen kann. – Du hast ihn verlassen? – Ich habe ihn verlassen, auf eine brutale Art."
Ford verschiebt immer wieder die Zeit- und Realitätsebenen. In Edwards Roman sind Tony und seine Frau identisch mit Edward und Susan, die Geschichte wirkt wie eine Allegorie auf ihre Trennung. Motivisch ist das Psycho- und Rache-Drama einfach gestrickt, aber mit der souverän verschachtelten Dramaturgie und den quälenden Fragen nach Schuld- und Vergangenheitsbewältigung fesselt "Nocturnal Animals" nachwirkend.