Mein Praktikum in Kanada
Kanada 2014
Buch und Regie: Philippe Falardeau
Darsteller: u.a. Patrick Huard, Irdens Exantus, Suzanne Clément
108 Minuten; ab 6 Jahren
Infos bei Arsenal Filmverleih
Die verwirrende Praxis der Demokratie
"Mein Praktikum in Kanada" von Philippe Falardeau ist eine listige und amüsante Polit-Parabel. Am Beispiel eines kanadischen Abgeordneten und dessen Praktikanten aus Haiti geht es um den Einfluss von Lobbyisten und andere Tücken der Demokratie - mit augenzwinkerndem Sesam-Straßen-Erklär-Charme.
Der kanadische Filmemacher Philippe Falardeau, Jahrgang 1968, ist ein noch ungeschliffener Diamant in der cineastischen Welt. Der studierte Politikwissenschaftler fing beim Fernsehen an, bevor er im Jahr 2000 begann, als Autoren-Filmer Spielfilme zu realisieren. Zwei von bislang fünf Filmen stießen bei uns auf Interesse: "Monsieur Lazhar" (gewann den Publikumspreis beim Locarno-Festival und war 2012 für den Auslands-Oscar nominiert) sowie "Ich schwör's, ich war's nicht", der 2008 auf der Berlinale beim Kinderfilm-Wettbewerb den Hauptpreis, den Gläsernen Bären, gewann sowie anschließend mit dem "Großen Preis" des Deutschen Kinderhilfswerks bedacht wurde. Sein neuer Film heißt übersetzt: "Guibord zieht in den Krieg".
Eine schöne Eingangsmitteilung: "Dieser Film beruht auf wahren Begebenheiten, die noch nicht stattgefunden haben, es jedoch bald werden." Irgendwo in der franko-kanadischen Provinz, im Nordwesten von Quebec, im Bezirk des unabhängigen und volksnahen Abgeordneten Steve Guibord (Patrick Huard). Dessen Büro befindet sich im ersten Stock eines Dessous-Geschäftes. Monsieur Guibord, der ehemalige Eishockey-Profi, hat gerade viel damit zu tun, örtliche "Schwingungen" zu verhandeln. Händeschütteln bei der Landfrauen-Vereinigung, LKW-Fahrer-Streik auf der Verbindungsstraße, Interessen der Native Americans, die gegen den Raubbau der Wälder protestieren. Guibord ist ständig auf Achse und möchte es eigentlich allen recht machen: Der Forst- und Minenindustrie, den Ureinwohnern, den Bürger-Begehren. Neu an seiner Seite: Der aus Haiti stammende junge Politologe Souverain Pascal (Irdens Exantus), der ein Praktikum bei ihm absolviert. Motto: hautnah Demokratie sehen und lernen.
Praktikant wird zum professionellen Berater
Und wie es der Zufall so will: Steve Guibord wird plötzlich landesweit wichtig. Die Regierung plant nämlich, Soldaten in den Krieg im Nahen Osten ziehen zu lassen, aber im Parlament herrscht eine Patt-Situation. Nun kommt es darauf an, wie sich der Provinz-Abgeordnete Guibord entscheidet. In die Hauptstadt eingeladen, machen ihm unverblümt die Oberen klar: Wir regeln alles, "Sie machen ihre Demokratie wie geplant". Im Übrigen wäre doch vielleicht ein Minister-Posten interessant. Auf den so unabhängigen wie freundlichen Abgeordneten kommen turbulente Zeiten zu. Jeder will etwas von ihm, und auch in seiner liberalen Familie geht es heftig zu. Während der aufgeschlossene Praktikant und Philosophen-Experte Pascal immer mehr zum engeren wie professionellen Berater wird.
Es handelt sich um eine listige Polit-Parabel über praktisch gelebte Demokratie mit augenzwinkerndem Sesamstraßen-Charme: Wer wie was? Wo wie das? Wieso weshalb warum? Wer viel fragt, bleibt… - unsicher. Demokratie, so die komödiantische Pointe, ist in der praktischen Handhabung verwirrend. Zumal die mächtigen Lobbyisten enormen Druck ausüben. Eigentlich scheint es unmöglich, eine halbwegs gerechte Entscheidung zu fällen - wird sie doch anderswo umgehend als ungerecht empfunden. Wie soll ein einziger Mandatsträger das alles bewerkstelligen?
In "Mein Praktikum in Kanada" spielt Drehbuch-Autor und Regisseur Philippe Falardeau mit den politischen wie menschlichen Robustheiten auf der unterhaltsamen, im Mittelteil mitunter etwas bräsig-ausgelassenen Polit-Tastatur. Ein zum Mögen amüsantes Road-"Comedy"-Movie über den unerhörten Souverän.