Nicholas Jubber: "Die acht Lektionen der Wüste"

Mit den Nomaden durch die Sahara

Cover Nicholas Jubber: Die acht Lektionen der Wüste
Nicholas Jubber reiste für sein Buch mehrere Jahre durch die Wüste. © dpa / DuMont
Von Günther Wessel |
Wüsten sind wie Meere - und wie Meere trennen sie Regionen nicht voneinander, sondern verbinden sie. Auch die Sahara ist von unzähligen Wegen durchzogen, auf denen heute noch Nomaden unterwegs sind. Nicholas Jubber ist mit ihnen gereist: Der britische Journalist erzählt lebendig von dem, was zwischen Fez und Timbuktu passierte, über die Politik und Historie der Region.
Jubber folgt einem Reiseführer: Leo Africanus, einem Berber, der um 1494 in Granada geboren wurde, dessen Familie nach Fez übersiedelte und der von Marokko bis nach Timbuktu und weiter nach Süden reiste. Er verfasste später einen Reisebericht, der von den Reichtümern Timbuktus berichtete, viel rezipiert wurde und Auslöser für zahlreiche europäische Entdeckungsfahrten bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wurde.
Jubbers Reise startet ebenfalls in Fez. Er arbeitet dort zunächst in einer Ledergerberei, poliert nebenbei mit der Übersetzung von Rap-Texten seine Arabisch-Kenntnisse auf und reist dann über Marrakesch in die umstrittene Westsahara. Die ehemalige spanische Kolonie war lange Zeit unattraktiv, bis dort Phosphatfelder gefunden wurden. Das erschwerte den Unabhängigkeitskampf der Sahrauis, denn es schuf Begehrlichkeiten: Mauretanien und Marokko verleibten sich das Territorium einfach ein. Heute werden Teile der Westsahara von Marokko, andere von der Frente Polisario, dem militärische Teil des Staates Westsahara, kontrolliert. Die Grenzen sind streng gesichert, der Frieden ist fragil, die Soldaten sind tödlich gelangweilt und ebenso gefährlich. Jubber beschreibt spannend, wie er die Region bereist und militärische Checkpoints passiert. Dort muss er sich wie die europäischen Reisenden des 19. Jahrhunderts tarnen: Mit Turban, Mundschutz und Sonnenbrille.

Präzise und lebendige Reportage

Aber er berichtet auch von Märkten in Marokko und stoischen Kamelen, die schwer zu reiten, aber in der Wüste jedem Lastwagen überlegen sind. Er wird in Hütten und Dörfer eingeladen, er trifft Hirten und tanzt bei Festen mit Nomaden, er sieht aber auch Sklaven bei ihnen und schämt sich später, dass er dagegen nicht protestiert. Aber überall ist das nomadische Leben bedroht – mitunter wohlmeinend, da die Behörden die Nomaden drängen, ihre Kinder in Schulen zu schicken, mitunter, weil ihre alten gewachsenen Strukturen weder markt- noch bürokratiekonform sind, mitunter, weil, wie in der Westsahara, ganze Landstriche vermint sind oder es kein freies Weideland mehr gibt, durch das sie mit ihren Herden ziehen können – auch in Mali genießt das Privateigentum an Boden Vorrecht. Oder weil sie in Unabhängigkeitskämpfe und in solche mit islamistischen Gruppen verwickelt sind.
All das erzählt Jubber mit leichter Hand und doch tief schürfend. Und so ist sein Buch weit mehr als ein persönlicher Reisebericht, als den der Verlag es vermarktet. Denn die eingestreuten Kapitel, in denen Tugenden wie Beharrlichkeit, Kreativität und Überwindung aus dem nomadischen Leben abgeleitet werden, sind zwar schön zu lesen, aber nicht das, was das Buch lesenswert macht. Es ist vor allem eine präzise, auch politische und lebendige Reportage über das Nomadenleben in der Sahara. Empfehlenswert.

Nicholas Jubber: Die acht Lektionen der Wüste: Mit den Nomaden Nordafrikas nach Timbuktu
Übersetzt von Gerlinde Schermer-Rauwolf, Thomas Wollermann, Robert A. Weiß
DuMont, Köln 2017
343 Seiten, 16,99 Euro

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