Olaf Fritsche: Gibt es Geisterschiffe wirklich? Die Wahrheit hinter den Meeres-Mythen
Rowohlt Verlag, Reinbek 2018
316 Seiten, 12,99 Euro
Von Meeresmonstern, Mythen und Menschen
Seit jeher hat es im Meer gespukt: Seefahrer berichteten zu allen Zeiten von Ungeheuern, umherirrenden Schiffen und versunkenen Kulturen. Wie diese Legenden entstanden sind, erklärt der Wissenschaftsjournalist Olaf Fritsche in seinem neuen Buch.
Fantasie gehörte dazu, aber einen gemeinsamen realen Hintergrund besitzen alle diese Mythen – egal, ob sie von Meerjungfrauen, fliegenden Geisterschiffen oder Monsterstrudeln handeln: Die Lebenssituation der Seeleute, die sie erzählten. Olaf Fritsche beschreibt wie arme Schlucker "geschanghait" wurden, dass sie an Bord ständig krank und übermüdet waren, oft unter Alkohol standen – das Wasser war zu faulig, um es zu trinken – und so in die Fremde aufbrachen. Beste Voraussetzungen, um Monster zu sehen.
Zudem wollte man den Daheimgebliebenen etwas berichten, und deshalb schrieb man in frühen Reiseberichten auflagefördernd lieber von Begegnungen mit Meeresungeheuern als vom tagelangen Deckschrubben.
Akribische Analyse des Wahrheitsgehaltes
Von Riesenkraken beispielsweise, die Schiffe in die Tiefe ziehen oder mit langen Tentakeln Seeleute vom Deck angeln. Akribisch analysiert Fritsche den Wahrheitsgehalt dieser Erzählungen, vergleicht sie mit Erkenntnissen aus der Forschung und stellt fest, dass vermutlich zwei Kalmar-Arten miteinander vermischt werden: Der Riesenkalmar, der in der Tiefsee lebt, eine halbe Tonne wiegen kann und bis zu zehn Meter lange Fangarmen besitzt, glücklicherweise aber selten auftaucht und wenig aggressiv ist, und der Humboldtkalmar, der an der Pazifikküste Amerikas vorkommt, maximal zwei Meter groß wird und in Gruppen durchaus auch Menschen angreift.
Olaf Fritsche erläutert, was es mit verlassenen Geisterschiffen auf sich hat oder den sogenannten Phantomschiffen, die wie aus dem Nichts auftauchen und unvermittelt wieder verschwinden. Das bekannteste ist der "Fliegende Holländer", der in zahlreiche Sagenversionen dazu verdammt ist, bis in alle Unendlichkeit die Weltmeere zu durchstreifen. Die Physik macht es möglich: Letztlich sind es Fata Morganen, die durch die Brechung von Lichtstrahlen beim Wechsel von kalten zu warmen Luftschichten entstehen und so Bilder von anderen Orten an den Standort des Betrachters projizieren.
Seefahrermythen unterhaltsam entzaubert
Unterhaltsam und locker geschrieben entzaubert Olaf Fritsche so zahlreiche Mythen der Seefahrt. Meist mithilfe der Physik oder der Geowissenschaften wie den der sogenannten magnetischen Berge. Auch die gibt es nicht, lediglich Störungen im Magnetfeld der Erde, was die Navigation erschwerte.
Den Mythos vom Bermuda-Dreieck schafft der Autor hingegen mithilfe der Statistik aus der Welt: Angesichts der Fülle von Schifffahrtsrouten sei das Meer dort erstaunlich sicher, und viele angeblich dort verschwundenen Schiffe wären ganz woanders abgängig gewesen.
Nimmt die Wissenschaft - und damit auch der Autor - dem Meer seine Romantik und seine Geheimnisse? Vielleicht die Romantik, gewiss die haltlose Spekulation – Rätsel aber, so Olaf Fritzsche, gibt es noch genug. Eine Fortsetzung kann gerne folgen.