Was junge Polen noch immer an "JPII" fasziniert
Papst Johannes Paul II. stand über 26 Jahre an der Spitze der Katholischen Kirche. Als Karol Wojtyła im Jahr 2005 starb, löste das vor allem in Polen tiefe Trauer aus. Noch heute wird "JPII" in Polen verehrt - vor allem auch von jungen Menschen.
Paulina Guzik lehrt Journalismus an der Päpstlichen Universität in Krakau. Die Erinnerungen der 33-Jährigen an den polnischen Papst sind zahlreich und lebendig.
"1991 pilgerte ich während der Weltjugendtage in Tschenstochau zu der berühmten Schwarzen Madonna. Mein Herz machte einen Freudensprung, als ich den Papst aus dem Hubschrauber aussteigen sah. Später erlebte ich die Weltjugendtage in Rom. Vor meinem inneren Auge sehe ich immer noch diese Menschenmassen, riesige Bildschirme auf dem Petersplatz und den Papst im Papa-Mobil. Es war, als wäre gerade ein Heiliger an uns vorbeigefahren."
"Habemus Papam, Cardinalem Wojtyła"
In den fast 27 Jahren seiner Amtszeit, vom Oktober 1978 bis zum April 2005, eroberte Johannes Paul II. Millionen von Herzen. Der ehemalige Krakauer Bischof war alles andere als menschenscheu, sagt Paulina Guzik. Manche fanden ihn zu konservativ, da er Abtreibung und den Gebrauch von Verhütungsmitteln ablehnte. Andere wiederum bewunderten seinen Mut, Missstände wie Hungersnot oder Sklaverei anzuprangern.
"Johannes Paul II. war ein Mensch mit starkem Charakter, ein 'Zuckerpapst' war er ganz bestimmt nicht. Seine Predigten aus Lateinamerika oder Afrika beweisen es – er sagte immer seine Meinung. Dabei nutzte er die Macht der Medien, riss die Mauer zwischen den Gläubigen und dem Papsttum nieder."
Paulina Guzik sieht sich selbst als Teil einer Papst-Generation, zu der auch ihre Eltern und Großeltern gehören. Letztere feierten ihn als Nationalhelden, da er in Polen zum Fall des Kommunismus beigetragen hat. Doch es sind erstaunlicherweise auch ganz junge Polen, die in dem ersten Slawen auf dem Papstthron ein Idol sehen.
"Die dritte Gruppe innerhalb der sogenannten Johannes-Paul-II-Generation bilden Menschen, die fünf bis zehn Jahre alt waren, als er starb. Sie sind ihm persönlich nie begegnet, aber sie verehren ihn trotzdem."
"Meine Mutter und ich brachen in Tränen aus"
Bei seinem Tod und bei der Heiligsprechung von Johannes Paul II. nahm diese Verehrung konkrete Formen an. Junge Menschen mit Rosenkränzen und in trendigen Papst-T-Shirts eilten in die Ewige Stadt. Einige wie Barbara Rozmuk erstarrten vor dem Fernseher.
"Es war 21 Uhr 37, als er von uns ging. Meine Mutter und ich, wir brachen in Tränen aus, als ob gerade ein Familienmitglied gestorben wäre. Ich habe mir vorgestellt, wie er in den Himmel kommt. In meiner Studenten-WG hängt ein Bild von Johannes Paul II. Er ist mit einem Herzen umrahmt. Er ist einer meiner Lieblingsheiligen."
Youtube-Aufnahmen, auf denen der Pontifex Kinder auf den Arm nimmt und zu afrikanischen Klängen aufspringt, gefallen Barbara ganz besonders. Seit einiger Zeit beschäftigt sich die Studentin mit seinen 14 Enzykliken:
"Als ich angefangen habe, mich in seine Lehre zu vertiefen, war ich hin und weg. Einfach ist das nicht, mir gefällt besonders der Spruch: 'Verlangt es von Euch selbst, auch wenn die anderen es nicht tun'. Da denke ich zum Beispiel an voreheliche Beziehungen. In diesen Punkten sind junge Menschen oft einer anderen Meinung als der Papst. Doch man sollte versuchen, gegen den Strom zu schwimmen."
Dem Zeitgeist widersprechen
Menschen, die dem Zeitgeist widersprechen, sich für andere engagieren - das Team von JP II-TV um Agata Karbownik spürt solche Geschichten auf. Der studentische Fernsehkanal an der Päpstlichen Universität in Krakau trägt nicht nur den Namen des großen Polen, sondern produziert auch Sendungen, die die Lehre des Papstes aufgreifen.
"Das Motto der kommenden Weltjugendtage in Krakau lautet 'Selig sind die Barmherzigen'. Wir wollen die Idee der Barmherzigkeit, die dem Papst so wichtig war, in einer modernen Form erklären. Einer der Beiträge zeigt einen 22-jährigen Ukrainer, der in einer Obdachloseneinrichtung das Geschirr spült und einen 40 jährigen Vereinsgründer, der Kindern aus armen Familien ein zweites Zuhause gibt."
Ein Papst, der auf Skiern über schneebedeckte Pisten flitzte, Paddeltouren organisierte und Schauspieler war – an einen solchen Heiligen wendet sich Philipp Maciejewski gerne in seinen Gebeten. Der 22-jährige Geografie-Student aus Berlin mit polnischen Wurzeln sammelt Andenken von 'seinem' Papst und wandelt auf seinen Spuren.
"Wir sind die Wege gelaufen, die er auch gelaufen ist, wir sind an den Orten gewesen, die er geliebt hat. Ich habe ganz viele Bilder von Johannes Paul II. in meinem Zimmer, in verschiedenen Büchern, Religionsheften. Das war damals sehr gefragt, dass man im Religionsunterricht ein Bild von ihm bekommen hat, mit einem Gebet. Er ist so eine Art Vorzeigepapst, er war nicht nur der Theologe, der große Denker, sondern er hat auch uns Jugendliche ganz direkt angesprochen."
"Ein unglaublich charismatischer Mensch"
Philipps Schwester, Ewa, war gerade einmal neun Jahre alt, als der Pontifex starb. Auch sie sog die Liebe zu Karol Wojtyła mit der Muttermilch auf und sieht ihn als ein großes Vorbild:
"Er war ein unglaublich charismatischer Mensch. Ich fand es wichtig, dass er auf die anderen Religionen zugegangen ist, dass er mit dem Dalai Lama so eine große Freundschaft gepflegt hat, dass er in eine Synagoge, in eine Moschee gegangen ist."
Wenn Menschen in ihrer Nähe beim Thema Papst die Nase rümpfen, dann verweist Ewa auf Papst Franziskus. Aber einen stellt die 20-Jährige noch über den Argentinier: Johannes Paul II. – in Polen Namensgeber einer ganzen Generation.