Bye bye, Cassini!
20 Jahre lang hat die "Cassini"-Sonde den Saturn erforscht. Der Job ist getan, die Sonde soll kontrolliert auf den Saturn stürzen. Planetenforscher Ralf Jaumann erfüllt dies mit einer gewissen Wehmut: Am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt leitete er das deutsche Cassini-Team.
Christine Watty: Noch zweimal schlafen, dann bricht mehreren Weltraumforschern ein bisschen das Herz, denn am Freitag verglüht die Weltraumsonde Cassini, nachdem sie 20 Jahre im Einsatz war. So klang ihr Start 1997. Ja, und dann brauchte Cassini sieben Jahre, bis sie schließlich die Umlaufbahn des Saturn erreicht hatte. Und von dort übermittelte Cassini in all den Jahren detaillierte Bilder des Saturn, seiner spektakulären Ringe, die ihn umgeben, und weitere Saturnmonde. Nun also ist ihr Einsatz kurz vor seinem Ende, und einer, der wahrscheinlich auch ziemlich schweren Herzens "Good bye" sagen wird, ist Ralf Jaumann, Abteilungsleiter am Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, der das deutsche Cassini-Team leitete. Hallo, Herr Jaumann!
Ralf Jaumann: Hallo!
Watty: Zum Abschied kommt die Cassini-Familie quasi in den USA zusammen, über 300 Wissenschaftler, die sich mit der Sonde in all den Jahren beschäftigt haben, und vor allem den Ergebnissen, die sie geliefert hat. Auch für Sie ist Cassini Teil Ihres Lebenswerkes. Wie schlimm ist denn diese Zeit gerade für Sie?
Jaumann: Wenn man fast 30 Jahre an so einer Mission arbeitet, dann ist es schon sehr traurig, wenn es jetzt so knall auf Fall an einem Tag, in einer Stunde zu Ende geht. Es ist natürlich ein Roboter, aber es ist völlig klar: Wenn Sie 30 Jahre lang mit der Sache zu tun haben, wenn Sie Ihr Instrument, das Sie da drauf haben, schon kalibriert haben, eingebaut haben, dann – so was wächst Ihnen ans Herz, auch wenn es nur Metall ist.
Watty: Zum großen Finale gehört das gemeinsame Treffen in den USA, aber eben auch ein besonderes Ende für Cassini. Wie wird das denn genau ablaufen?
Cassini wird verglühen
Jaumann: Man wird Cassini sozusagen bei der letzten Durchquerung der Lücke zwischen den Ringen und dem Saturn selbst – das haben wir jetzt 22-mal gemacht –, so nahe an Saturn heransteuern, dass sie durch die Atmosphäre abgebremst wird. Dann bricht sie auseinander, dann verglüht sie, und dann löst sie sich in ihre Atome auf.
Watty: Das heißt also, das Wissenschaftlerteam hilft dabei mit, Cassini verglühen zu lassen. Das hört sich von außen ja fast so ein bisschen brutal an, auch vor allem aus Ihrer Sicht, wenn Sie sagen, der Abschied ist sowieso nicht so einfach.
Jaumann: Das ist richtig. Andererseits ist es natürlich so, dass diese Sonde bis fast zur letzten Sekunde Daten sammelt. Ich glaube, wir werden niemals wieder so nahe an die Saturnatmosphäre herankommen, wie das diesen Freitag passieren wird, und die Daten sind natürlich auch hervorragend, die dann noch zur Erde gesendet werden.
Watty: Jetzt konnten Sie sich, auch wenn es sich für Sie vielleicht im Moment anders anfühlt, natürlich auf diesen großen Abschied vorbereiten, auf dieses große Finale des Einsatzes der Cassini-Sonde. Was war denn für Sie das spannendste Ergebnis dieser Mission?
Jaumann: Da gibt es nicht nur eines, sondern sehr viele Ergebnisse. Aber mit Sicherheit waren spektakuläre Entdeckungen in den Ringen, ein kleines bisschen haben wir gelernt, wie die funktionieren, einzelne Partikel, die sich gegenseitig kontrollieren, kleine Monde, die die Partikel in den Ringen zusammenhalten, sodass die nicht auseinanderdriften oder gar auf den Saturn stürzen. Wir haben den Mond Enceladus gesehen, der riesige Fontänen an Wasser und an Kohlenwasserstoffen in den Weltraum spuckt. Das heißt also, der muss Flüssigkeit, flüssiges Wasser in Ozeanen unter seiner Eiskruste haben. Und wir haben natürlich auf dem Mond Titan durch die dichte Atmosphäre hindurch feststellen können, dass es dort flüssiges Methan gibt, das ist Erdgas, in großen Mengen. Das verdampft, das regnet wieder ab, das fließt über die Oberfläche. Es gibt Flüsse aus Methan, es gibt Seen aus Methan. Material wird kleingemahlen, es entstehen Dünen. Also fast wie auf der Erde, nur natürlich bei -180 Grad Oberflächentemperatur und mit einer Flüssigkeit, die nicht Wasser ist, sondern Erdgas.
Watty: Wie weit sind Sie denn bei all diesen Erkenntnissen mit der Antwort auf die Frage, ob es etwa die Möglichkeit gibt, nach anderem Leben auf anderen Planeten?
Jaumann: Das ist natürlich jetzt genau der Punkt, warum wir Cassini verglühen lassen, denn die zwei Monde, bei denen wir wissen, dass ein Wasserozean unter der Kruste ist, die haben natürlich die Möglichkeit, dass sich dort etwas entwickelt hat. Sicher kein sehr komplexes Leben wie auf der Erde, aber zumindest Anfänge von Leben. Und Cassini kommt ja von der Erde und ist nicht perfekt sterilisiert. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass es mit einem dieser Monde zusammenstößt, ist gegeben, und um das zu vermeiden, schicken wir sie heute in die Saturn-Atmosphäre. Denn wenn wir in 50 oder 80 Jahren mal wieder zurückfliegen und die Ozeane, die wir dort gefunden haben, genauer untersuchen, dann wollen wir natürlich nicht, dass vorher schon Leben von der Erde dort angekommen ist.
Es kommt noch viel Nach-Arbeit
Watty: Das heißt, diese Mission ist jetzt für den Moment beendet. Aber was passiert als Nächstes? Was passiert mit all diesen Ergebnissen und eventuell der Planung einer weiteren Forschung?
Jaumann: Das Erste ist, die Mission ist beendet. Aber wir haben natürlich noch jede Menge Daten, die wir noch gar nicht angeschaut haben. Wir werden also die nächsten Jahre damit beschäftigt sein, diese immense Menge an Messungen auszuwerten. Das Nächste ist, dass man natürlich überlegt, wir haben diese zwei Monde, wir werden sicherlich versuchen, die NASA zu überzeugen und die ESA zu überzeugen, nochmals dort hinzufliegen und auf einem dieser Monde zu landen und genauer nachzuschauen.
Watty: Das heißt, von der großen Cassini-Familie, also all den Wissenschaftlern, die weltweit und dann immer wieder in den USA zusammen diese Forschung betreiben, müssen Sie sich noch nicht verabschieden? Denn ich hatte das Gefühl, dass das auch ein wichtiger Teil dieser Mission ist, wie sehr man zusammengerückt ist in all den Jahren.
Jaumann: Das ist völlig klar. Ich meine, wie wir angefangen haben – ich habe ja vorher gesagt, fast 30 Jahre – wir waren alle junge Wissenschaftler, und jetzt sind wir alle alte Herren geworden. Wir haben gesehen, wie die Kollegen Kinder kriegen, wir haben gesehen, wie die Kinder auch wieder Kinder kriegen. Inzwischen ist der Club, der eigentlich fast noch ledig war, als wir angefangen haben, sind alle schon Großväter.
Watty: Wie werden Sie denn jetzt aber ganz konkret dann am Freitag diesen Abschied von Cassini begehen?
Jaumann: Das findet jetzt erstmal sehr früh in den Morgenstunden statt. Wir werden uns da natürlich treffen, wir werden zuschauen, wir werden sehen, was die Ingenieure machen und ob sie es auch perfekt machen und ob das alles so klappt. Wir werden 90 Minuten später noch mal Daten bekommen, und dann werden sich die einzelnen Teams natürlich an dem Freitagnachmittag und an dem Samstag noch mal zusammensetzen und mal auf die ersten letzten Daten, die wir bekommen haben, drauf schauen. Und dann werden wir wahrscheinlich wieder auseinandergehen, aber nicht das letzte Mal. Wir werden uns sicher dazwischen noch mal sehen.
Watty: Und vorher gespannt schauen, welche Abschiedsbilder denn übermittelt hat.
Jaumann: Völlig richtig. Und die werden, so schätze ich das ein, wunderschön sein.
Watty: Das große Finale naht also. Am 15.9. wird die Weltraumsonde Cassini zum Verglühen gebracht, und Sie haben Ralf Jaumann gehört vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Er leitet sozusagen das Cassini-Team Deutschland.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.