Rainer Hank: "Lob der Macht"

Anerkennung für einen anrüchigen Begriff

Buchcover "Lob der Macht" von Rainer Hank, im Hintergrund Menschen in einer Fußgängerzone
Buchcover "Lob der Macht" von Rainer Hank, im Hintergrund Menschen in einer Fußgängerzo © Verlag Klett-Cotta / imago
Von Carsten Hueck |
In Politik, Wirtschaft und im Alltag: Mit seinem Buch "Lob der Macht" belegt Rainer Hank, dass der Wille zu Einfluss und Durchsetzung allgegenwärtig ist. Mit vielen anschaulichen Beispielen versucht der Wirtschaftsjournalist, einen ambivalenten Begriff zu verteidigen.
Überall stoßen wir auf Macht – in der bevorstehenden Bundestagswahl greifen Parteien nach der Regierungsmacht, nachdem ihre Mitglieder auf Parteitagen zuvor die Machtfrage untereinander geklärt haben. Aber nicht nur in der Politik, auch in der Wirtschaft geht es um Macht, im Berufsleben, auf der Straße und im Kindergarten, in der Familie und in Paarbeziehungen.

Wer setzt sich durch?

Wer hat das Sagen, wer setzt sich durch? Und wie? Alles eine Frage der Macht. Sie ist allgegenwärtig, ob wir wollen oder nicht. Doch klingt das Wort "Macht" oft anrüchig, vor allem, weil man es derzeit spontan mit Unsympathen wie Trump, Putin und Erdogan verbindet.
Macht fasziniert uns und stößt uns ab. Sie ist per se aber nichts "Böses", noch nicht einmal Unsympathisches - so lautet die zentrale These des neuen Buches von Rainer Hank. "Lob der Macht" heißt es und ist gleich für den Deutschen Wirtschaftsbuchpreis nominiert, der nächsten Monat auf der Frankfurter Buchmesse verliehen wird.
Hank, der die Wirtschafts- und Finanzredaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) leitet, ist studierter Literaturwissenschaftler, Philosoph und Theologe. Und so bezieht er seine Beispiele zur Beschreibung des Phänomens Macht eben nicht allein aus der Welt der Wirtschaft und Politik. Es kommen bei ihm auch Historiker, Theologen, Soziologen, Philosophen und Shakespeare zu Wort.

Die Nützlichkeit eines Begriffs

Mit ihrer Hilfe unternimmt es Hank in acht Kapiteln, den Begriff "Macht" zu entdiabolisieren, seine Nützlichkeit nachzuweisen, seine Relativität und Ambivalenz hervorzuheben. Dass der Wille zur Macht eine anthropologische Konstante sei, belegt er mit den Untersuchungsergebnissen des Verhaltensforschers Frans de Waal: Macht ist Trieb, sie wird erkämpft, bei Schimpansen und Menschen.
Und auch die Strukturen, in denen Macht sich öffentlich präsentiert, haben sich im Lauf der Zeit kaum verändert: die feierlichen Rituale, innerhalb derer so unterschiedliche Zeitgenossen wie zum Beispiel Kaiser Karl IV. und Donald Trump ihre Ämter übernehmen, ähneln sich augenfällig.

Die Macht der Ohnmächtigen

Hanks Buch ist eine Verteidigung der Macht. "Der Wille zur Macht ist Leistungsansporn und Lustgewinn." Macht sei gut, unterstreicht der Autor, solange sie bestreitbar bleibe. Dadurch würde sie produktiv, fördere Konkurrenz und Wettbewerb. Macht, so führt Hank aus, indem er das Hegelsche Herr-Knecht-Verhältnis zitiert, werde ja verliehen. Auch der Mächtige sei abhängig und so die soziale Ordnung veränderbar.
Gewerkschaften und Arbeitgeber handeln immer neue Lohn-und Arbeitsbedingungen aus. Selbst "Ohnmächtige", erläutert Hank am Beispiel von Entwicklungshilfeempfängern und Alleinerziehenden, seien mächtig. Mithilfe der Moral können sie Mächtige unter Druck setzen und ihre Lebensbedingungen verbessern.

Warnung vor Monopolen

Vor Monopolen der Macht allerdings warnt der liberale Autor ausdrücklich. Sie brächten gesellschaftlichen Stillstand, Intoleranz und Unterdrückung hervor.
"Lob der Macht" will eine Streitschrift sein - das erklärt die Neigung des Autors zu oftmals plakativen Formulierungen. Gewinnbringend ist das Buch für denjenigen, der sich - ohne Gefahr der Verstrickung in philosophische Auseinandersetzungen - mit Erscheinungsformen und Mechanismen der Macht vertraut machen will. Hank ist weniger an einer Theorie der Macht interessiert.
Er arbeitet vor allem mit anschaulichen Beispielen aus dem Alltag. Machtkämpfe bei Siemens, der Absturz des Top-Managers Thomas Middelhoff, die Machtausdehnung der Internetkonzerne oder die Selbstüberschätzung des Kanzlerkandidaten Schulz stehen im Mittelpunkt seines kritischen Interesses.
Und so erweist sich "Lob der Macht" trotz gelegentlicher Wiederholungen als anregende Einführung ins Thema.

Rainer Hank: "Lob der Macht"
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2017
270 Seiten, 20 Euro

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