Rebecca Solnit: "Die Mutter aller Fragen"
Aus dem Englischen von Kirsten Riesselmann
Tempo bei Hoffmann & Campe, Hamburg 2017
320 Seiten, 20 Euro
Frauen, ergreift das Wort!
Ihr Buch "Wenn Männer mir die Welt erklären" sorgte weltweit für Furore. In ihren neuen Essays setzt Rebecca Solnit ebenso scharfsichtig wie humorvoll ihre Erkundung der heutigen Geschlechterverhältnisse fort. Ein wichtiges, Mut machendes Buch aus dezidiert feministischer Perspektive.
Feminismus ist derzeit wieder angesagt: Bilder berühmter Opfer sexueller Gewalt sorgen für Aufsehen und – nicht ohne einen gewissen Voyeurismus – für Auflagen.
Die US-amerikanische Publizistin und erklärte Feministin Rebecca Solnit gehört zu denen, die sich schon lange vor dem großen MeToo-Aufruhr zu Wort gemeldet haben, um das Schweigen zur sexualisierten Gewalt gegen Frauen zu brechen.
Furore gemacht hat sie zuletzt mit ihrem Buch von 2014 "Men Explain Things To Me" - "Wenn Männer mir die Welt erklären" –, das zu dem feministischen Schlagwort "Mansplaining" verdichtet wurde.
In Solnits aktuellen Essayband sind zwölf Essays und Zeitungsartikel aus den letzten drei Jahren versammelt – von durchaus unterschiedlicher Relevanz für ein hiesiges Publikum, da manche rein amerikanische Ereignisse kommentieren.
Interessant sind allemal die Artikel, in denen sich die Anfänge der MeToo-Anklagen abbilden. In einem davon – geschrieben Ende 2014 – rekapituliert und kommentiert Solnit unter anderem ausführlich den Fall Bill Cosby; ein weiterer Text aus dem selben Jahr konstatiert mit Genugtuung die öffentliche Parteinahme von Männern für die Opfer – und kommentiert spöttisch die männliche Besorgnis um womöglich falsche Anklagen.
Furore gemacht hat sie zuletzt mit ihrem Buch von 2014 "Men Explain Things To Me" - "Wenn Männer mir die Welt erklären" –, das zu dem feministischen Schlagwort "Mansplaining" verdichtet wurde.
In Solnits aktuellen Essayband sind zwölf Essays und Zeitungsartikel aus den letzten drei Jahren versammelt – von durchaus unterschiedlicher Relevanz für ein hiesiges Publikum, da manche rein amerikanische Ereignisse kommentieren.
Interessant sind allemal die Artikel, in denen sich die Anfänge der MeToo-Anklagen abbilden. In einem davon – geschrieben Ende 2014 – rekapituliert und kommentiert Solnit unter anderem ausführlich den Fall Bill Cosby; ein weiterer Text aus dem selben Jahr konstatiert mit Genugtuung die öffentliche Parteinahme von Männern für die Opfer – und kommentiert spöttisch die männliche Besorgnis um womöglich falsche Anklagen.
Ein Akt der Befreiung, das Wort zu ergreifen
Der große Aufruhr um Harvey Weinstein brach erst los, als das Buch bereits erschienen war. Deshalb nimmt sich Solnits "Kurze Geschichte des Schweigens", das Herzstück dieses Bandes, angesichts der Hitzigkeit des aktuellen MeToo-Hypes wohltuend kühl aus. Die Autorin nimmt darin verschiedene Arten des Schweigens in den Blick: weibliches, männliches, verzweifeltes, opportunistisches, angepasstes. Sie ist überzeugt, dass es stets ein Akt der Befreiung sei, das Wort zu ergreifen. Die Welt verändere sich durch die Geschichten, die wir erzählen.
Konsequenterweise kritisiert sie an anderer Stelle – etwa in der Polemik "80 Bücher, die keine Frau lesen sollte" – mit der ihr eigenen Rigorosität den männerdominierten (angelsächsischen) Literaturkanon.
Konsequenterweise kritisiert sie an anderer Stelle – etwa in der Polemik "80 Bücher, die keine Frau lesen sollte" – mit der ihr eigenen Rigorosität den männerdominierten (angelsächsischen) Literaturkanon.
Kinder kriegen als Definition eines gelungenen Frauenlebens
Neben der Abhandlung über das Schweigen ist der interessanteste Text der titelgebende, der sich mit dem Thema Mutterschaft auseinandersetzt. Kinder zu haben sei, so Solnit, noch immer gängige Vorstellung von einem gelingenden Frauenleben. Irritiert berichtet sie von einer Diskussion über Virginia Woolf, die sich hartnäckig darum drehte, ob die große Schriftstellerin nicht doch hätte Mutter werden sollen.
Auch sie selbst, berichtet Solnit, sei im öffentlichen Gespräch gefragt worden, warum sie denn keine Kinder habe. Die darin kaum verborgene Unterstellung einer misslungenen Existenz kontert sie in ihrem Essay mit der Gegenfrage: Ob Glück, zumal nach einer Standarddefinition, wie es in unserem von "einer Art Poppsychologie" durchdrungenen kulturellen Umfeld obsessiv gesucht wird, wirklich die richtige Orientierung sei. Sie stellt stattdessen andere Fragen in den Raum: Wofür steht dein Leben? Lebst du gemäß deiner Prinzipien?
Vor Grundsätzlichem hat sich die streitbare Publizistin noch nie gefürchtet. Und darin besteht die größte Qualität dieser Essays: In einer Radikalität, die der Autorin und den Leser*innen kein Ausweichen gestattet, weder ins Allgemeine noch ins Private.
Vor Grundsätzlichem hat sich die streitbare Publizistin noch nie gefürchtet. Und darin besteht die größte Qualität dieser Essays: In einer Radikalität, die der Autorin und den Leser*innen kein Ausweichen gestattet, weder ins Allgemeine noch ins Private.