Eine Ohrfeige für friedliche Anti-G20-Demonstranten
Die Gleichsetzung von linkem Protest und linker Gewalt findet bereits in zu vielen Medien statt, kommentiert Musikredakteur Dirk Schneider. Dass Justizminister Heiko Maas nun öffentlich über Konzerte unter dem Titel "Rock gegen links" nachdenkt, offenbare eine erschreckende Erkenntnis.
Über 70.000 Menschen haben vergangenen Samstag in Hamburg friedlich gegen den G20-Gipfel demonstriert – und gegen die Politik, die dort verhandelt und untermauert wurde. Wenn der deutsche Justizminister Heiko Maas nach den schweren Ausschreitungen, die in der Stadt am Wochenende stattgefunden haben, nun öffentlich über Konzerte unter dem Titel "Rock gegen links" nachdenkt, ist das eine Ohrfeige an jede und jeden einzelnen von ihnen.
Die Gleichsetzung von linkem Protest und linker Gewalt, die bereits in zu vielen Medien stattfindet, wird nun ausgerechnet von Heiko Maas, der irgendwo in seinem Büro doch eine Justitia mit Waage und Schwert stehen haben sollte, zusätzlich befeuert – und auf die Spitze getrieben.
Ein Twitter-Nutzer kommentierte bereits ganz richtig: "Lieber Heiko Maas: 'Rock gegen Links' gibt es bereits. Das ist ein Song der Band Freikorps. Und die sind übrigens rechtsextrem." Und wer sonst sollte bei einem solchen Konzert auftreten? Ein Twitter-Account "Rock gegen links" wurde auch schon angemeldet, und schlägt schon mal das Line-up vor: Xavier Naidoo, Frei.Wild, Böhse Onkelz.
Nun war die Formulierung "Rock gegen links" nicht Maas' Idee. Sie wurde, laut Medienportal Meedia, ihm von der Moderatorin des "Bild.de"-Talkformats "Die richtigen Fragen" vorgegeben. Maas hat sie unvorsichtigerweise aufgenommen und damit einen Shitstorm losgetreten, über den sich die "Bild" nun freuen dürfte.
Doch eines zeigt die Äußerung von Maas, und das ist erschreckend genug: Dass er als deutscher Justizminister offenbar noch nie etwas gehört hat von den rechtsextremen Rockfestivals, die auch diesen Sommer wieder in Deutschland stattfinden, mit Titeln wie "Rock für Deutschland", "Rock gegen Überfremdung", "Rock für Identität". Es gibt sie zuhauf, diese "Rock gegen Links"-Festivals. Aber wer weiß schon davon, außer eingeweihten Rechten und ein paar linken Aktivisten? Wahlkampf lässt sich mit anderen Themen besser machen.