Arbeiten in der Warteschleife
In der Gastronomie, aber auch in anderen Branchen steigen Menschen mit befristeten Verträgen in den Beruf ein. Was macht das mit einem? Zwei Betroffene berichten über Unsicherheit im Job und die Folgen für Privatleben, übers Vertröstetwerden und Selbstdisziplinierung.
"Ich arbeite im Schichtbetrieb, hab Spät- Früh- und Nachtschicht und seit ich im Dreischichtbetrieb arbeite, ist es schon eine Herausforderung. Das merkt man schon. Es gibt keinen Schlafrhythmus, das ist eine ziemliche Belastung nach einer Zeit. Die Schritte sind immer dieselben, Proben nehmen, viel umbauen, begutachten, ob das alles richtig läuft."
Trotz Schichtdienst, die Brauerei bleibt für die junge Frau ein Traumberuf. Ihre Ausbildung zur Brauerin und Mälzerin hat sie mit der Note "gut" abgeschlossen. Dann aber begannen die Probleme:
"Dann kam es halt zum Thema Übernahme. Und irgendwann kam dann: 'Ja, gut sie werden übernommen. Aber erst mal nur für ein halbes Jahr.' Besser als gar nichts, aber ein halbes Jahr ist halt keine Sicherheit. Ich bin immer wieder zu meinem Vorgesetzten gegangen, bin zu dem Meister gegangen, hab Vorarbeiter gefragt, ob die irgendwas wissen. Es kam immer nur. 'Ja, mmh, wir müssen gucken'."
Sicherheit Fehlanzeige
Beschäftigte, die mit einem befristeten Arbeitsvertrag tätig sind, besitzen einen geringeren Status: Es ist ungesichert, ob das Einkommen jenseits des festgelegten Zeitrahmens weiterfließt. Das bedeutet Einschränkungen im Alltag:
"Ich hatte mir überlegt, ein Auto zu kaufen – das kann man nicht machen, wenn ich mir einen Neuwagen kaufen möchte, würde ich den niemals bekommen, weil ich einfach die Sicherheit nicht hab, dass ich dauerhaft mein Gehalt bekomme. Oder ob ich eine neue Wohnung haben möchte – das kann man sich nicht frei aussuchen, wenn man die Sicherheit nachweisen muss und man hat die mit einem befristeten Arbeitsvertrag leider nicht. Ich hatte überlegt umzuziehen – aber die Überlegung ist dann im Sande verlaufen, durch die Befristung."
Die Brauerin hatte das Gefühl, vom Arbeitgeber unter Druck gesetzt zu werden. In ihrem Unternehmen eine alltägliche Praxis:
"Neunzig Prozent der Neueinstellungen werden sachgrundlos befristet eingestellt, wenn nicht sogar mehr als neunzig Prozent. Klar. Ein Kollege wurde mehrere Jahre immer wieder verlängert, mit sachgrundlosen Befristungen."
Bis zu fünf Jahre in Befristungen
Solche Kettenbefristungen sind bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Unter bestimmten Voraussetzungen noch länger: bei neu gegründeten Unternehmen bis zu vier Jahren, bei Arbeitnehmern über 52, die zuvor mindestens 4 Monate arbeitslos waren sogar bis zu fünf Jahren.
Diese Kettenbefristung ist der Brauerin erspart geblieben, heute arbeitet sie mit einem Arbeitsvertrag ohne Befristung. Eine aktuelle Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung spricht von rund 40 Prozent Übernahmen, allerdings bezogen auf alle Formen befristeter Verträge.
Nach Schätzungen der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten beträgt der Anteil der sachgrundlos unbefristeten Verträge in Bereichen der Systemgastronomie und Hotellerie rund 80 Prozent. Das in einer Branche, wo insgesamt harte Arbeitsbedingungen herrschen. Ein Beschäftigter berichtet:
"Ich arbeite in der Systemgastronomie, das ist ein Filialbetrieb, wo man hauptsächlich Kaffee und Kuchen verkauft. Wir haben sehr viel mit Kundenservice zu tun, wir haben Schichtbetrieb, drei Schichten, meistens bis spät in der Nacht. Da ist immer was zu tun. Das ist ein richtig intensiver Job und ein sehr stressiger Job, es gibt viele Stoßzeiten. Es ist Fließbandarbeit, auf jeden Fall. Besonders in großen Filialen, an Hotspots. Das ist eine doppelte Belastung, Schnelligkeit und perfekt arbeiten."
Toleranzschwelle hoch
Der Mitarbeiter berichtet von Betrieben, die extrem kurze Zeiten zwischen den Schichten haben: Beschäftigte gehen von der Spätschicht in die Frühschicht, müssen zehn oder mehr Tage durcharbeiten, bevor sie frei bekommen.
Diese harten Arbeitsbedingungen werden von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bewältigt, die mit unbefristeten Verträgen arbeiten:
Diese harten Arbeitsbedingungen werden von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bewältigt, die mit unbefristeten Verträgen arbeiten:
"Wir haben damit regelmäßig zu tun, also die überwiegende Mehrzahl der Neueinstellungen bei uns ist befristet. Also, in der Regel kriegt der neue Mitarbeiter einen Einjahresvertrag. Nach dem Ende der zwölfmonatigen Frist kriegt er noch einen Vertrag für zwölf Monate. Und dann schaut der Arbeitgeber, ob es überhaupt zu einer unbefristeten Beschäftigung kommt oder nicht. Und das ist bei uns Standard. Ich kenne niemanden, der in den letzten Jahren, direkt mit einer normalen Probezeit eingestellt wurde. Und dann direkt unbefristet wurde. Das wird voll ausgeschöpft."
Verstetigung des Bewerbungsdrucks
Der Mitarbeiter glaubt, dass das Unternehmen von diesen ungesicherten Beschäftigungsverhältnissen profitiert. Im Gegensatz zu den Beschäftigten:
"Ein extremer innerer Druck, mehr zu leisten, um sozusagen zu zeigen, ja, ich mache den Job gut, und das ist wie eine Bewerbung, ich bewerbe mich weiterhin intern für die Stelle, obwohl man eingestellt ist. Man hat diesen Druck immer mehr zu leisten, besser zu sein, man muss immer motivierter sein, das geht bis hin dass viele Kollegen krank in die Arbeit kommen, sie können es sich sozusagen nicht leisten, zu Hause zu bleiben, wenn sie krank sind. Das kann bis zu zwei Jahren gehen, dass die Leute nicht zur Ruhe kommen."
Die Brauerin und der Gastronomiemitarbeiter fordern deshalb das Ende der sachgrundlosen Befristung. Annelie Buntenbach, Mitglied des Vorstandes des DGB, will die Abschaffung noch aus anderen Gründen:
"Wer befristet beschäftigt ist, hat geringere Löhne zu erwarten, schlechtere Arbeitsbedingungen, höheres Risiko gekündigt zu werden, arbeitslos zu werden. Und viele, die befristet beschäftigt sind, trauen sich auch nicht sich in Konflikte mit ihrem Arbeitgeber einzulassen, selbst wenn das dringend nötig wäre, weil sie dann fürchten, dass sie gleich als nächstes auf der Straße stehen."
DGB: Andere Flexibilisierungsinstrumente
Die sachgrundlose Befristung hat für Annelie Buntenbach auch deshalb keine Berechtigung, weil es andere Instrumente der flexiblen Arbeitsgestaltung gebe:
"Wenn es einen sachlichen Grund gibt, diese Stelle zu befristen, dann kann das Unternehmen diesen sachlichen Grund ja auch auf den Tisch legen. Wenn es um einen Krankheitsvertretung geht zum Beispiel, aber in dem Moment, wo der Vertrag ohne sachlichen Grund befristet wird, ist das Ergebnis lediglich, dass man nicht nur ein halbes Jahr Probezeit hat, sondern vielleicht zwei Jahre Probezeit. Und das, finde ich, heißt, die Interessen und die Zukunftsperspektive von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu beschränken."