"An die Grenze zu gehen, das war immer schon meins"
Jan Faktor ist ein genauer Beobachter. Der tschechisch-deutsche Schriftsteller seziert den Alltag und die Sprache selbst. Als kreativer Wortschöpfer bildet oder verdreht er lustvoll Wörter, die später in seinen Werken Widerhall finden.
Inspiration findet Jan Faktor in einem rückläufigen Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. Anders als in einem herkömmlichen Wörterbuch sind dort die Wörter in der alphabetischen Reihenfolge ihrer Endbuchstaben sortiert. Eines seiner momentanen Lieblingswörter ist Parallelepiped.
"Das ist ein Parallelogramm. Ein geometrischer Körper. Es spielt in dem Wörterbuch eine große Rolle – für mich jedenfalls."
Aus der Beschäftigung mit dem Wörterbuch sind eigene Texte entstanden. Einer davon, in den 1980er-Jahren veröffentlicht, heißt "Georgs Sorgen um die Zukunft". Dieser Text inspirierte den Autor wiederum, 2010 ein Buch mit dem Titel "Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder Im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag" zu schreiben.
"Das ist ein Parallelogramm. Ein geometrischer Körper. Es spielt in dem Wörterbuch eine große Rolle – für mich jedenfalls."
Aus der Beschäftigung mit dem Wörterbuch sind eigene Texte entstanden. Einer davon, in den 1980er-Jahren veröffentlicht, heißt "Georgs Sorgen um die Zukunft". Dieser Text inspirierte den Autor wiederum, 2010 ein Buch mit dem Titel "Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder Im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag" zu schreiben.
Im Elternhaus wurde auch deutsch gesprochen
Jan Faktor ist 1951 in Prag geboren, wo er auch aufgewachsen ist. In seinem Elternhaus wurde viel deutsch gesprochen. Dennoch lernte er die Sprache erst, als er 1978 in die DDR nach Ostberlin emigrierte.
"Ich war einer, der die Sprache erst lernen musste. Dann habe ich eben Wörterbücher studiert oder Grammatikbücher und aus diesen fertigen Texten habe ich was völlig Neues gebaut. Ich habe Wortspiele entdeckt im Deutschen, die die Deutschen nicht gesehen haben."
Seine Eltern trennten sich früh, weshalb er allein mit seiner Mutter, seiner Großmutter und zwei Cousinen aufwuchs. Es wurde viel gelacht, erinnert sich der Schriftsteller. Auch über Momente der jüdischen Familiengeschichte, die eigentlich eher zum Weinen sind.
"Die Frauen hatten Humor. Auch über die KZs. In ihren Erzählungen waren die KZs ein bisschen wie Ferienlager."
Den Vater besuchte er an den Wochenenden. Damit verbindet Faktor schreckliche Erinnerungen, die er in seinem Roman "Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder Im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag" verarbeitet hat.
"Beim Schreiben des Kapitels über den Vater habe ich geglüht. Das war das schlimmste Erlebnis meiner Kindheit. Bei ihm in der Plattenbausiedlung. Alles hat geklebt … Mein Vater ein Früchtchen in einer fruchtigen Blase."
"Ich war einer, der die Sprache erst lernen musste. Dann habe ich eben Wörterbücher studiert oder Grammatikbücher und aus diesen fertigen Texten habe ich was völlig Neues gebaut. Ich habe Wortspiele entdeckt im Deutschen, die die Deutschen nicht gesehen haben."
Seine Eltern trennten sich früh, weshalb er allein mit seiner Mutter, seiner Großmutter und zwei Cousinen aufwuchs. Es wurde viel gelacht, erinnert sich der Schriftsteller. Auch über Momente der jüdischen Familiengeschichte, die eigentlich eher zum Weinen sind.
"Die Frauen hatten Humor. Auch über die KZs. In ihren Erzählungen waren die KZs ein bisschen wie Ferienlager."
Den Vater besuchte er an den Wochenenden. Damit verbindet Faktor schreckliche Erinnerungen, die er in seinem Roman "Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder Im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag" verarbeitet hat.
"Beim Schreiben des Kapitels über den Vater habe ich geglüht. Das war das schlimmste Erlebnis meiner Kindheit. Bei ihm in der Plattenbausiedlung. Alles hat geklebt … Mein Vater ein Früchtchen in einer fruchtigen Blase."
Programmierer, Schlosser, Schriftsteller
1977 heiratete Faktor Annette Simon, eine Tochter der Schriftstellerin Christa Wolf. In Ostberlin arbeitete der gelernte Programmierer u.a. als Schlosser. Parallel dazu bewegte er sich in der literarischen Untergrundszene der DDR.
"Für mich war klar, ich schreibe, aber ich werde nicht publizieren. Das Schreiben hing nie mit Geld zusammen und nie mit der Aussicht, in der DDR zu publizieren. Es gab Zeitschriften und Lesungen in Wohnungen. Mehr Öffentlichkeit gab es nicht."
Im Vergleich zur Lebenssituation in Tschechien fühlte sich Faktor recht frei in Ostberlin. Heute weiß er, dass es auch in seinen Schriftstellerkreisen Stasi-Spitzel gab. Zu seiner Erleichterung war er mit diesen aber nie eng befreundet.
"Vor allem dachte man, die Stasi ist überall, aber nicht so nah dran. Das war naiv."
Neben dem Schreiben hat Jan Faktor eine weitere Leidenschaft: das Bergsteigen. Als junger Mann lebte er einige Zeit in der Hohen Tatra in der Slowakei. Dort arbeitete er als Fremdenführer.
"Ich strenge mich gerne an. Richtig an die Grenze gehen, das war immer schon meins."
"Für mich war klar, ich schreibe, aber ich werde nicht publizieren. Das Schreiben hing nie mit Geld zusammen und nie mit der Aussicht, in der DDR zu publizieren. Es gab Zeitschriften und Lesungen in Wohnungen. Mehr Öffentlichkeit gab es nicht."
Im Vergleich zur Lebenssituation in Tschechien fühlte sich Faktor recht frei in Ostberlin. Heute weiß er, dass es auch in seinen Schriftstellerkreisen Stasi-Spitzel gab. Zu seiner Erleichterung war er mit diesen aber nie eng befreundet.
"Vor allem dachte man, die Stasi ist überall, aber nicht so nah dran. Das war naiv."
Neben dem Schreiben hat Jan Faktor eine weitere Leidenschaft: das Bergsteigen. Als junger Mann lebte er einige Zeit in der Hohen Tatra in der Slowakei. Dort arbeitete er als Fremdenführer.
"Ich strenge mich gerne an. Richtig an die Grenze gehen, das war immer schon meins."