Bürgerschreck oder rechter Stimmungsmacher?
Thor Kunkel sei ein kreativer Erzähler mit einer unglaublichen Sprachmacht, sagt die "Spiegel"-Autorin Melanie Amann. Das dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in seinen Romanen auch immer rechte Botschaften mitschwingen würden.
Joachim Scholl: Der Schriftsteller Thor Kunkel, Jahrgang 1963, galt einst als "hottest young German novelist", als heißester junger Romancier, wie der britische "Guardian" anerkennend schrieb, nach Thor Kunkels Debütroman aus dem Jahr 2000. Auch die deutsche Kritik war hin und weg vom Beschreibungs-Furor dieses Autors. Dann drehte sich allerdings schlagartig der Wind, mit dem Roman "Endstufe", der ein ziemlich pornographisches Nazi-Deutschland zeigte – ab jetzt war Thor Kunkel "Skandal-Autor", und der Verdacht stark rechtsdrehender Tendenzen hat sich im letzten Jahr bestätigt, da stieg Thor Kunkel nämlich auch, Inhaber einer Werbe-Agentur, als PR-Manager der AfD in den Ring. – In diesen Tagen kommt nun ein neuer Film von Oskar Roehler in die Kinos, "Herrliche Zeiten", die Verfilmung des jüngsten Thor-Kunkel-Romans ausgerechnet. Darauf angesprochen, hat Oskar Roehler in unserem Programm gesagt:
Oskar Roehler: Ich weiß, dass der Ansatz des Buchs damals von Thor tatsächlich der war, diese prekären Arbeitsverhältnisse darzustellen, dass unzählige Leute ins Land gelassen werden, und dass es einen riesigen Markt an illegaler kompletter Ausbeutung von Menschen gibt. Und dass das eigentlich symptomatisch ist für den Spätkapitalismus. Ob die Kritik jetzt von rechts oder von links kam, finde ich, ist aus dem Roman in überhaupt keiner Weise rauszulesen, und es stimmt auch überhaupt nicht, dass der Thor dem in irgendeiner Form was zugrunde legt, was damit zu tun hat, dass die, weil sie jetzt im Garten sind, die Herrschaft übernehmen. Es geht auch in dem Roman in keiner Minute darum. Es ist eine böswillige Unterstellung, die meiner Meinung nach vollkommen falsch ist.
Scholl: Der Regisseur Oskar Roehler über Thor Kunkel und dessen Roman "Subs", jetzt im Kino. Hier bei uns im Studio von Deutschlandfunk Kultur ist jetzt Melanie Amann. Sie hat Thor Kunkel im vergangenen Jahr für den "Spiegel" porträtiert im Rahmen seines AfD-Engagements. Guten Morgen, Frau Amann!
Thor Kunkel passt sehr gut zur AfD
Melanie Amann: Guten Morgen!
Scholl: Oskar Roehler sieht Thor Kunkel als wenig verdächtig an. Was würden Sie drauf antworten?
Amann: Ich würde sagen, dass Thor Kunkel schon sehr gut zur AfD passt von seinen politischen Ansichten her, und dass man in dem Roman, der ja jetzt verfilmt wurde, in "Subs", viele Botschaften findet, die auch die AfD vertritt.
Scholl: Haben wir mit Thor Kunkel einen richtig schön rechten Schriftsteller?
Amann: Ich würde sagen, er ist ein rechter Schriftsteller. Es spricht erst mal nichts dagegen, politisch rechte Ansichten zu haben, aber dann sollte man auch dazu stehen, finde ich, wenn man sie eben hat.
Scholl: In Ihrem Porträt formulieren Sie, Frau Amann, dass Kunkel zwischendurch so auf Sie gewirkt habe wie ein "NPD-Mann auf Speed". Hübsches Bild. Wie würden Sie es ausmalen für uns?
Amann: Man muss sich Kunkel vorstellen als einen sehr charismatischen Menschen. Er ist ja ein Werber. Er weiß also nicht nur, wie man Produkte verkauft, sondern auch, wie man sich selbst verkauft. Er hat eine sehr gewinnende, lässige Art, wenn man so will. Und dann, immer wieder, stockt einem der Atem, wenn dann auf einmal Sätze kommen wie, dass eben Deutschland "umgevolkt" werden soll, dass eben fremde Völker hier installiert werden sollen, um die Deutschen abzuschaffen. Man hört dann da schon die Kernbotschaften des teilweise rechtsextremen Milieus aus seinen Botschaften raus, wenn er irgendwie sagt, der ehemalige Justizminister Heiko Maas will die Meinungsfreiheit in Deutschland abschaffen und so weiter. Also lauter AfD-Leitmotive, die dann auf einen einprasseln. Und da kann er in den Diskussionen auch schon sehr unangenehm werden und sehr direkt.
Scholl: Gut, wenn man jetzt diese Sympathien für den neuen Rechten für die neue Rechte offenkundig in seinem Benehmen und seinen Reden identifizieren kann – man schaut sich jetzt ja auch die Romane noch mal genauer an –, haben sich da diese Tendenzen schon abgezeichnet?
Amann: Mein Eindruck ist, dass sich das schon länger abgezeichnet hat. Es begann schon in seinem Debut, "Das Schwarzlicht-Terrarium", wo beispielsweise ein schwarzer GI irgendwie auch darüber sinniert, dass die Deutschen ja nach dem Zweiten Weltkrieg da völlig "enteiert" quasi worden seien oder ihnen irgendwie die Vergangenheit weggenommen worden sei und der Nationalstolz und so weiter. Es zieht sich dann vor allem eben durch das Buch "Endstufe". Das ist ja dieser Skandalroman, der auch Kunkel ein bisschen sein Renommee als Autor gekostet hat, wo die Nazizeit so verharmlost als so eine Art Sex- und Technologiephase, so ein bedauerlicher Irrtum, bei dem aber auch die Deutschen Opfer geworden seien, so eine Mixtur aus Geschichtsklitterung und Technikgläubigkeit. Und eben jetzt kam das dann auch in "Subs" wieder vor. Man findet, finde ich, in vielen Werken diese Botschaften.
Kunkels Botschaft schwingt immer mit
Scholl: Nun darf und soll man aber in der Literatur eigentlich alles sagen dürfen. Und wenn eine Romanfigur den Holocaust verharmlost, muss das noch gar nichts heißen im Kontext eines Romans. Kunkel wurde anfangs ja auch gefeiert für seine erzählerische Härte und für seine Direktheit. Jetzt heißt es, ja, hätte man schon ahnen können, was für ein Geist sich dahinter verbirgt. Ist das nicht auch ein ästhetisches Dilemma, in dem man da steckt?
Amann: Das ist es. Und ich muss sagen, mir haben diese Romane schon bei gelegentlichem Stocken und Staunen Spaß gemacht, sie zu lesen. Er hat eine unglaubliche Sprachkraft, er ist wirklich ein sehr kreativer Erzähler. Ich fand diese Romane unterhaltsam, ich habe teilweise gelacht. Ich fand auch bei "Endstufe", passagenweise las es sich wirklich wie ein Thriller. Es war wirklich fesselnd, packend, und da finde ich, zeigt Kunkel schon auch sehr große schriftstellerische Qualitäten. Ich bin jetzt keine Literaturexpertin, sondern politische Journalistin, aber eben diese politische Botschaft schwingt trotzdem immer mit, und da, denke ich, muss sich jeder Verlag dann fragen, will ich so etwas veröffentlichen oder nicht. Aber das ist letztlich der freie Markt. Muss jeder Verleger wissen, ob er das machen will.
Scholl: Melanie Amann über Thor Kunkel, den Schriftsteller, der jetzt auch politisch Skandal macht. Ich danke Ihnen, Frau Amann!
Amann: Gern!
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