Serie: "Ferne Welten" - außerirdisches Leben

Wege zu anderen Zivilisationen zu "gigantisch"

Drew Barrymore (l) als "Gertie" und der Außerirdische "E.T." in einer Szene des gleichnamigen Fantasy-Films von Steven Spielberg
Drew Barrymore (l.) und die Filmfigur "E.T." sind sich in dieser Szene ganz nah - anders sieht es aber im richtigen Leben aus, wenn es um Leben außerhalb unserer Erde geht, meint Ex-Astronaut Ulrich Walter. © dpa picture alliance
Ulrich Walter im Gespräch mit Dieter Kassel |
Gibt es irgendwo da draußen im Weltraum fremde Zivilisationen? Diese Frage beantwortet der ehemalige Wissenschafts-Astronaut und Bestseller-Autor Ulrich Walter ganz klar mit Ja. Das Problem ist nur: Wir kommen nicht hin - und die anderen auch nicht zu uns.
Auf die zentrale Frage, ob wir allein im Universum sind, sagte der Physiker und Nobelpreisträger Enrico Fermi: "Wenn es Außerirdische gibt, wo sind sie?" Ulrich Walter, Ex-Wissenschafts-Astronaut, Diplomphysiker, Lehrstuhlinhaber für Raumfahrttechnik an der TU München und Bestseller-Autor ("Im schwarzen Loch ist der Teufel los") kann diese Frage beantworten: Sie sind ganz weit weg.
Warum es grundsätzlich außerirdisches Leben geben muss, begründete Walter im Deutschlandfunk Kultur so:
"Eigentlich wissen wir das. Denn wenn wir diese Frage auf das gesamte Universum beziehen, und wir wissen inzwischen seit dem Jahr 2000, dass es praktisch unendlich groß ist, dann verlangt die Logik, dass wir existieren - dass es also einmal passiert ist im gesamten Universum, dass es immer und überall noch mal passiert ist. Weil nämlich jede noch so kleine Wahrscheinlichkeit mit Unendlich multipliziert eine Zahl größer als eins ergibt."

Distanzen, die wir niemals überwinden werden

Aber - und hier muss Walter alle E.T.-Fans umgehend schwer enttäuschen - das sei eigentlich für die Menschheit "irrelevant". Denn:
"In unserer Milchstraße sind wir wahrscheinlich die Einzigen."
Zugleich seien die Wege zu anderen Zivilisationen so "gigantisch", dass eine Reise dorthin völlig unmöglich sei. Selbst Licht brauche für die Überwindung solcher Distanzen viele hundert Millionen Jahre. Und da nichts schneller als Lichtgeschwindigkeit fliegen könne, sei die Überbrückung der Entfernung weder zeitlich noch energetisch machbar:
"Man bräuchte wirklich die Energien von ganzen Galaxien, um solche Reisen zu unternehmen."
(ahe)

Eine längere Version des Interviews mit Ulrich Walter können Sie hier hören:
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Dieter Kassel: Zehn Tage verbrachte der deutsche Wissenschaftsastronaut Ulrich Walter 1993 im Weltall, und nach seiner Rückkehr schrieb er unter anderem mehrere Bücher, darunter auch "Zivilisationen im All. Sind wir allein im Universum?" und zuletzt, im vergangenen Jahr "Im schwarzen Loch ist der Teufel los". Seit 2003 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München, und ich habe vor der Sendung im Rahmen unserer Sommerreihe "Ferne Welten" mit Ulrich Walter gesprochen, und ich habe ihn zunächst einmal gefragt, ob seine Antworten auf die Frage, ob es tatsächlich außerirdisches Leben gibt und wie es denn aussehen könnte, eher geprägt sind von seinen Erfahrungen im Weltall oder seiner wissenschaftlichen Arbeit auf der Erde.
Ulrich Walter: Ich habe mich immer schon für solche Fragen interessiert. Ich bin naturphilosophisch orientiert, das heißt, ich interessiere mich für uralte Fragen, die sich bereits die Griechen gestellt haben. Und wenn Sie damals zurückgehen, dann sehen Sie: Bereits Platon und all diese allerersten Vorsokratiker, so nennen sich diese Philosophen, haben sich diese Fragen gestellt. Selbst Giordano Bruno wurde ja im Mittelalter dafür auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil er sich Gedanken darüber gemacht hat. Sie sehen also, die Menschheit hat sich mit dieser Frage immer beschäftigt, und so auch ich. Sie wurde allerdings verstärkt durch meinen Aufenthalt im Weltraum, weil man tatsächlich einen generellen Blick auf die Erde bekommt und damit genereller denkt. Und auch die Öffentlichkeit hat mich mehr und mehr mit solchen Fragen bombardiert
Dieter Kassel: Ist es so simpel, wie ich es mir vorstelle? Wenn man wirklich mal die Erde verlassen hat und das Weltall nicht von uns aus, sondern vom All aus sieht, dass man dann erst recht das Gefühl hat, es kann eigentlich nicht sein, es ist eigentlich nicht denkbar, dass wir ganz allein sind in diesen unendlichen Welten?

Ulrich Walter: So antworten die, die sich nicht tiefer Gedanken über die Faktoren oder die Einflüsse machen, die so was bestimmen. Und man kann nicht einfach sagen, Mensch, das ist einfach so eine riesige Anzahl von Planeten, da muss es einfach was geben. So einfach ist es dann doch nicht.
Dieter Kassel: Jetzt habe ich aber im Prinzip die Kernfrage noch gar nicht gestellt, jetzt muss sie kommen: Als Naturwissenschaftler, von mir aus auch als naturphilosophisch interessierter Mensch: Wie lautet denn Ihre persönliche Antwort? Gibt es extraterrestrisches Leben?
Ulrich Walter: Das ist keine Meinung, sondern eigentlich wissen wir das. Denn wenn wir diese Frage auf das gesamte Universum beziehen, und wir wissen inzwischen seit dem Jahr 2000, dass es praktisch unendlich groß ist, dann verlangt die Logik, dass wir existieren, dass es also einmal passiert ist im gesamten Universum, dass es immer und überall nochmal passiert ist. Weil nämlich jede noch so kleine Wahrscheinlichkeit mit unendlich multipliziert eine Zahl größer als eins ergibt. Aber, und damit muss ich gleich da sozusagen einen Deckel da drauf tun, das ist eigentlich für uns irrelevant. Denn die Abstände zwischen uns und irgendwelchen anderen Zivilisationen sind so gigantisch, dass wir nie – und ich betone, wirklich nie – wissen werden, wo diese sein werden.
Also was für uns Menschheit wirklich nur relevant ist, ist die Frage: Gibt es in unserer Milchstraße, also dem Bereich, der für uns überhaupt zugänglich ist, gibt es da außerirdische Lebewesen oder Zivilisationen. Und wenn man die Frage so stellt, dann muss man die Frage wahrscheinlich verneinen. In unserer Milchstraße sind wir wahrscheinlich die einzigen – vielleicht gibt es eine Handvoll.

Primitives Leben wahrscheinlicher als intelligentes

Dieter Kassel: Aber da muss man natürlich jetzt, wenn wir schon wissenschaftlich genau sein wollen, auch unterscheiden zwischen außerirdischem Leben und außerirdischen Zivilisationen. Außerirdisches Leben können natürlich auch Mikroben sein, und die könnte es doch im Prinzip auch in unserem Sonnensystem geben.
Ulrich Walter: Ja, das stimmt. Man muss sehr genau unterscheiden zwischen höherem Leben und primitivem Leben. Die Wahrscheinlichkeit für primitives Leben ist tatsächlich wesentlich, und das sind wirklich Größenordnungen, wahrscheinlicher als intelligentes Leben. Ich schätze mal, dass in unserer Milchstraße es wahrscheinlich tausende, wenn nicht zehntausende von Planeten mit primitivem Leben geben kann. Aber eigentlich interessiert uns, wie viele Zivilisationen gibt es noch da draußen.

Dieter Kassel: Wenn Sie, und das haben Sie ja vorhin getan, wenn Sie sagen, wir werden aber intelligente Zivilisationen nie nachweisen können, weil die Entfernungen zu groß sind, warum schließen Sie, und so verstehe ich Sie, warum schließen Sie aus, dass andere weiter sind als wir und diese Entfernungen vielleicht irgendwann mal überbrücken könnten?

Ulrich Walter: Das ist sehr leicht zu beantworten: Selbst Licht braucht für die Überbrückung solcher Distanzen viele hunderte Millionen Jahre. Und da wir wissen – und das wird immer so sein, wir wissen, das ist eine unumkehrbare Erfahrung –, nichts wird schneller als Lichtgeschwindigkeit fliegen, würden solche Zivilisationen auch viele hunderte Millionen Jahre brauchen, um solche Distanzen zu überbrücken. Das ist nicht nur zeitlich nicht machbar, sondern vor allen Dingen energetisch. Diese Energien stehen nicht zur Verfügung, so was zu machen. Man bräuchte wirklich die Energien von ganzen Galaxien, um solche Reisen zu unternehmen. Das heißt, sie würden ihre Sonne und ihre Galaxie selbst zerstören, um solche Reisen machen zu können. Das wird natürlich keiner machen.
Dieter Kassel: Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit ist nicht möglich. Das bedeutet, das haben Sie klar gemacht, dass wir die nicht besuchen können und die uns nicht, wenn ich es mal so einfach ausdrücken darf. Nun glauben ja manche Wissenschaftler, man könnte intelligentes Leben anders finden, nämlich zum Beispiel über Funksignale. Das SETI-Projekt sucht danach seit ungefähr einem halben Jahrhundert inzwischen. Halten Sie das auch für Unfug?

Ulrich Walter: Nein. SETI ist schon was sehr Richtiges. Es ist halt nur so, wenn Sie so was machen: Diese Funksignale müssen auch andere Zivilisationen erreichen können. Das heißt, ich muss immer mehr Energie aufwenden, um immer größere Distanzen zu überbrücken. Und man kann zeigen, mit der gesamten Energie, die unsere Menschheit zur Verfügung hat, wenn wir das in ein Funksignal, das in alle Richtungen ausstrahlt, verballern würden, dann würden wir nur Entfernungen von etwa tausend Lichtjahren erreichen. Also nur Zivilisationen, die in einem Abstand von tausend Lichtjahren von uns entfernt sind, würden so ein Signal empfangen. Aber unsere Milchstraße hat einen Durchmesser von 100.000 Lichtjahren. Das heißt, wir müssten die gesamte Energie unserer Sonne einsetzen, um das Ende unserer Milchstraße zu erreichen. Und da wird vielleicht klar, wenn wir andere Galaxien erreichen wollen, die hunderte von Millionen Lichtjahren entfernt sind, dazu haben wir die ganze Energie nicht. Deswegen ist die Spekulation darüber eigentlich irrelevant.

Faszinierender Gedanke an Paralleluniversen

Dieter Kassel: Es ist ja, wenn man jetzt große Zeiträume anguckt, nicht so wahnsinnig lange her, dass wir Menschen überhaupt uns mit dem Gedanken angefreundet haben und fest daran glauben, dass die Erde nicht das Zentrum unseres Universums ist. Ist nicht die Beschäftigung mit wirklich dem ganzen Universum, sind solche Fragen nicht auch wichtig, um, – und ich meine das nicht räumlich, das macht die Natur –, aber um uns geistig selbst zu positionieren in diesem unendlichen All?
Ulrich Walter: Zunächst erstmal ist es von der Logik her geistig sehr faszinierend, ob es da draußen was anderes gibt, und das wirklich logisch zu durchdringen. Ja, es könnte Paralleluniversen geben. Es gibt sogar ein Experiment, und das habe ich in meinem Buch beschrieben, das zeigen will, wenn es ein Paralleluniversum gibt, das sozusagen in einer höheren Dimension eingebettet ist, und es ganz nahe an unserem ist, und hat gezeigt, nein, so was gibt es nicht, so ganz nahe dran nicht, es könnte höchstens etwas weiter weg sein. Ich finde das ganz faszinierende Experimente, um mal sozusagen ganz anders zu denken. Paralleluniversen, wie könnte so was aussehen? Kann es sie geben? Das sind ganz faszinierende Sachen. Ich denke, das ist mit unserem normalen Denken gar nicht erfassbar.
Wenn Sie denken, Paralleluniversum, was heißt parallel? Heißt das irgendwo anders weg? Nein, das heißt eben, das ist ein Universum, das ganz nahe dran ist an uns, aber eben in einer höheren Dimension eingebettet. Und wenn ich Ihnen das so sage, werden Sie sagen, verstehe ich nicht, und ich muss sagen, ja, das ist auch schwierig zu verstehen, da müssen Mathematiker ran. Die können das hinschreiben. Man kann sich das vorstellen, indem man ein Blatt Papier nimmt, das ist unser Universum, und ein anderes Papier, nämlich ein anderes Universum daneben legt oder da drauf legt, dann sind das eben zwei parallele Universen nebeneinander, aber ich komme nicht von meinem Universum ins andere. Das heißt, über solche Analogien kann ich so einigermaßen verstehen, wie der Herrgott das gemacht haben könnte. Aber die Frage, ob es dann wirklich so ist, ist noch eine ganz andere. Aber selbst die Beschäftigung mit dieser Materie, finde ich, ist sehr interessant.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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