Lesen und hören Sie hier mehr zu unserer Reihe "Ferne Welten - Auf der Suche nach Leben im All".
Blick in die Kinderstube des Universums
Im Rahmen unserer Serie "Ferne Welten" beschäftigen wir uns mit der Suche nach außerirdischem Leben - und der Frage, was Leben eigentlich ausmacht. Der Kometenforscher Gerhard Schwehm erklärt, welche Rolle Kometen bei der Entstehung des Lebens gespielt haben.
Eine Theorie über die Entstehung irdischen Lebens besagt, dass die dafür notwendigen Stoffe durch Kometen auf die Erde gebracht wurden. Etwa im Fall des Edelgases Xenon sei die Annahme naheliegend, dass zumindest ein großer Teil davon durch Kometen zur Erde gekommen sei, sagte der Kometenforscher Gerhard Schwehm im Deutschlandfunk Kultur. Definitiv ist es dem wissenschaftlichen Leiter der Rosetta-Mission zufolge allerdings nicht: "Ich sage: unter Umständen - weil es gibt auch andere Möglichkeiten, Entwicklungen."
Kometen haben die Atmosphäre mitgeformt
So habe es beispielsweise viele Theorien gegeben, nach denen ein großer Teil des Wassers in den Ozeanen von Kometen auf die Erde gebracht worden sei.
"Und nun hat man das Wasser auf den Kometen sehr genau untersuchen können und da auch das Isotopenverhältnis untersuchen können, und da stellt sich heraus, dass also zumindest Kometen wie Tschurjumow-Gerassimenko das Wasser eigentlich nicht auf die Erde gebracht haben können, also zumindest nicht große Mengen davon", sagt Schwehm.
Bei Stickstoff sehe das Bild wiederum anders aus. "Das heißt also, die Kometen haben sicher eine Rolle gespielt, wie sich die Erde entwickelt hat. Entweder, dass sie die Atmosphäre mitgeformt haben, wie wir sie heute sehen, und dadurch auch ermöglicht haben, dass Leben sich hier entwickeln konnte."
Generell ist die Erforschung von Kometen wichtig, betont Schwehm, weil diese einen Blick in die "Kinderstube" des Universums ermöglichten. "Die Kometen sind draußen weit weg von der Sonne geblieben, wie in so einem Tiefkühlfach."
(uko)
Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Im Rahmen der Rosetta-Mission hat sich zum ersten Mal wirklich ein von Menschen geschaffenes Objekt im August 2014 einen Kometen wirklich richtig nähern können, um ihn dann nicht nur über längere Zeit zu umkreisen und zu analysieren, sondern es ist im Rahmen dieser Mission auch damals zum ersten Mal gelungen, einen Lander, also ein Landeobjekt, wenn ich das so übersetzen darf, auf dem Kometen selbst zu platzieren. Die vielen Daten, die die Rosetta-Mission geliefert hat, die sind noch immer nicht komplett ausgewertet, aber schon jetzt ist klar, auch diese Mission hat unter anderem neue Erkenntnisse dazu geliefert, wie das Leben auf der Erde entstanden ist und wie es auf anderen Planeten eventuell auch entstanden sein könnte. Der wissenschaftliche Leiter der Rosetta-Mission war Gerhard Schwehm. Schönen guten Morgen, Herr Schwehm!
Gerhard Schwehm: Guten Morgen!
Kassel: Wir haben ja gestern mit Tilman Spohn vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt schon über diese Frage nach Leben gesprochen, und der hat noch mal deutlich gemacht, dass wir eigentlich davon ausgehen, dass Leben auf anderen Planeten grundsätzlich dem Leben ähnelt, das wir von der Erde kennen. Sehen Sie das genauso?
Schwehm: Ja, das sehe ich genauso, aber vielleicht haben wir da natürlich so ein bisschen eine seltsame Betrachtungsweise, weil wir kennen ja nur auf der Erde das Leben. Das ist also das einzige, was wir kennen, und natürlich ist man dann so ein bisschen, sagen wir: voreingenommen, dass andere Lebensformen auf derselben Grundlage basieren sollten, und Herr Spohn hat ja auch gute Argumente gebracht. Wir müssen Wasser haben, Kohlenstoff ist ein sehr weit einsetzbares Element, wenn ich das mal so sagen darf, das ermöglicht uns viele komplexe Moleküle aufzubauen, die man dann für das Leben braucht, und deswegen haben wir diese Sicht, dass, was wir annehmen, dass Leben überhaupt aufgebaut sein sollte, sozusagen auf einer Kohlenstoffchemie, wenn wir das so sagen wollen, plus dass Wasser vorhanden sein muss.
Entwicklung des Lebens ermöglicht
Kassel: Nun haben wir lange Zeit ja auch gedacht, das, was Leben ermöglicht hat auf der Erde, war irgendwie entweder immer schon da oder hat sich auf der Erde entwickelt. Haben wir nun nicht zuletzt durch die Rosetta-Mission gelernt, dass doch einige dieser Voraussetzungen durch Kometen überhaupt erst hierhergekommen sind?
Schwehm: Ja, das ist eine Annahme, die wir haben. Kometen … Das ist eine Theorie, die also schon sehr lange existiert, dass sozusagen die Vorläufer für das Leben, für uns, die präbiologische Chemie, diese Moleküle, dass die von außerhalb auf die Erde gebracht wurden, aus dem Weltraum. Da gibt es also auch ganz große Theorien, wie Panspermia. Das heißt einfach, dass das Leben aus dem Weltraum auf die Erde gebracht wurde. Nun ist es so, dass … Wir sagen nicht, auf dem Kometen gibt es kein Leben, das ist also ziemlich klar, aber was wir schon sehr früh gefunden haben, einfach durch Spektroskopie, das heißt, dass man von der Erde die Zusammensetzung der Kometenkoma untersucht hat, dass also im Kometen sehr viele komplexe Moleküle zu finden sind, und daher war dann auch die Idee, dass durch Einschläge dieser Kometen auf die frühe Erde diese komplexen Moleküle auf die Erde gebracht wurden und die sozusagen dann ermöglicht haben, dass hier sich das Leben entwickelt hat.
Kassel: Ich frage mich dabei was ganz Simples und möchte gerne ein Beispiel nehmen, Herr Schwehm, nämlich eine Edelgassubstanz namens Xenon: Sie können mich jederzeit unterbrechen, wenn ich zu stark vereinfache, aber ich habe es so verstanden, dass die Rosetta-Mission Xenon auf dem Kometen nachgewiesen hat und dass man jetzt glaubt, Xenon gab es eigentlich auf der Erde nicht. Es ist so erst gekommen, aber woher will man denn wissen, wenn Sie wissen, Kometen haben die eine oder andere Substanz, einen anderen Grundstoff, woher weiß man andererseits, ja, und den gab es vorher auf der Erde eben noch nicht?
Schwehm: Das Xenon gab es wohl schon auf der Erde. Was immer wichtig ist: Bei allen Messungen oder Untersuchungen, die wir auch bei Kometen gemacht haben, wir schauen dann oft nach den Isotopenverhältnissen. Das sind also sozusagen… Bei Xenon gibt es verschiedene Isotope, das heißt, es ist ein Atom, das dann … für verschiedene Isotope ist das schwerer, weil dann noch ein Neutron dabei ist, und wenn man diese Verhältnisse misst, dann kann man eine sehr gute Aussage machen, wie war diese Entwicklung dieses Elementes auf der Erde, und wenn man also das Xenon betrachtet, die Isotopenverhältnisse auf der Erde, kann man die sich nicht immer sehr einfach vorstellen, wie sich das in der Erdatmosphäre entwickelt haben sollte, und wenn man dann betrachtet, welche Isotopenverhältnisse gibt es auf dem Kometen, dann liegt es nahe, dass zum Beispiel ein großer Teil des Xenons unter Umständen von einem Kometen auf die Erde gebracht wurde.
Ich sage unter Umständen, weil es gibt auch andere Möglichkeiten, Entwicklungen, aber eigentlich betrachtet man immer so ein Gesamtbild. Das war ein guter Vergleich, kann man auch sagen, weil das Problem mit dem Wasser, das Wasser auf der Erde, da gab es viele Theorien, die gesagt haben, dass die Kometen einen großen Teil unseres Wassers in den Ozeanen auf die Erde gebracht haben, und nun hat man das Wasser auf den Kometen sehr genau untersuchen können und da auch das Isotopenverhältnis untersuchen können, und da stellt sich heraus, dass also zumindest Kometen wie Tschurjumow-Gerassimenko das Wasser eigentlich nicht auf die Erde gebracht haben können, also zumindest nicht große Mengen davon. Betrachten wir den Stickstoff, da sieht das Bild wieder anders aus. Das heißt also, die Kometen haben sicher eine Rolle gespielt, wie sich die Erde entwickelt hat. Entweder, dass sie die Atmosphäre mitgeformt haben, wie wir sie heute sehen, und dadurch auch ermöglicht haben, dass Leben sich hier entwickeln konnte.
Kometen im Tiefkühlfach
Kassel: Jetzt ist natürlich die große nächste Frage, wenn Sie inzwischen davon ausgehen können, dass einige Grundstoffe, die für die Entwicklung des Lebens notwendig sind, durch Kometen auf die Erde gekommen sind, kann man dann, wenn man nach Leben außerhalb der Erde sucht, sagen, eine der Voraussetzungen ist, es muss sich um einen Himmelskörper handeln, auf dem es auch Kometeneinschläge gab?
Schwehm: Das ist eine sehr gute Frage. Ob das nötig ist, diese Schritte müssen wir noch machen, ob wirklich Kometen da grundsätzlich nötig sind, aber wir haben ja zurzeit dieses wunderbare Gebiet der Exoplaneten, was sich über die letzten 30 Jahre entwickelt hat. Als wir mit Rosetta angefangen haben, hat man davon eigentlich geträumt, dass man so viele Exoplaneten vielleicht finden würde. Hat noch niemand drüber gesprochen. Da ist die Frage, wenn man also diese Exoplanetensysteme betrachtet, ob man da auch schauen muss, ob sich dort ein Kometengürtel befindet, wie bei uns die Oortsche Wolke oder der Kuiper Belt. Das könnte schon sehr wichtig sein, um auch die Grundlagen zu finden, wie haben sich diese Planeten überhaupt da entwickeln können.
Das ist ja der zweite Aspekt bei den Kometen, dass wir durch diese Untersuchungen der Kometen – vor allem jetzt, was wir bei Rosetta gelernt haben – sehr weit zurück in die Anfangsphase des Sonnensystems schauen können, in die Kinderstube sozusagen, und wenn wir in die Kometen schauen, sehen wir, was waren die Grundstoffe, die da waren, aus denen sich dann die Planeten gebildet haben, und das ist ja dann die ganz lange Entwicklungsgeschichte aus diesen ursprünglichen Materialien, die da waren. Da haben sich dann die Planeten gebildet, die Kometen sind draußen weit weg von der Sonne geblieben, wie in so einem Tiefkühlfach, und dann in der Geschichte der Planeten hat es die Einschläge durch diese Kometen gegeben, die dann unter Umständen, wie gesagt, diese sehr komplexen Moleküle, die wir auch jetzt durch Rosetta wirklich nachweisen können in großem Detail, sehr genau, auf die Erde gebracht haben.
Kassel: Übrigens, das, was Sie erwähnt haben, die Suche nach Exoplaneten, die wird uns übermorgen in dieser Serie konkret beschäftigen, denn – das ist inzwischen noch mal verschoben worden – 2028 voraussichtlich startet eine neue Mission, die Plato-Mission, die konkret nach solchen Himmelskörpern suchen wird. Heute haben wir mit Gerhard Schwehm gesprochen, er war der wissenschaftliche Leiter der Rosetta-Mission. Herr Schwehm, ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch!
Schwehm: Vielen Dank, und einen schönen Tag noch!
Kassel: Wünsche ich Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.