Sexismus in der Verlagsbranche

"Man kann sich weder hoch- noch runterschlafen"

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Auch die Verlagsbranche ist durch Machtgefälle zwischen Männern und Frauen geprägt. © Imago/Ikon Images/Deutschlandfunk Kultur
Von Franziska Walser |
#MeToo erfasst die Verlagsbranche: Wie wirkt sich das Machtgefälle zwischen Verlagsleitern/Cheflektoren und Autorinnen/Praktikantinnen aus? Es sei ein "sanfter Sexismus", sagt eine Autorin. Sexismus gebe es auch zwischen Kritikern und Schriftstellerinnen, erzählt eine Journalistin.
Nina George:
"Ich kenne ein, zwei Verleger der ganz alten Schule. Für die sind Lektorinnen, Sekretärinnen und Herstellerinnen so was wie die schönen Blumen auf dem Rasen des Verlagsalltags. Ich hab da einen ganz Bestimmten vor Augen, dessen Namen ich aber nicht sage. Der wurde nicht übergriffig. Aber es ist klar, dass er ein Chauvinist ist, ein Patriarch, dass er das intellektuelle Potential von Frauen einfach als nicht existent akzeptiert."
Dana Buchzik:
"Es gibt natürlich ganz viele Volontärinnen und Praktikantinnen. Und die werden alle sehr geschätzt. Wenn es dann aber in die Führungsriege geht, sind dann überraschenderweise doch fast nur Männer aufzufinden."

Ja, es gibt Sexismus im Literaturbetrieb. Wie sollte es ihn auch nicht geben? In einer Branche, in der überdurchschnittlich viele Frauen arbeiten - aber nur wenige an der Spitze, wo die Entscheidungen getroffen und die Preise gewonnen werden. Führt das dazu, dass dieses Machtgefälle ausgenutzt wird? Um Frauen zu begrapschen und zu demütigen, so wie es Dieter Wedel oder Harvey Weinstein sehr wahrscheinlich getan haben?
Die Schriftstellerin Nina George
Die Schriftstellerin Nina George.© Maurice Kohl

In ein Ameisennest gestochen

Die Suche nach konkreten Fällen führt mich zu der Journalistin und Autorin Dana Buchzik. Sie hat diese Fragen schon 2014 gestellt – lange vor der #MeToo-Debatte. Einfach weil sie sich gewundert hatte, dass auf der Longlist für den Buchpreis so wenige Frauen standen. Ein paar Mails und Facebook-Nachrichten später, hatte sie das Gefühl, in ein Ameisennest gestochen zu haben.
"Das meine ich mit den Dimensionen. Dass mir vorher eigentlich gar nicht so bewusst war, wie viel da passiert: Auf Lesereisen oder bei Veranstaltungen oder im Kontakt zwischen Journalisten und Autorinnen. Also das war mir vorher überhaupt nicht bewusst und das hat mich schon sehr erschreckt."
Die Verlagsmitarbeiterinnen und Autorinnen, die ihr Vorfälle schildern, wollten damals alle anonym bleiben. Und sie wollen es auch heute noch. Weil sie Angst haben, dass sie nicht mehr zu Literaturfestivals oder Lesungen eingeladen werden, oder dass sie ihren Job verlieren.
Der Literaturbetrieb funktioniert anders als das Filmgeschäft. Es gibt keine Nacktszenen, keine langen Drehtage, keine roten Teppiche. Es gibt auch nicht die typische Geschichte vom Mann im Bademantel im Hotelzimmer - aber unangenehme Begegnungen, die sich wiederholen, sagt Dana Buchzik.
"Also ich habe viele Geschichten gehört von Journalisten, die eben Autorinnen gegenüber übergriffig geworden sind – verbal. Die eine scheinbar professionelle Situation angefangen haben über ein Interview oder so – und dann aus dem Kontakt nicht rausgehen wollten, und irgendwelche erotischen Mails geschrieben haben in der Nacht. Und sobald da eine Grenze gezogen wurde, dann sehr unangenehm geworden sind und eben auch Drohungen ausgesprochen haben."

"Dann schreibe ich schlecht über dein Buch"

Drohungen wie: Dann schreibe ich schlecht über dein Buch. Oder – vielleicht noch schlimmer – ich bespreche es gar nicht. Das reicht offensichtlich, um selbst Autorinnen einzuschüchtern, die Emails als handfeste Beweise haben. Kritiker haben Macht – sie können ein Buch bekannt machen oder es eben in der Versenkung verschwinden lassen. Und sexuelle Nötigung ist im Kern: Machtmissbrauch.
Die Krimiautorin Nina George spricht von einem "sanften Sexismus" in der Buchbranche.
"...weil einzig und allein der Text überzeugt. Das heißt, man kann sich weder hoch noch runterschlafen. Man weiß genau, das hält nicht vor. Weil der Text überzeugen muss. Das heißt es gibt gar nicht diesen Machthebel."
Nina George engagiert sich bei den "Bücherfrauen" – ein Zusammenschluss von Verlagsfrauen, Buchhändlerinnen und Agentinnen. Auch sie ist gut vernetzt. Aber sie kennt kaum Fälle, in denen Männer – oder Frauen – wirklich übergriffig geworden sind.
"Ich habe Kontakt zu unendlich vielen Autorinnen und Autoren. Und solche Geschichten wären bei mir gelandet. Definitiv!"

Eine Dokumenation der Fälle gibt es noch nicht

Schwer zu sagen, wie viele Fälle es gibt, in denen Autorinnen oder Verlagsmitarbeiterinnen wirklich sexuell belästigt werden. Solange die Frauen nicht sprechen, befassen sich die Bücherfrauen mit sprechenden Zahlen, die ebenfalls mit Sexismus zu tun haben. Unter dem Motto "Frauen zählen" werden den ganzen März über Rezensionen ausgewertet: Wer berichtet über wen? Nina George liest – und zählt – für die Aktion täglich die Feuilletonteile von zwei Zeitungen:
"Ich bin jetzt erst bei 13 Tagen, aber es sieht... Ich sag's mal so: Da ist noch deutlich Luft für die Besprechungen über Frauen. Manchmal hab ich Ausgaben, die sind ausschließlich männlich: Männer rezensieren Männer, Rezensenten rezensieren Autoren – und die Frauen fallen einfach hintenüber."
Im Filmbereich ist es inzwischen Konsens, dass sexueller Missbrauch seltener wird, wenn Macht und Chancen zwischen den Geschlechtern gleich verteilt sind. Die Branche diskutiert über Quotenregelungen. So etwas wäre auch für die Literatur denkbar, sagt Nina George, zumindest da, wo es um öffentliche Preisgelder und Stipendien geht.
"Ob wir eine Quote für Rezensionen brauchen? Nein, auf keinen Fall. Andererseits würde ich mir schon einen kritischen Blick der Kritiker – und Kritikerinnen wünschen, dass sich jeder fragt: Moment, kritisiere ich wirklich das von dem ich denke, dass es gut ist. Oder bin ich es so gewohnt drauf zu schauen, was der Mann veröffentlicht?"
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