Ein Zufluchtsort auf Zeit
Im "Refugio" wohnen 40 Menschen aus aller Welt zusammen, darunter viele Geflüchtete. Das sogenannte Sharehaus in Berlin-Neukölln ist weniger ein Hilfsprojekt, es geht vielmehr darum in Gemeinschaft zu leben und sich auf Augenhöhe zu begegnen.
"Jeder Geflüchtete träumt davon, vom Wohnheim in eine Wohnung zu ziehen. Nach und nach habe ich aber gemerkt, dass eine Wohnung nicht das Beste ist. Ich glaube, wir sollten in kleinen Communities leben, um mit Leuten in Kontakt zu kommen. Ich habe jetzt so viele Freunde, deutsche Freunde, türkische Freunde, das ist das Sharehaus."
Eyad, 28 Jahre, ein Syrer mit abgeschlossenem Informatikstudium, sitzt auf der Dachterrasse des "Refugio" - einem sogenannten Sharehaus - in Berlin-Neukölln. Im September wurde es offiziell eröffnet. In dem ehemaligen Seniorenheim wohnen 40 Menschen aus aller Welt, darunter viele Geflüchtete. Die Sharehaus-Idee haben Sven Lager und seine Familie aus Afrika mitgebracht. Sie arbeiten gemeinsam mit der Berliner Stadtmission und Ehrenamtlichen an dem Projekt – und leben selbst mit im Haus.
Sven Lager: "Das ist ein Modellhaus, wir versuchen zu zeigen, dass Gesellschaft anders funktionieren kann. Wir sprechen immer von einer Flüchtlingskrise, und wir sehen darin eine Herausforderung und eine Gelegenheit. Der Staat denkt, er muss immer Heime schaffen, also wir könnten das sogenannte Problem viel kreativer lösen. Das müssen wir mal vorleben."
Catherine: "Ich glaube, das ist so wichtig, dass man sich unterhaltet mit Leuten, die andere Lebenserfahrungen haben. Weil sonst wird man ganz eine enge Ansicht haben. Und kein Verständnis für andere und ich habe auch so viel gelernt über mich und meine Kultur auch, seitdem ich hier gekommen bin."
Deutsch sprechen erwünscht
Catherine ist Engländerin, 22 Jahre alt. Sie studiert Fitnessmanagement und lebt in einem Zimmer samt Bad mit Gemeinschaftsküche auf der 5. Etage, mit Menschen aus Afghanistan, Syrien, Kroatien, aus dem Iran - und aus Deutschland. Eine der Hausregeln im Refugio lautet: Soweit es geht Deutsch miteinander zu reden - das wird auch durch Tandems, durch Sprachkurse und Einzelstunden unterstützt. Aber es braucht seine Zeit.
Catherine: "Manchmal mit der Sprache ist das ein Problem, weil manche Leute wollen Deutsch sprechen und viele Leute wollen Deutsch auch lernen, und andere Leute wollen Englisch, und andere Leute wollen in ihrer Muttersprache sprechen, und das ist nicht immer so einfach ..."
Eine weitere Hausregel besagt: Alle sollen sich einbringen in die Gemeinschaft.
Catherine: "Ja, ich arbeite erstmal im Café, das so vor zwei Wochen geöffnet wurde. Und ich bin in der Laufgruppe, das heißt, ich arbeite als Fitnesstrainerin. Und es gibt eine kleine Gruppe von uns, die so ein paar Mal in der Woche ganz früh laufen gehen. Wir sind am letzten Samstag zusammen nach Alexanderplatz gelaufen, das war ganz gut, und zurück auch. Ich denke, das ist zehn Kilometer oder so."
Andere kümmern sich um den Dachgarten – oder helfen mit bei dem Projekt "Fahrräder für Flüchtlinge" unten im Haus. Heute ist ein Reparaturtag im Innenhof des Refugios. Auch der 12-jährige Patricio und seine Brüder schwirren da herum.
"Dein Name ist?"
"Patricio."
"Und du wohnst auch im Refugio?"
"Ja."
"Und wo bist du geboren?"
"Kroatien."
"Hast du auch schon geholfen heute?"
"Drei, zwei hab ich repariert."
"Und was war da kaputt?"
"Lampe oder Bremse, so mach ich reparieren."
"Patricio."
"Und du wohnst auch im Refugio?"
"Ja."
"Und wo bist du geboren?"
"Kroatien."
"Hast du auch schon geholfen heute?"
"Drei, zwei hab ich repariert."
"Und was war da kaputt?"
"Lampe oder Bremse, so mach ich reparieren."
Die Wohndauer ist begrenzt
Es wird gebastelt und geschraubt - an diesem Aktionstag wechseln rund 50 gespendete Fahrräder den Besitzer. Patricio flitzt später zur Hausaufgabenhilfe, die von Ehrenamtlichen organisiert wird. Er und seine zwei kleineren Brüder sitzen an drei Schreibtischen und lernen - dort, wo am Sonntag noch Gottesdienst war. Jeden Sonntag ist das Kreuzbergprojekt, eine junge Kirche, im Refugio zu Gast - in dem großen Veranstaltungssaal im Erdgeschoss mit großen bunten Glasfenstern und einer Empore samt Orgel. Die wird allerdings heute gar nicht gebraucht, es gibt Gitarrenmusik. Das Sharehaus ist ein christliches Projekt. Eyad ist muslimisch. Ist das schwierig für ihn?
"Im Gegenteil, es ist sehr schön. Wir tauschen Informationen aus zwischen Christen und Muslimen, über unsere Religionen. Ich glaube, das funktioniert sehr gut und wir respektieren uns."
Es ist ein lebendiger Ort, das Refugio, der Menschen Zuflucht bietet. An dem sie in die Selbstständigkeit begleitet werden. Die Wohndauer ist auf eineinhalb Jahre begrenzt. Wie geht Eyad, der junge Informatiker aus Syrien, damit um, dass die Zeit hier endlich ist?
"In einem Jahr und drei Monaten muss ich ausziehen aus dem Refugio. Aber dann, denke ich, werde ich in der Lage sein, alles allein zu regeln. Weil ich hier viele Erfahrungen sammeln kann. Ich denke, dass es kein Problem sein wird, aber es wird traurig sein, zu gehen."