Bruchlandung in Rheinland-Pfalz
Der Verkauf des Flughafens Hahn an einen chinesischen Investor steht vor dem Aus. Die rheinland-pfälzische Landesregierung zieht die Notbremse - eine Blamage für Ministerpräsidentin Dreyer und ihre Ampelkoalition.
Ist er der Bruchpilot oder der tatkräftige Retter nach einer unverschuldeten Bruchlandung? Innenminister Roger Lewentz, SPD:
"Jetzt müssen wir durchaus, kann man so sagen, die Notbremse ziehen."
Vor einem Monat trat der Sozialdemokrat mit chinesischen Möchtegern-Investoren vor die Presse, alle strahlten. Die branchenfremde Handelsgesellschaft Shanghai Yiqian Trading, kurz SYT, wollte mit einer chinesischen Baufirma im Rücken wuppen, was sich bis dato keiner zutraute, nämlich den Flughafen Hahn aus den roten Zahlen zu führen.
Die Frachtmengen sanken zuletzt, die Chinesen wollten sie verdoppeln, außerdem asiatische Touristen in den schönen Hunsrück bringen und einen zweistelligen Millionenbetrag für den Problem-Airport hinblättern.
"Also toi, toi, toi für uns alle", wünschte eine Flughafenmitarbeiterin.
Fantastischer Business-Plan – zu schön, um wahr zu sein
Der Hahn macht zweistellige Millionen-Verluste jährlich, die Chinesen wollten vom Gewinn Luxus-Hotel und -Seniorenheim finanzieren. Der Laie zweifelte – zu schön, um wahr zu sein.
"Die Chinesen werden dat sowieso nicht so lange behalten, schätz’ ich mal. Dat ist für die nur ne Investition und dann isset weg."
Die Politik hoffte.
Dreyer: "Ich bin der Auffassung dass nach allem, was mir übermittelt worden ist, dass der Hahn eine Chance hat, sich positiv weiter zu entwickeln."
Bestens überprüft – nur: der Käufer zahlt nicht
Und hoffte weiter, auch nach ersten Widersprüchen und Seltsamkeiten.
Dreyer: "Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG hat den Käufer, den Investor, überprüft – sowohl auf die Bonität als auch die Liquidität und die Seriosität."
Licht: "Hat Frau Dreyer überhaupt einen Blick in diesen Business-Plan geworfen?"
Fragt Alexander Licht von der CDU-Opposition mit Blick auf die Ministerpräsidentin. Die Sozialdemokratin schwieg gestern.
Fehler vom Nürburgring wiederholt?
Warum man windigen Geschäftsleuten und deren fantastisch klingenden Plänen glaubte, obwohl man genau diesen Fehler nach dem Nürburgring-Desaster nie wieder machen wollte? Antworten erhoffen sich die Christdemokraten von der Sondersitzung des Mainzer Landtags am Vormittag. Hat die Regierungschefin, so insistiert Alexander Licht, "einen Blick in diesen Plan geworfen, einen Blick in das Zukunftskonzept? Hat sie dort hinterfragt? Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei seriöser Betrachtung man mit diesem Käufer überhaupt in Verhandlungen eingetreten ist."
Wochenlang Zeit hätte man gehabt, um die chinesischen Käufer auf Herz und Nieren zu checken.
Shanghaier Top-Investor – ohne Firmen-Logo und Briefkasten
Die angeblichen Shanghaier Top-Investoren posierten schon im April auf einem Facebook-Foto gemeinsam mit einem Wirtschaftsprüfer der KPMG. In ihre Büros luden sie den Prüfer vermutlich nicht. ARD-China-Korrespondent Sebastian Hesse fand auch keine Büros, jedenfalls nicht bei dem Mega-Baukonzern, dem angeblich potenten Mehrheitsgesellschafter des Käufers. Und bei diesem selbst, der SYT, im 17. Stock eines Hochhauses:
"Kein Firmenlogo, kein Briefkasten und auch kein Firmenschild. Wir sind mal rein, sind da auch sogar relativ höflich empfangen worden. Ein einziger kleiner Raum ist das mit eher schäbigen PCs, und nichts, aber auch gar nichts deutet darauf hin, was diese Firma oder diese Leute überhaupt machen. Es standen offene Kartons auf dem Fußboden mit Drogerieartikeln, und die Angestellten haben zwar freundlich auf unsere Fragen reagiert, aber letztlich nicht wirklich etwas gesagt. Der Firmeneigner sei im Ausland, und was die Firma genau macht, das konnten oder wollten sie uns auch nicht sagen."
Sie sagten nichts, und ihre Chefs zahlten nicht wie angekündigt für den Hunsrück-Airport. Stattdessen hielten sie Rheinland-Pfalz mit Verweis auf ausstehende staatliche Genehmigungen hin. Die waren aber gar nicht beantragt, erfuhr soeben der rheinland-pfälzische Innenstaatssekretär auf seiner Shanghai-Reise.
Verdacht auf gefälschte Nachweise der Zahlungsfähigkeit
Und es besteht der Verdacht, dass Bonitätsbelege gefälscht wurden, da könnte es um Bankbestätigungen gehen. Als er den Verkauf vor einer Woche auf Eis legte, hatte Innenminister Lewentz zur sogenannten Integritätsprüfung des Investors auf Zahlungsfähigkeit und Gesetzesverstöße hin betont:
"Die Überprüfung hat keine Anhaltspunkte für entsprechende Risiken ergeben."
Genau daran zweifelt die Opposition aufgrund gegenteiliger Äußerungen von Wirtschaftsprüfern.
Für den Innenminister kann es eng werden
Hat der Innenminister an dieser Stelle nicht die Wahrheit gesagt, dann dürfte es eng werden für den Dreyer-Vertrauten, den mächtigen SPD-Landeschef, der bislang auch als Kronprinz gehandelt wurde. Hat er Warnhinweise bewusst ignoriert, dann dürfte sich die CDU bestätigt fühlen. Sie argwöhnt, dass Lewentz und auch Ministerpräsidentin Dreyer beim Hahn-Verkauf alle Alarmklingeln überhören wollten. Und zwar in der Absicht, die Verantwortung für eine mögliche Insolvenz Dritten zuzuschieben - den Strahlemännern aus dem Reich der Mitte.