Smart Cities in Finnland

Stell' dir die Welt von morgen vor!

Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Riitta Kalliorinne, Bewohnerin in Helsinkis Smart-City-Viertel Kalasatama, will nicht die "guten, alten Zeiten" verklären: sie lebt für die Zukunft, sagt sie. © Michael Frantzen
Von Michael Frantzen |
Helsinki - und vor allem das Viertel Kalasatama - ist ein Labor für Smart-City-Experimente. Hier wird der Müll automatisch abgesaugt. Die Haus-Sauna lässt sich per App bedienen. Und in der Schule soll jederzeit abrufbares Wissen kritisch hinterfragt werden.
Da ist sie endlich: Die U-Bahn. Pünktlich auf die Minute. Maija Bergström zieht ihre Handschuhe aus. Es ist kalt in Helsinki, Finnlands Hauptstadt. Bitterkalt. Maija ist auf dem Weg nach Kalasatama, dem Fischereihafen. Die Frau von "Forum Virium" – der städtischen Agentur, die Helsinki fit machen soll fürs digitale Zeitalter – grinst. Das mit dem Hafen hat sich längst erledigt. Wo früher Fischer an Land gingen, stampft die Stadt zusammen mit Privatinvestoren für rund fünfeinhalb Milliarden Euro ein Smart-City-Viertel aus dem Boden.

Bis 2030 sollen 25.000 Menschen hier leben

Bis 2030 sollen 25.000 Menschen im alten Hafenviertel leben, 3000 sind schon da. Maija schaut auf ihr Handy: Kurz vor halb zwölf. In einer viertel Stunde will sie sich mit Riitta treffen, so etwas wie dem Urgestein Kalasatamas. Vorsichtig balanciert die Anfang 30-Jährige über den vereisten Bürgersteig, ehe sie vor einem mehrstöckigen Neubau stehen bleibt. Sieht unspektakulär aus, doch hinter roten Backsteinwänden verbirgt sich jede Menge High-Tech.
Maija Berström (li.) und ihre Chefin Veera Mustonen von der städtischen Agentur  "Forum Virium"  wollen Helsinki smarter machen.
Maija Berström (li.) und ihre Chefin Veera Mustonen von der städtischen Agentur "Forum Virium" wollen Helsinki smarter machen.© Michael Frantzen
"Wenn du als Bewohner das Haus verlässt, drückst du einfach eine Taste auf deinem Handy und Schwups: Wird automatisch der Strom ausgeschaltet. Das spart Energie. Oder: Du bist gerade auf dem Weg nach Hause – vom Schlittschuhlaufen. Und ganz durchfroren. Dann kannst du per App die Haus-Sauna anstellen. Es lässt sich genau timen. Unsere Studienteilnehmer sind ganz begeistert davon. Eine Frau hat mir erzählt, dass sich ihr Mann neuerdings einen Spaß daraus macht, sie zu veralbern. Er schaltet immer vom Büro aus zu Hause das Licht aus, wenn sie schon da ist."

Vom Niemandsland zum High-Tech-Viertel

Kalasatama hat es Maija schon länger angetan. Sie hat ihre Diplomarbeit über die Gegend geschrieben – als Fallbeispiel eines Quartiers, das sich radikal gewandelt hat: Vom Niemandsland zum High-Tech-Viertel.
"Es war früher ziemlich abenteuerlich, herzukommen. Es gab ein paar illegale Läden, aber du wusstest nie, wo genau. Ich weiß noch, wie ich mehr oder weniger durch Zufall über dieses Café stolperte – im hintersten Winkel Kalasatamas, direkt am Wasser. Ganz schön abgefahren. Genau wie die alternative Sauna."
Helsinki
Blick auf die finnische Hauptstadt Helsinki.© imago/Westend61
"Die "Sompasauna" ist ein interessantes Beispiel dafür, wie sehr sich Kalasatama verändert hat. Die Stadt hat sie mehrfach abreißen lassen – wegen der fehlenden Erlaubnis. Doch die Macher haben sie immer wieder aufgebaut. Inzwischen hat die Kommune ihren Frieden damit gemacht. Letztes Jahr hat das Rathaus die Sauna sogar ausgezeichnet. Die Zeiten haben sich geändert. Die Stadt bemüht sich wirklich, offener zu sein für Privatinitiativen."
Soll noch einer sagen, Finnen seien zurückhaltend. Wenn Riitta Kalliorinne – Kalasatamas Urgestein – eines ist, dann sicher nicht zurückhaltend.

"Imagine tomorrow's world"

Pionierin – bitteschön. Nicht Urgestein. Bei Riitta weiß man gleich, woran man ist. Die Frau mit dem pechschwarzgefärbten Haar mag klare Ansagen. Und Gustav Klimt, den österreichischen Maler. Das Klimt-Gemälde im Schlafzimmer: Natürlich ein Original. Das zumindest macht Riitta immer ihren Enkeln weiß. Finnischer Sinn für Humor. Klimt mag sie. Hundertwasser auch. Ehe sich Maija versieht, ist Riita auch schon im Arbeitszimmer verschwunden. Das Hundertwasser-Plakat rechts vom Schreibtisch: Darauf kommt es ihr an. "Imagine tomorrow’s world" steht da auf Englisch: Stell dir die Welt von morgen vor.
"Das ist auch mein Lebensmotto. Ich blicke immer nach vorne. Die "guten, alten Zeiten" zu verklären: Das bringt nichts. Ich lebe für die Zukunft. Deshalb bin ich auch nach Kalasatama gezogen. Hier entsteht etwas Neues. Und ich kann dabei sein: Toll."
Baustelle in Kalasatama, dem Smart-City-Viertel von Helsinki.
Baustelle in Kalasatama, dem Smart-City-Viertel von Helsinki.© Michael Frantzen

Der Müll wird vollautomatisch abgesaugt

Dass Riitta seit fünf Jahren in Kalasatama wohnt, hat sie ihrer Neugier zu verdanken – und dem sozialen Wohnungsbau. In Helsinki gilt die 60-40-Regel. Sechzig Prozent eines Neubaugebietes stehen dem privaten Wohnungsmarkt zur Verfügung, vierzig Prozent sind für Leute wie Riitta reserviert, die zwar OK verdienen, aber keine anderthalb Millionen Euro übrig haben für ein Townhouse. 630 Euro zahlt sie monatlich an Miete für ihre 60-Quadratmeter-Wohnung. Strom, Internet, Müllabfuhr inklusive. Die 58-jährige schüttelt den Kopf: Müllabfuhr?! Wie hört sich das denn an! In Kalasatama wird der Müll vollautomatisch über unterirdische Rohre zu einer Sammelstelle abgesaugt.
"Wir Bewohner entscheiden mit, wie sich das Viertel entwickelt. Ich habe schon an drei Studien teilgenommen. Eine über agile Senioren. Die Universität Helsinki hat ein Programm entwickelt, um ältere Leute dazu zu bringen, aktiver zu werden. War ganz interessant. Am meisten aber hat mir die Umfrage des neuen Einkaufszentrums Spaß gemacht. Es soll im August öffnen. Die Betreiber wollten wissen, was ich von ihren Plänen halte. Eine Stunde lang. Am nächsten Tag haben sie sich extra bedankt. Für meinen Input. Das fand ich nett."

24 Stunden nonstop Weihnachtslieder 365 Tage im Jahr

Nett ist auch Riitas Bad. Von oben bis unten zugekleistert sind die Wände: Mit Fotos, Zeitungsausschnitten, Souvenirs. Oben links etwa: Der Artikel aus den 90ern: Ist ein Portrait über sie – die "Eremitin." Bevor Riitta nach Kalasatama zog, lebte sie fast 20 Jahre im Vergnügungspark von Helsinki, in einem alten Wärterhäuschen. Mutterseelenallein. Und rechts: Der vergilbte Papierstreifen. Entpuppt sich: Als Eintrittskarte der Komischen Oper in Ost-Berlin. Irgendwann in den 80ern muss das gewesen sein. Damals arbeitete sie noch für YLE, das staatliche Radio. Radio macht sie immer noch. 24 Stunden nonstop Weihnachtslieder, 365 Tage im Jahr – das gibt es nur auf "Joulu-Radio", Riittas "Weihnachtsradio." Eine Millionen Zuhörer – erzählt sie stolz – habe ihr Internetsender weltweit, 110.000 Facebook-Fans. Verstohlen schaut Maija auf ihr Handy. Alles ganz spannend, doch sie muss los – zum nächsten Termin.
Die Wege in Kalasatama: Sie sind kurz. Eine Stunde sollen die Bewohner am Tag aufgrund der smarten Infrastruktur an Zeit einsparen: So lautet das Versprechen.
 Maj-Len Törnqvost (li.) und Leena Vahtera, Bewohnerinnen des Seniorenhauses in Kalasatama. Maj-Lens Lebensmotto: "Erinnere dich an gestern, träume von morgen. Und lebe heute".
Maj-Len Törnqvost (li.) und Leena Vahtera, Bewohnerinnen des Seniorenhauses in Kalasatama. Maj-Lens Lebensmotto: "Erinnere dich an gestern, träume von morgen. Und lebe heute". © Michael Frantzen
Leena Vahtera wartet schon in ihrem selbstverwalteten Seniorenhaus namens Kotisatama, was Heimathafen bedeutet. 63 Wohnungen, 84 Bewohner, die meisten Frauen. Technik-begeisterte Frauen. Wie die Vorsitzende des Verbands der "Aktiven Senioren". Der große Touchscreen neben dem Aufzug ist so etwas wie das Schwarze Brett. Jeder Bewohner kann sich einloggen und schauen, welche Gruppe sich wann wo trifft. Oder was es zu Essen gibt. Die pensionierte Immobilienmaklerin klickt auf den Essens-Button. Heute gibt es: Kohl-Eintopf.

Nur eine Bewohnerin weigert sich, Emails zu schreiben

"Wir sind ein smartes Haus. Wir haben alle unseren eigenen PC. Unsere Generation war die erste, die bei der Arbeit Computer benutzt hat. Moderne Elektronik ist selbstverständlicher Teil unseres Alltags. Deshalb nehmen wir auch häufig an Studien teil. Nur eine Mitbewohnerin weigert sich standhaft, Emails zu schreiben. "
Leena und Co. organisieren alles selbst. Die Einkäufe, das Putzen, das Kochen.
Professionell ist die Küche tatsächlich. Edelstahlkocher sind Standard, genau wie das automatische Rollo bei der Essenausgabe. Schon vorm Einzug vor zweieinhalb Jahren probierten Leena und die anderen alles aus. Herd, Gläser, Stühle. Auf sage und schreibe 80 verschiedenen Stühlen saßen sie Probe, bis sie mit einem Modell zufrieden waren. Ihre Enkelin: Natürlich. Die hätte Leena jetzt fast vergessen. Heidi hat Ferien und verbringt den Rest des Tages bei der Oma. Nachher wollen sie Karten spielen. Heidi schaut häufiger vorbei. Dem Teenager gefällt es hier; dass sie in die hauseigene Bibliothek gehen kann, um in Zeitschriften zu blättern; viele ein offenes Ohr für sie haben. Allen voran die Frau, die sich ihren Entschluss, auf ihre alten Tage in eine WG zu ziehen, reiflich überlegt hat.

"Ich will im Alter nicht alleine sein – wie meine Mutter"

"Ich will im Alter nicht alleine sein – wie meine Mutter. Die saß ihre letzten fünf Jahre in ihrem Einfamilienhaus – und war schrecklich einsam. Sie konnte nicht mehr das Haus verlassen. Und ihr Mann, ihre Freundinnen: Waren alle tot. Damals habe ich mir geschworen: So wirst du nicht enden. Ich bin ja auch alleinstehend. Mein Mann ist 2007 gestorben. Ich will unter Leuten sein."
"Meine zwei Söhne fanden es klasse, dass ich hierher ziehe. Ich will ihnen nicht zur Last fallen. Sie haben ihre Familien. Es ist besser, dass ich mein eigenes Leben lebe."
Leena verzieht das Gesicht. Da will sie dem Besuch den Wintergarten zeigen – und dann hat jemand aus der Yoga-Gruppe die Isomatten liegen gelassen: Das muss nicht sein. Sie packt die Matten zur Seite. Nachher will sie hier Karten spielen – mit Heidi und Maj-Len, ihrer Freundin aus dem siebten Stock. Missmutig läuft Leena den Gang entlang. Jetzt fehlt nur noch, dass Maj-Len ihre Verabredung vergessen hat. Doch da muss sie sich keine Sorgen machen.
"Remember yesterday. Dream about tomorrow. And live today."
Erinnere dich an gestern, träume von morgen. Und lebe heute: Maj-Len hat ihr Lebensmotto an ihre Wohnungstür geklebt.

Partys nur bis zehn Uhr abends. Oder bis vier.

Gut 60 Quadratmeter groß ist Maj-Lens Wohnung mit den bunten Marimekko-Keksdosen und Bezügen. 270.000 Euro hat sie dafür ausgegeben. Die spektakuläre Aussicht auf die zugefrorene Bucht gibt es gratis dazu. Abwechslung auch.
"Eine unserer Regeln lautet: Partys nur bis zehn Uhr abends. Doch daran halten sich nicht alle. Letztes hat jemand bis vier Uhr morgens gefeiert. Da gab es ziemlichen Ärger. Ich war auch auf der Party. Ein Riesen-Spaß. Ich war erst um halb zwei im Bett."
Senioreninnen, die sich die Nächte um die Ohren schlagen: Maija mag solche Geschichten. Die junge Wissenschaftlerin ist zurück in der Zentrale von "Forum Virium" unweit der Esplanadi, der Flaniermeile Helsinkis.
"Smart city is functional and sustainable."
Funktional und nachhaltig – so sieht die Stadt der Zukunft aus. Veera Mustonen – Maijas Chefin – nickt energisch. Da sind sich die meisten in Helsinki einig.

Der direktere Draht zu den Bürgern

"Helsinki hat sich schon vor fünf, sechs Jahren den Ruf erworben, eine smarte Stadt zu sein. Wir waren mit die ersten, die auf Open Data gesetzt haben. Bei uns sind so gut wie alle öffentlichen Daten frei zugänglich. Die Kommune ist absolut transparent. Das hat unsere Diskussionskultur enorm verändert. Die Beamten und Politiker haben einen viel direkteren Draht zu den Bürgern."
Ständig tüfteln Veera und ihr Team an neuen Ideen. Um Helsinki smarter zu machen. Sie zeigt auf dem Bildschirm ihres Laptops: Das da – meint sie - funktioniert in etwa wie Airbnb, die Vermittlungsagentur. Per App können öffentliche oder private Anbieter Räume vermieten: In Schulen, Saunen, Bibliotheken. Damit sie unnötig nicht leer stehen. Klingt nach einer cleveren Idee, ist aber: Ein Flop.

Einen Hochdruck-Staubsauger mieten

"Es funktioniert einiges nicht. Deshalb machen wir ja die ganzen Experimente. Um herauszufinden, was die Nutzer wirklich wollen. Nur so können wir ihnen bessere Leistungen bieten. In Kalatasama experimentieren wir viel mit der shared economy. Die Bewohner können beispielsweise gegen wenig Geld größere Gebrauchsgegenstände mieten. Hochdruck-Staubsauger und so etwas. Es ist günstig, leicht zugänglich – doch kaum jemand nutzt es. Ein anderes Beispiel ist die Nachbarschaftshilfe, die wir ins Leben gerufen haben. Dafür haben sich immerhin 120 Bewohner angemeldet. Die Idee ist, dass sich Nachbarn untereinander helfen. Doch sie tun es ums Verrecken nicht."
"Es ist einfach nicht mehr Teil der finnischen Kultur, andere um Hilfe zu bitten. Wir haben alle diesen Anspruch, selbst zurechtzukommen. In den 50ern und 60ern war das noch anders. Da bist du einfach zu deinem Nachbarn gegangen, um dir etwas auszuleihen. Vielleicht können die neuen Technologien helfen, diesen Nachbarschaftsgedanken wiederzubeleben. Doch das braucht Zeit."

"Kalasatama ist unser Innovationslabor"

Trial and error: Hop oder Flop: Schon gut jeder dritte der 3000 Bewohner Kalasatamas hat an Studien und Experimenten teilgenommen; seitenweise Fragebögen ausgefüllt; sich den Mund fusselig geredet – über die Zukunft des Viertels.
"Kalasatama ist unser Innovationslabor. Wir wollen, dass die Bewohner die Dinge selbst in die Hand nehmen – zusammen mit Unternehmen, der Stadt und Nicht-Regierungsorganisationen. Die Leute in Kalasatama sollen die Möglichkeiten einer smarten Stadt ausprobieren – angefangen von intelligenten Parksystemen bis hin zu intelligenten Beleuchtungsanlagen. Seit Neustem arbeiten wir auch mit der Grundschule zusammen. Wir wollen Lehrern und Schülern das Arbeiten und Lernen erleichtern."
Sitzkissen statt Stühle: Die Grundschule von Kalasatama.
Sitzkissen statt Stühle: Die Grundschule von Kalasatama.© Michael Frantzen
"It’s about being a smart school. Yeah."
Smart wollen sie sein – in der "Zukunftsschule" Kalasatamas. Für Jukka Ihaloinen – den jungen Rektor - steht das außer Frage.
"Wir leben im Informationszeitalter. Für uns ist es ganz selbstverständlich, dass wir die neuen Technologien im Unterricht einsetzen. Wir nutzen alle erdenklichen Informationen, selbst über unser Gebäude. Oben auf dem Dach sind ja Solarzellen. Bald wollen wir Sensoren installieren, die den Schülern Infos über die Solarzellen liefern. Wie oft scheint die Sonne? Wie viel Elektrizität liefern die Zellen? Dadurch können wir Wissen vermitteln."
Sitzkissen statt Stühle. Und auch keine Klassenzimmer, sondern offene Lern-Zonen: Es ist einiges anders in der Grundschule in Kalasatama als sonst üblich.
Jukka Ihaloinen, Rektor der Grundschule in Kalasatama: "Auf unserem Dach sind Solarzellen".
Jukka Ihaloinen, Rektor der Grundschule in Kalasatama: "Auf unserem Dach sind Solarzellen". © Michael Frantzen

Schüler fit fürs 21. Jahrhundert

"Wir glauben an lebenslanges Lernen. Wir machen unsere Schüler fit fürs 21. Jahrhundert. Es geht nicht mehr darum Wissen zu vermitteln, sondern darum, Wissen abzurufen. Das Wissen ist ja vorhanden. Wir wollen unseren Schülern ermöglichen, es kritisch zu hinterfragen. Sie sollen in der Lage sein, gemeinsam Probleme zu lösen. Das ist unser Grundgedanke. Diese Lern-Zonen sind super fürs Teamwork."
Jukka hat sich im Lehrerzimmer hingesetzt. Er muss noch Papierkram erledigen. Feste Plätze gibt es keine, jeder setzt sich da hin, wo Platz ist. Der eine oder andere ältere Kollege findet das gewöhnungsbedürftig, Elsie, Jukkas Neunjährige, dagegen prima.
"Die Schule meiner älteren Tochter ist sehr traditionell. Jeder sitzt an seinem eigenen Tisch. Alles ist rechtwinklig. Wie früher halt. Elsie fühlt sich an meiner Schule viel wohler. Sie fragt mich immer: Papa, warum haben wir keine Sitzkissen?"

Tampere - Noch eine Smart City

Ein neuer Tag, eine andere Ecke Finnlands. Und auch im Tampere – der gut zwei Autostunden nördlich von Helsinki gelegenen drittgrößten Stadt Finnlands – spielt die Smart City – die intelligente Stadt – eine wichtige Rolle.
Normalerweise nimmt Pekka Männistö den Besuch immer mit nach draußen, auf den Bahnhofsvorplatz, um sein elektronisches Informationsprojekt vorzustellen. Doch minus 20 Grad – das ist selbst Pekka zu kalt. Also lieber rein ins Bahnhofscafé. Aki Kaurismäki, der finnische Filmemacher, dürfte seine helle Freude daran haben. Die Stühle, die Vorhänge, einige Gäste: Ganz schön Retro. Doch man sollte sich nicht täuschen lassen. Tampere ist alles andere als Retro.
Pekka Männistö mit einer Kollegin am Bahnhof: einst im Einsatz für Nokia, jetzt für die Smart-City Tampere.
Pekka Männistö mit einer Kollegin am Bahnhof: einst im Einsatz für Nokia, jetzt für die Smart-City Tampere.© Michael Frantzen
"Ich würde sagen, wir stehen nicht im Schatten Helsinkis. Tampere ist eine smarte Stadt. Wir waren schon eines der Zentren des IOT – des Internets der Dinge – als sie in Helsinki noch gar nicht wussten, wie das geschrieben wird. Wir müssen uns wirklich nicht verstecken. Aber ehrlich gesagt halte nichts von diesem Konkurrenzkampf."
"Bei meinem Projekt arbeite ich mit Turku und Helsinki zusammen. Ich telefoniere fast täglich mit meinem Kollegen in Helsinki. Wir tauschen Informationen aus über das "City Guidance Ecosystem" aus, unser digitales Informationssystem. Das klappt super. Deshalb: Nein, wir konkurrieren nicht. Wir arbeiten gut zusammen."
Diesen Sommer richtet Tampere die Leichtathletik-Weltmeisterschaften für Jugendliche aus. Bis dahin soll der Prototyp von Pekkas digitalem Leitsystem fertig sein. Drinnen, im Bahnhof, dürfen sie die Bildschirme nicht aufstellen. Aus Denkmalschutzgründen. Bleibt nur der Vorplatz – erklärt der Mann, der wie so viele finnische IT-Leute lange für Nokia, den Handyriesen, arbeitete – ehe er aufspringt und rausgeht – in die Eiseskälte.

Nützliches für den Alltag

"Wir haben uns angeschaut, wo wir die Info-Bildschirme aufstellen könnten. Hier am Bahnhofsausgang wäre es nicht so gut. Da ist zu viel Gewusel. Vor lauter Leuten würde ein Info-Bildschirm untergehen. Aber vielleicht drüben. Siehst Du: Die Bushaltestelle da. Das wäre eine Option. Wir wollen dort testweise den ersten interaktiven Bildschirm aufstellen. Weitere sollen folgen. Wir wollen schauen: Wie versorgen wir die richtigen Leute mit den richtigen Informationen? An den Stellen, wo viele Touristen sind, soll es mehr Infos über Sehenswürdigkeiten geben, an Orten, wo sich mehr Einheimische aufhalten, Nützliches für den Alltag."
Pekka ist zurück in die Bahnhofshalle gegangen. Ein, zwei Tage noch – dann wird er seine Koffer packen – und Tampere verlassen. Das "Manchester Finnlands" mag zwar ganz schön smart sein, doch gegen sibirische Kälte hilft auch kein High-Tech.
"Es geht auf Kreuzfahrt, in die Karibik. Ich kann es kaum abwarten. Hier haben wir minus 20 Grad und dort wahrscheinlich plus 30."

Die Stadt der Zukunft ist digital und vernetzt, so die Prognose. Die Skandinavier experimentieren bereits mit sogenannten Smart Cities, so zum Beispiel in einem Stadtteil in Helsinki. Dort war unser Autor Michael Frantzen nicht bei irgendwelchen jungen Start Ups, sondern im selbstverwalteten Seniorenhaus.
Audio Player

Mehr zum Thema