Smarte Technik

Renaissance der Datenbrille?

Eine Volkswagen-Mitarbeiterin testet in Wolfsburg eine Datenbrille, die ihr hilft in der Logistikabteilung das richtige Fach zu finden und die Teilenummer mittels QR-Code zu scannen.
In der Industrie werden Datenbrillen bereits eingesetzt, um Produktionsabläufe zu verbessern. © picture alliance / dpa / Philipp von Ditfurth
Enno Park im Gespräch mit Shanli Anwar |
Vor fünf Jahren scheiterte Google mit seiner Datenbrille Google Glass. Jetzt gibt es einige Start-Ups, die diese Technik zur Marktreife bringen wollen. Eine mögliche Renaissance der Datenbrille könnte zu sozialen Verwerfungen führen, glaubt Enno Park vom Cyborg e.V.
Shanli Anwar: Vor fünf Jahren gab es einen Hype um Datenbrillen wie Google Glass. Doch Google Glass kam gar nicht erst auf den Markt und die Idee verschwand ziemlich schnell wieder von der Bildfläche.
Doch mittlerweile investieren Google und Axel Springer in ein Startup, das an einer neuen Datenbrille arbeitet. Intel stellte das eigene Modell "Vaunt" mit Netzhautprojektor vor, und die Telekom entwickelt gemeinsam mit Carl Zeiss einen Prototypen, den sie kommende Woche auf dem Mobile World Congress in Barcelona zeigen will. Steht also die Renaissance der Datenbrille bevor? Darüber unterhalte ich mich jetzt mit Enno Park. Er ist Co-Vorsitzender des Cyborgs e.V. und beschäftigt sich mit Technik, die wir am Körper tragen.
Hallo Enno!
Enno Park: Hallo Shanli!
Shanli Anwar: Woran ist Google Glass damals gescheitert?
Enno Park: Ich glaube, Google Glass kam einfach zu früh. Die Hardware war nicht ausgereift, die Auflösung des Displays zu niedrig, der Akku hielt nur kurz. Zugleich stand die Brille von Anfang an aus Datenschutzgründen in der Kritik. In Google Glass ist eine Kamera eingebaut und die Leute hatten Angst davor, dass sie von Trägern solcher Brillen heimlich gefilmt werden und die Bilder unkontrolliert im Internet landen. Die Datenschützer haben sich sehr kritisch geäußert bis hin zu Verbotsforderungen.
Einige Restaurants, Banken und Casinos verboten Google Glass in ihren Räumlichkeiten. Das Wort vom "Glasshole" machte die Runde, ein Wortspiel aus "Glasses" und "Asshole".
Google nahm dann seine Datenbrille vom Markt.
Eine Frau trägt die Datenbrille Google Glass.
Eine Frau trägt die Datenbrille Google Glass.© dpa/picture alliance/Jens Kalaene
Shanli Anwar: Nicht gerade gute Voraussetzungen für die Hersteller. Was wollen sie diesmal anders machen?

Kleiner und leichter

Enno Park: Zunächst mal werden die neuen Datenbrillen kleiner, leichter und besser. Vermarktet werden sie im Moment vor allem für die Arbeitswelt. Zum Beispiel in der Logistikbranche sollen Lagerarbeiter per Datenbrille angezeigt bekommen, zu welchem Regal sie müssen. Dafür brauchen sie heute Smartphones oder Tablet-Computer. Mit Datenbrillen wären die Arbeiter produktiver, weil sie die Hände frei haben.
Aber auch dystopische Anwendungen sind bereits Realität: In der chinesischen Stadt Zhengzhou benutzen Polizisten solche Datenbrillen mit Gesichtserkennung, um gesuchte Personen aus der Menge zu fischen. Also ähnlich wie das Überwachungsprojekt am Berliner Südkreuz, nur dass die Kameras nicht an der Wand hängen, sondern von Polizisten gleich auf der Nase getragen werden.

Eine Datenbrille für Brillenträger

Shanli Anwar: Das klingt, als ob sich das Image von Datenbrillen eher noch verschlechtert hätte.
Enno Park: Das Image ist so mies, dass die Hersteller es sehr schwer haben werden, Datenbrillen für private Verbraucher zu vermarkten. Deshalb richtet sich die Brille, die Intel entwickelt, an Leute, die sowieso eine Brille tragen. Die kann Informationen ins Auge projizieren, enthält aber keine Kamera, damit sich niemand von ihr bedroht fühlt.
Wer eine Datenbrille trägt, muss derzeit damit rechnen, dass Mitmenschen aggressiv darauf reagieren. Zum Beispiel wurde der kanadische Forscher Steve Mann 2012 in einem Restaurant von anderen Gästen körperlich angegriffen, weil er eine Datenbrille trug.
Ein ganz anderer Aspekt: Wenn uns im Alltag zunehmend Paketboten, Lagerarbeiter und Polizisten mit Datenbrillen begegnen, werden wir sie wahrscheinlich mit der Zugehörigkeit zu gesellschaftlich niedriger stehenden Schichten assoziieren. Das sind sehr schlechte Voraussetzungen.
Niemand wird sie als Statussymbol tragen oder viel Geld dafür ausgeben wollen. Die Manager auf der Teppichetage werden eher intelligente Armbanduhren als Luxusgegenstand tragen.
Shanli Anwar: Hängt das schlechte Image solcher Brillen nicht auch damit zusammen, wie sie zum Beispiel im Film dargestellt werden?
Enno Park: Wenn überhaupt kommen Datenbrillen in Filmen nur am Rande vor, meistens als James-Bond-mäßige Ausstattungsstücke für futuristische Polizisten oder Soldaten.
Dafür gibt es ein paar interessante filmische Experimente wie etwa mit Datenbrillen gefilmte Pornos oder den israelischen Film "Jeruzalem" von 2015, der eine Art Zombie-Apokalypse aus der Ego-Perspektive der Hauptdarstellerin zeigt, während sie eine solche Brille trägt.
Shanli Anwar: Wer sollte denn überhaupt so eine Datenbrille tragen wollen?
Enno Park: Ich glaube, eine ausgereifte Datenbrille kann im Alltag durchaus praktisch sein, so wie wir auch das Smartphone praktisch finden. Allerdings müssen sie klein und leicht sein und schick aussehen.
Aber: Richtig gut wird sie erst mit Kamera, und dann geht die ganze Diskussion um Verbote, Datenschutz und so wieder los.
(abu)
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