Soziologe Aladin El-Mafaalani
Forschende werden auch durch ihre eigenen biografischen Erfahrungen beeinflusst, meint der Soziologe Aladin El-Mafaalani. © picture alliance / dpa / Revierfoto
„Ich habe immer das gemacht, was mir missfiel“
37:30 Minuten
Aladin El-Mafaalani war mal Schlagzeuger einer Hardcore-Band. Nun forscht der Osnabrücker Soziologieprofessor zu Themen wie Bildung, Integration und Rassismus. Dabei helfe ihm auf der Suche nach neuen Fragestellungen sein Migrationshintergrund, sagt er.(*)
Er ist Wissenschaftler durch und durch. Aladin El-Mafaalani hat Soziologie, Wirtschaftswissenschaft, Pädagogik, Arbeitswissenschaft und Politologie studiert.
Doch wer in die Forschung geht, ist bei allem Streben nach wissenschaftlicher Objektivität immer auch durch die eigenen biografischen Erfahrungen beeinflusst, meint er. Dies gelt zumindest für wissenschaftlichen Fragestellungen – und El-Mafaalanis biografischer Hintergrund ist vielschichtig.
Geboren im Ruhrgebiet als Kind syrischer Einwanderer wuchs er zweisprachig auf, bekam in der Schule keine Gymnasialempfehlung. Sein Vater setzte trotzdem durch, dass er Abitur machen und studieren konnte. Heute ist er Lehrstuhlinhaber für Erziehung und Bildung in der Migrationsgesellschaft an der Universität Osnabrück.
Klassenzugehörigkeit wichtiger als Migrationshintergrund
Dennoch sieht Aladin El-Mafaalani sich nicht als Aufsteiger, denn auch seine Eltern sind Akademiker. Und das ist eine der wichtigsten Thesen des Soziologen: Für den Bildungserfolg in Deutschland ist die Klassen- und Milieuzugehörigkeit wichtiger als ein Migrationshintergrund.
Anders gesagt: Gastarbeiterkinder haben es vor allem darum schwer, weil ihre Eltern Arbeiter sind, weniger wegen ihrer Herkunft aus einem fremden Land.
Um zu solchen Einsichten zu kommen, sei sein eigener Migrationshintergrund nützlich, sagt El-Mafaalani. Auch die Tatsache, dass er als junger Mensch in der Punkszene unterwegs war und in einer Hardcore-Band spielte, keine „positiven Interessen“ hatte und vieles hasste. Was ihn schließlich dazu führte, „dass ich immer das gemacht habe, was mir missfiel.“ (*)
Vom Punker zum Lehrer
So studierte er zunächst auf Lehramt, wurde Berufsschullehrer, obwohl er selbst die Schule als Zwangseinrichtung empfunden hatte. Der antikapitalistische und globalisierungskritische Ex-Punker absolvierte ein Wirtschaftsstudium und obwohl er in pazifistischen Milieus verkehrte, ging Aladin El-Mafaalani zur Bundeswehr.
Seine Erfahrungen in einer Kaserne in Sachsen-Anhalt in den 90er-Jahren gaben mit den Ausschlag dafür, dass er Soziologe wurde: Denn hier war er trotz seines fremd klingenden Namens und seines Aussehens nicht der Migrant, sondern vor allem der Westdeutsche. (*)
„Drecks-Wessi“ schimpfte ihn ein Unteroffizier – und Aladin El-Mafaalani fühlte sich so deutsch wie selten zuvor. Das Schimpfwort wurde übrigens mit der Zeit sein durchaus freundlich gemeinter Spitzname in seiner Bundeswehreinheit.
Es sei eben vieles eine Frage der Perspektive, sagt der Soziologe, so auch beim kürzlich vorgestellten Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor, an dem sein Universitätsinstitut mitgewirkt hat. 90 Prozent der Deutschen geben darin an, es gebe Rassismus in unserem Land, was El-Mafaalani durchaus positiv sieht: Dass so viele Menschen das Problem immerhin erkannt haben, hätte er nicht erwartet.
(pag)
(*) Redaktioneller Hinweis: Eine Zeitangabe wurde korrigiert und eine musikalische Stilrichtung wurde konkretisiert.