"Spiegel"-Kolumnist Jan Fleischhauer:

Unser Grundeinkommen heißt Hartz IV

Jan Fleischhauer am 16.05.2012 in der ARD-Talksendung "Anne Will".
"Spiegel"-Redakteur Jan Fleischhauer. © dpa / picture-alliance / Karlheinz Schindler
Moderation: Marcus Pindur |
Warum sollte man angesichts faktischer Vollbeschäftigung ein bedingungsloses oder solidarisches Grundeinkommen einführen? Der "Spiegel"-Kolumnist Jan Fleischhauer sieht darin wenig Sinn. Außerdem gebe es doch schon ein Grundeinkommen: "Es heißt halt Hartz IV."
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat eine weitere Variante des Grundeinkommens in die Diskussion gebracht: ein "solidarisches Grundeinkommen". Dessen Bezieher sollen im Gegenzug gemeinnützige Arbeit leisten: Sperrmüllbeseitigung etwa, das Säubern von Parks, Begleit- und Einkaufsdienste für Behinderte oder Babysitting für Alleinerziehende.
Der Journalist und "Spiegel"-Kolumnist Jan Fleischhauer verspricht sich wenig von dieser Idee. "Ich habe den Eindruck, dass Herr Müller lange nicht mehr bei Leuten war, die versuchen, Menschen in Arbeit zu bringen, die seit Jahren nicht mehr gearbeitet haben", sagte er im Deutschlandfunk Kultur.

"Das bringt uns nicht wahnsinnig nach vorne"

Diese Menschen könnten wahrscheinlich nicht mehr richtig arbeiten, "weil sie zum Beispiel morgens gar nicht mehr aus dem Bett finden. Oder eben tagsüber schon so beschickert sind, dass Sie sie jedenfalls nicht an irgendeine Maschine lassen können", so der Journalist. "Und jetzt kann ich zu denen sagen: Recht doch mal ein bisschen den Garten oder so. Das kann ich alles machen. Aber ob uns das in Deutschland so wahnsinnig nach vorne bringt, wage ich doch zu bezweifeln."

Das Grundeinkommen reduziert den Anreiz zu arbeiten

Da in Deutschland faktisch Vollbeschäftigung herrsche, sehe er auch keine Notwendigkeit, den Arbeitsmarkt grundsätzlich zu überholen, sagt Fleischhauer. Auch gebe es hierzulande doch längst ein bedingungsloses Grundeinkommen. "Es heißt halt Hartz IV."
Eine Bürgerinitiative fordert das Bedingungslose "Grundeinkommen als Menschenrecht".
Mitglieder der Bürgerinitiative "Omnibus" zur Einführung einer bundesweiten Volksabstimmung halten am 30.05.2016 vor dem Reichstag in Berlin ein Plakat mit dem Aufdruck «Bedingungsloses Grundeinkommen als Menschenrecht».© picture alliance/dpa/Foto: Soeren Stache
Für Fleischhauer ist die entscheidende Frage in der Diskussion um das Grundeinkommen: Wieviel kriege ich, ohne zu arbeiten?
"Wenn Sie deutlich mehr bekommen, wenn Sie nichts tun, als wenn Sie arbeiten, dann überlegen Sie sich natürlich, wie blöd bin ich hier eigentlich, jeden Morgen aufzustehen und, sagen wir mal, Leuten den Boden zu wischen", betont der Journalist. "Es gibt zum Glück genug Menschen, die das nach wie vor tun, weil sie eben auch finden, zum Selbstwertgefühl und allem was dazugehört, dass es wichtig ist, dass sie arbeiten und dass sie einen Beitrag leisten in dieser Gesellschaft, der unheimlich wichtig ist."
(uko)

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