Native People in Alaska erhalten geraubte Grabbeigaben zurück
Eine Kindertrage, Holzmasken und Öllampen: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gibt neun Objekte an die Chugach Alaska Corporation zurück. Der norwegische Kapitän Jacobsen hatte sie im 19. Jahrhundert illegal nach Berlin gebracht.
"In Prinz Williamssund bot sich mir zu meiner freudigen Überraschung eine willkommene Gelegenheit dar, Überreste und Reliquien aus alter Zeit kennen zu lernen", notierte Kapitän Johann Adrian Jacobsen am 27. Juli 1883 in sein Tagebuch. Mit seinem Schiff war er da schon seit Monaten an der Küste Alaskas unterwegs, um im Auftrag des Königlichen Museums für Völkerkunde in Berlin interessante ethnographische Objekte zu sammeln. Auf Chenega Island hatte ihm ein Einwohner Mitteilung gemacht, dass sich in der Nähe ein alter Begräbnisplatz befinde.
"Ich mietete deshalb ein kleines Fellboot und fuhr mit einem Dolmetscher und einem Eingeborenen nach der bezeichneten Stelle. Leider aber zeigt es sich, dass schon Jemand da gewesen war, welcher die Reliquien gesammelt hatte. Das Einzige was ich fand, waren zwei zerbrochene Masken, die ich mitnahm."
Doch Jacobsen sammelte in den nächsten Tagen noch andere Gegenstände in den Begräbnisplätzen und Höhlen der Chenega und Chugach, darunter eine Kinderwiege, Holzidole, diverse Schädel sowie Mumien von Erwachsenen und Kindern. Jetzt, über 130 Jahre später, sollen die beiden zerbrochenen Masken und sieben weitere der Objekte von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz an die Nachfahren der damals beraubten Volksgruppe, der Chugach Alaska Corporation, zurückgegeben werden.
"Etwas, was nicht legal ist"
Parzinger: "Es handelt sich um neun Objekte, die aus Gräbern stammen. Das sind Holzmasken, das ist eine Kindertrage und ähnliches, Öllampen. Und in seinen relativ detaillierten Tagebuchaufzeichnungen geht ganz klar daraus hervor, dass er Gräber geöffnet hat ohne Genehmigung der zuständigen Bevölkerung, dort liegen ihre Vorfahren, und hat dort einfach Objekte entnommen. Und das ist etwas, was nicht legal ist, und insofern war das für uns ein klarer Fall, dass diese Objekte illegal in die Sammlung gelangt sind."
Sagt Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Die Skelettreste und Mumien seien leider nicht mehr auffindbar gewesen, doch für die Objekte hat das Ethnologische Museum Berlin den Rückgabeantrag der Chugach an die deutsche Regierung unterstützt. Heute hat auch der Stiftungsrat der Preußenstiftung sein okay gegeben. Interessant ist der Fall nicht nur, weil Kapitän Jacobsen eine der verwegensten Gestalten der Ethnographie des 19. Jahrhunderts ist. Der norwegische Kapitän und Abenteurer befuhr die See zwischen Nord- und Südpol, überlebte zahlreiche Schiffbrüche und brachte 1878 die ersten Grönländer und Eskimos nach Europa, wo sie in den Völkerschauen des Tierpark Hagenbeck bestaunt werden konnten. Und er war einer der wichtigsten Sammler von ethnographischen Ausstellungsstücken der nördlichen Ureinwohner für die deutschen Völkerkundemuseen. Allein 7000 Objekte verdankt ihm das Berliner Ethnologische Museum. Spannend an der Geschichte ist auch, dass die Chugach Alaska Corporation selber in den Tagebüchern Jacobsens auf die Plünderung ihrer Gräber gestoßen ist. Im Herbst 2015 reisten sie nach Berlin, um die Objekte zurückzufordern. Viola König empfing die Delegation.
König: "Und ich habe jetzt einen Antwortbesuch im Sommer gemacht, ich hab sie in Anchorage in ihrem Hochhaus besucht, von wo aus sie agieren."
Im Gegensatz zu anderen Corporations seien die Chugach sehr sozial eingestellt, erzählt sie, engagiert in Bildungsprogrammen und im Kampf gegen Alkoholismus.
König: "Und es zeigte sich dann auch, dass es eigentlich eine große Familie, ein großer Familienverbund ist, das waren Schwestern und Tanten und Nichten und das ist insofern dann auch Teil des Erziehungsprogrammes, dass sie diese Objekte haben wollen, dass sie ihre eigene Geschichte weitergeben wollen, soweit das aus diesen Stücken möglich ist."
Zukunftsweisendes Projekt
Dass das Reisetagebuch von Jacobsen in englischer Übersetzung veröffentlicht wurde, war ein Glücksfall für die Chugach. Die Rückgabegeschichte zeigt, wie wichtig es ist, dass Quellen und Bestände digitalisiert werden, damit sie auch für die Herkunftsgesellschaften zugänglich sind. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat deswegen ein großes Forschungsprojekt eingereicht, um ihre gesamten Erwerbungsunterlagen zu verschriftlichen und zu digitalisieren. Ein zukunftsweisendes Projekt. Dabei geht es nicht nur um mögliche Rückgaben – viel häufiger um kulturelle Selbstversicherung und Informationsaustausch, wie beim Eskimo-Volk der Yupik.
König: "Die Yupik-Sammlung war fünf Jahre unterwegs vor Ort, als Wanderausstellung, hat in Anchorage angefangen, war dann in Wessel im Yupik-Gebiet, in Fairbanks, und am Schluss noch mal in Washington und ist dann zurückgekommen, das sind eigentlich die Modelle, die heute immer mehr stattfinden."
Die Sammlung Jacobsen soll auch im künftigen Humboldtforum eine wichtige Rolle spielen – für Parzinger eine Chance, um gemeinsam mit den Herkunftskulturen die Sammlungsgeschichte aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen.