Studie zum Herzinfarkt-Risiko

Cholesterin schadet? Alles erfunden!

Ein Messer streicht über ein Stück Butter.
Größter Nutznießer der Cholesterinsaga war der Margarinehersteller Procter & Gamble. © picture alliance / dpa / Martin Gerten
Von Udo Pollmer |
Zum Top-Ernährungsthema Cholesterin ist schon alles gesagt - so schien es bis vor kurzem. Nun aber hat die US-Regierung empfohlen, die Warnung vor dem vermeintlichen Gefahrstoffes aufzuheben. Udo Pollmer erklärt, wie es zu der Cholesterin-Angst kam.
Die Cholesterin-Saga nahm unlängst eine unerwartete Wendung. Das Advisory-Board der US-Regierung empfahl die Warnung vor Cholesterin im Essen aufzugeben, denn es gäbe keinerlei Grund, auf die Zufuhr von Cholesterin zu achten. Die Experten setzten noch einen drauf: Es hätte niemals Belege für die Schädlichkeit von Nahrungscholesterin gegeben.
Wo sind die angeblich so soliden Beweise abgeblieben? Da hilft ein Blick in die Geschichte der Cholesterinangst. Der Vater dieser Idee war der amerikanische Physiologe und Ozeanograph Ancel Keys. Bereits 1953 verdächtigte er das Cholesterin in den tierischen Fetten als Hauptschuldigen für Herzinfarkt. Doch der Durchbruch gelang ihm erst mit der berühmten Sieben-Länder-Studie, die 1958 startete. Damit versuchte Keys einen Zusammenhang zwischen tierischem Fett im Essen, dem Cholesterinspiegel im Blut und dem Risiko von Herzinfarkt zu konstruieren. Die Studie hatte zwar durchweg das Gegenteil erbracht, doch dank seiner Mediengewandtheit wurde seine Sicht der Dinge ein Erfolg. Plötzlich war Cholesterin als Herzkiller Nr. 1 in aller Munde. Wohl nicht ohne Grund veröffentlichte er die vollständigen Daten erst 30 Jahre später.
Keys hatte seine sieben Länder sorgfältig aus 22 Ländern herausgepickt, die er insgesamt untersuchte. Hätte er alle 22 Länder einbezogen, wäre das Ergebnis genau umgekehrt ausgefallen: je mehr Cholesterin, desto weniger tödliche Herzinfarkte. Als er beispielsweise sah, dass die Massai, ein afrikanisches Hirtenvolk mehr als doppelt so viel tierisches Fett konsumierten wie US-Amerikaner, dafür aber sehr niedrige Cholesterinspiegel hatten, meint Keys lapidar, die Eigenarten "dieser primitiven Nomaden" hätten "keinerlei Relevanz".
Doch die Fälschung war noch krasser als es die sieben aus 22 erahnen lassen. Ancel Keys schummelte auch bei den sieben ausgewählten Ländern. In einigen Ländern hatte er jeweils mehrere Regionen ins Rennen geschickt wie in Finnland, Jugoslawien oder Griechenland. Bei gleichen Cholesterinspiegeln innerhalb eines Landes unterschieden sich die Todesfälle durch Infarkt dennoch um ein Vielfaches. Damit war abermals klar, dass keinerlei Zusammenhang zwischen dem Verzehr tierischer Fette, dem Cholesterinspiegel und Herzinfarkt bestehen konnte.
Cholesterinhypothese frei erfunden
Keys pickte sich einfach die passenden Provinzen heraus. Doch auch das genügte nicht. Als er sah, dass auf Kreta Herzinfarkt selten diagnostiziert wird – dafür aber viel Fleisch und Käse auf den Tisch kommt, löste er den Widerspruch elegant, indem er die Ernährung der Bewohner während der vorösterlichen Fastenzeit erhob.
Am Eingeständnis, dass die Cholesterinhypothese frei erfunden war, kam auch Ancel Keys irgendwann nicht mehr vorbei. So gab er in einem Interview 1997 unumwunden zu: "Es gibt absolut keine Verbindung zwischen Cholesterin in der Nahrung und Cholesterin im Blut. Keine. Und das haben wir schon immer gewusst. Cholesterin in der Nahrung macht überhaupt nichts ..." Aber da war seine Theorie bereits fest in den Köpfen verankert.
Keys Sieben-Länder-Studie darf heute als großangelegter Betrug gewertet werden. Da die Organisation einer solchen Medienkampagne die Möglichkeiten einer einzelnen Person bei weitem überschreitet, war er vermutlich nur die Galionsfigur anderer einflussreicher Interessengruppen. So bleibt die Frage: Cui bono?
Der größte Nutznießer war der Margarinehersteller Procter & Gamble, der ein Bratfett aus hydriertem Baumwollsaatöl gegen die bewährte Butter positionieren wollte. Margarine galt damals als minderwertiges Imitat für arme Leute. Also begann der Konzern die American Heart Association zu sponsern, also den Verband der US-Herzspezialisten. Der hatte damit genug Geld, um 1956 per TV-Werbung vor Cholesterin und damit vor Butter zu warnen. Bereits ein Jahr später überflügelte in den USA der Margarineverkauf den Butterabsatz. Damit begann der Niedergang des tierischen Fettes.
Diese mit viel Geld unter die Leute gebrachte Angst gipfelt heute in der Ablehnung aller tierischen Produkte, im Veganismus. Mahlzeit!
Literatur:
Whoriskey P: The U.S. government is poised to withdraw longstanding warnings about cholesterol. Washington Post vom 10. Feb. 2015
Ravnskov U: Mythos Cholesterin. Hirzel, Stuttgart 2008
Rosch PJ: Cholesterol does not cause coronary heart disease in contrast to stress. Scandinavian Cardiovascular Journal 2008; 42: 244-249
Erickson DR: Edible Fats and Oils Processing: Basic Principles and Modern Practices. AOCS 1990
Teicholz N: The Big Fat Surprise Why Butter, Meat and Cheese belong to a Healthy Diet. New York, Simon & Schuster 2014
Keys A: Seven Countries: A Multivariate Analysis of Death and Coronary Heart Disease. Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts 1980
Keys A: Coronary heart disease – the global picture. Artherosclerosis 1975; 22: 149-192
Keys A: Atherosclersosis: a problem in newer public health. Journal of the Mount Sinai Hospital 1953; 20: 118-139
Keys A: Prediction and possible prevention of coronary disease. American Journal of Public Health and the Nations Health 1953; 43: 139-1407
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