"Kunst muss politisch sein"
Der Kulturwissenschaftler Martin Roth hat die documenta 14 gegen die Kritik verteidigt, dass Politik die Kunst dominiere. Er sagte, er sei dankbar, wenn sich Werke dem Betrachter direkt erschlössen und Politik in so schwierigen Zeiten eine wichtige Rolle spiele.
Die Kunst müsse in diesen Zeiten politisch sein und mehr als "Schischi" , sagte der Kulturwissenschaftler Martin Roth zum Auftakt der documenta 14 im Deutschlandfunk Kultur. Der frühere Direktor des Victoria and Albert Museums in London begrüßte, wenn die Aussagen von Kunstwerken auch von ungeübten Betrachtern manchmal direkt verstanden werden könnten. "Ich freue mich schon in diesen komplizierten Zeiten, wenn Dinge auch mal leicht nachzuvollziehen sind und dabei optisch eindrucksvoll", sagte Roth mit Blick auf die Installation der argentinischen Künstlerin Marta Minujin, ein großes Metallgerüst mit 46.000 in Folie eingeschweißten Büchern, das direkt vor dem Museum Fridericianum eine Mahnung gegen Verfolgung und Zensur darstellt.
Freude am Verstehen
Roth sagte, er reise seit den 1970er Jahren nach Kassel und sei mit der documenta sozusagen alt geworden. Er habe sich manchmal geschworen, dass er nie mehr wieder komme, weil er überhaupt nicht verstanden habe, was er sich da zwei Tage lang angeschaut habe. "Ich lechze danach, in diesen wirklich politisch schwierigen Zeiten zum ersten Mal in meiner Lebenszeit, dass man sagt, das ist mehr als kritisch da draußen, dass es auch mal Statements gibt, die sind vielleicht mehr Politik und weniger bei der Kunst."
Lob für Vorspiel in Athen
Es sei mutig gewesen, quasi als Vorspiel mit der documenta nach Athen zu gehen, um das Ganze einzuleiten. Er habe das am Anfang nicht verstanden und auch nicht verstehen wollen, räumte Roth ein. Erst durch die Vermittlung des Auswärtigen Amtes und des Besuchs des Bundesaußenministers habe er das nachvollziehen können. "Das war schon die richtige Idee, um einfach nochmal die Augen zu öffnen." Roth plädierte dafür, über Politik zu reden und über Kunst vielleicht nur in zweiter Linie. "Wir haben das oft genug andersherum erlebt."
Fragen nach "What is democracy?"
Unter den 160 Künstlern auf der documenta ist auch der Wiener Künstler Oliver Ressler vertreten, der sich in seiner Videoinstallation mit Gegenwart und Zukunft der Demokratie beschäftigt. Er hatte von 2007 bis 2009 in 18 Städten rund um den Globus mit Aktivistinnen und Aktivisten gesprochen und ihnen die Frage "What is democracy?" gestellt. Ihre Antworten finden sich auf den in Kassel aufgestellten Monitoren wieder. Dazu wurden die Fahnen der Nationalstaaten verbrannt und die Hymnen der Staaten waren ebenso in Auflösung begriffen. Ressler sagte im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur, dass eine "Transnationale Demokratie" wünschenswert sei, die aber auf den Vorstellungen und Wünschen der Menschen basieren müsse.