Susie Hodge: Wieso sind die alle nackt? Und andere spannende Fragen zur Kunst
mit Illustrationen von Claire Goble
aus dem Englischen von Johanna Ellsworth
Knesebeck Verlag, München 2017
96 Seiten, 14,95 Euro
ab 8 Jahren
Nacktheit ist nicht gleich Nacktheit
Muss man schlau sein, um Kunst zu verstehen? Warum ist Kunst so teuer? Fragen, die sich nicht nur Kinder oft im Museum stellen. Die Kunsthistorikerin Susie Hodge beantwortet sie kreativ und witzig - und das macht froh und schlau.
Die Zusammenschau ist originell: Fast eine Doppelseite gehört der Venus von Botticelli. Die folgende zeigt rechts Manets "Frühstück im Grünen", mit einer wie selbstverständlich nackt picknickenden Frau im Bildmittelpunkt, und links die blauen Körperabdrücke der in Farbe getauchten Modelle von Yves Klein und darunter "American Gothic", das ikonische Werk von Grant Wood mit dem ernst blickenden Paar, streng gekleidet mit hochgeschlossenen Kragen.
Warum sind die alle nackt?, lautet die dick gedruckte Frage über den Abbildungen. Sind sie ja gar nicht, möchte man einwerfen. Oder doch? Tatsächlich wirken die Bekleideten ganz schön blank. Ihr Inneres scheint bei aller Zugeknöpftheit offen zu liegen. Und dass Nacktheit nicht gleich Nacktheit ist, wird hier auch offenbar: Manets Schöne macht einen ganz anderen Eindruck als die überirdisch strahlende Göttin. Und die blauen Körperabdrücke tanzen mit einer Leichtigkeit über das Blatt, die den anderen Protagonisten abgeht.
Warum ist Kunst eigentlich so teuer?
Wo eine einfache Frage hinführen kann! Oder wie Susie Hodge selbst sagt: "Fragen stellen, kann dir helfen, zu verstehen". Über zwanzig hat die englische Kunsthistorikerin in ihrem neuen Kunstbuch für Kinder versammelt, darunter: Muss man schlau sein, um sich Kunst anzusehen? Bilder gehören in Rahmen – oder etwa nicht? Gibt es eigentlich auch hässliche Statuen? Ist das schon fertig? Warum ist Kunst eigentlich so teuer?
Es sind einfache Fragen und jeder, der schon einmal im Museum war, und nicht nur Kinder, hatte die eine oder andere selbst schon im Kopf. Die Antworten weisen tief in die Kunstgeschichte. Denn die Autorin ist schlau genug, sie nicht selbst zu geben, sondern die Bilder sprechen zu lassen. Dafür gruppiert sie jeweils vier bis sechs klug ausgewählte Werke um ein Thema herum, und erläutert in kurzen, pointierten Texten den jeweiligen Kontext.
Das Buch macht froh und schlau
"Wozu eine Aussicht malen?", fragt sie etwa unter anderem mit Caspar David Friedrichs "Wanderer über dem Nebelmeer" und "Surrounded Islands" von Christo und Jeanne-Claude. Spielend leicht zeigt die Kunsthistorikerin, wie sich das Sujet der Landschaftsmalerei wandelt, und welche Materialien und Ideen Künstler heute nutzen. Tatsächlich lässt Hodge alle Spielarten quer durch die Zeiten vorkommen, wie etwa Malerei, Skulptur, Konzeptkunst, Fotografie und Graffiti. Und warum es noch immer spannend ist, Stillleben zu malen oder ein Pissoir im Museum stehen kann, versteht hier schließlich jedes Kind.
Es ist eine Lust, sich durch die knapp 100 Seiten zu blättern. Die Abbildungen sind durchweg gut gedruckt, und die Gestaltung ist hervorragend. Texte und Bilder, fett Gedrucktes und farblich Abgesetztes, Handgeschriebenes, Zeichnungen und Karikaturen bilden einen Mix, der jede Seite besonders macht. Witzig ist zudem das gezeichnete Geschwisterpaar der Illustratorin Claire Goble, das durch das gesamte Buch wandert. Es kratzt sich anfangs nur am Kopf, wird dann aber zusehends froher und schlauer – ganz wie die Leserinnen und Leser.