Ta-Nehisi Coates: "We were eight years in power. Eine amerikanische Tragödie"
Aus dem Englischen von Britt Somann-Jung
Verlag Hanser Berlin, Berlin 2018
416 Seiten, 25 Euro
Die amerikanische Tragödie
An Barack Obama knüpften viele die Hoffnung auf ein postrassistisches Zeitalter. Doch auch dem ersten schwarzen US-Präsidenten gelang es nicht, den Geburtsfehler der amerikanischen Demokratie zu beseitigen - die tiefe rassische Spaltung -, wie Coates in seinen Essays aufzeigt.
"Es gibt kein schwarzes Amerika und ein weißes Amerika und ein Latino Amerika und ein asiatisches Amerika – es gibt nur die Vereinigten Staaten von Amerika."
Barack Obamas Rede auf der Konvention der US-Demokraten 2004 machte den jungen Senator aus Illinois über Nacht zum Star. Vier Jahre später zog er selbst als erster schwarzer Präsident ins Weiße Haus ein.
Die Hoffnung auf ein postrassistisches Zeitalter, die Obamas Sieg beflügelt hatte, trog jedoch. Auch mit diesem Präsidenten, so ließe sich Ta-Nehisi Coates Fazit von acht Jahren Obama zusammenfassen, gelang es nicht, den Geburtsfehler der amerikanischen Demokratie zu beseitigen: Die tiefe rassische Spaltung.
Neuralgische Punkte der amerikanischen Gesellschaft
Das neue Werk des 1975 in Baltimore geborenen Autors, der für den Band "Zwischen der Welt und mir" 2016 den National Book Award erhielt, ist keine politische Bilanz der Präsidentschaft Obamas. Geschickt parallelisiert er vielmehr dessen politisches Schicksal und sein eigenes als schwarzer Autor.
Die acht bereits vorgängig veröffentlichten Essays markieren die neuralgischen Punkte der amerikanischen Gesellschaft ebenso wie der Regierungspolitik für jedes Jahr von Obamas Amtszeit. Der Bogen reicht von Coates' Kritik von Bill Cosbys schwarzem Konservatismus über sein 2014 veröffentlichtes "Plädoyer für Reparationen" bis zur Analyse von Donald Trumps erfolgreicher Identitätspolitik für Weiße.
In einem Vorwort zu jedem Essay schildert Coates seinen Aufstieg vom prekären Journalisten zum gefeierten Essayisten des "Atlantic", in dem die meisten Texte erschienen sind.
Vielleicht deswegen nannte Cornell West, Philosophie-Professor aus Princeton, Ta-Nehisi Coates in einer Aufsehen erregenden Attacke von links Ende 2017 "das neoliberale Gesicht des schwarzen Freiheitskampfs" und Obama das "schwarze Gesicht des American Empire".
"Symbolischer Geländegewinn" durch Obama
In der Tat streift Coates Fragen wie Obamas Außenpolitik, den unsichtbaren Drohnenkrieg etwa, nur am Rande. Er preist den Amtsinhaber, den er mehrmals im Weißen Haus besuchte, gar mit den Worten: "Acht Jahre lang wandelte Barack Obama auf dünnem Eis und brach nie ein."
Andererseits kritisiert er Obama für seine "Respektabilitätspolitik" – seine Appelle an die Eigenverantwortung der schwarzen Community – statt den Rassismus in Amerika beim Namen zu nennen. Deswegen nennt Coates ihn einen "konservativen Revolutionär".
Der symbolische Geländegewinn, in dem Coates dessen größte Leistung sieht, ist freilich ein starkes Argument: "Von all seinen Triumphen dürfte sein größter die Ausweitung der schwarzen Vorstellungskraft sein." Die Etikettierung als "Amerikas bester Autor über Rasse" verursacht Coates nach eigenem Bekunden "Brechreiz". Und doch liegt hier die überzeugende Kraft dieses skrupulös recherchierten, leidenschaftlich argumentierenden Buches.
Den Kern der "Amerikanischen Tragödie", wie es im Untertitel heißt, sieht Coates darin, dass es sich bei den USA um eine Demokratie handelt, die ohne "Sklaverei als Startkapital" nicht denkbar gewesen wäre.
Kein Wunder, dass er den unerwarteten Triumph Trumps als Backlash der "White Supremacy" deutet. Es gibt eben doch noch ein weißes Amerika.