"Ein guter Streit, der da geführt wurde"
Nach Protesten gegen rechte Verlage auf der Frankfurter Buchmesse warnten Unterzeichner einer "Charta 2017" vor einer "Meinungsdiktatur". Darunter auch Uwe Tellkamp. Gestern traf er in Dresden auf den Lyriker Durs Grünbein, der das ganz anders sieht.
Wie viel Meinungsfreiheit braucht das Land? Und wie viel hält die Gesellschaft überhaupt aus? Über diese Fragen debattierten am Donnerstagabend der Schriftsteller Uwe Tellkamp und der Lyriker Durs Grünbein im Dresdner Kulturpalast. Tellkamp gehört zu den Unterzeichnern einer im vergangenen Herbst vom Dresdner Buchhaus Loschwitz initiierten "Charta 2017", die in der Kontroverse um rechtsnationale Verlage auf der Frankfurter Buchmesse vor einer "Meinungsdiktatur" warnte. Grünbein hingegen gehört zu der Schriftstellergruppe, die einen Gegenaufruf startete, der der Charta 2017 "verbale Entgleisungen" vorwarf.
Näher seien sich die beiden in ihren Positionen nicht gekommen, so unsere Korrespondentin Alexandra Gerlach, die die Veranstaltung für uns besucht hat. "Heute ging es aber auch darum, überhaupt mal den Ansatzpunkt und das Argument des Anderen auszuhalten."
Tellkamp: Meinen Ängsten wird mit Hass und Häme begegnet
Uwe Tellkamp, der für seinen Roman "Der Turm" 2008 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, habe in seinen Argumenten vielerlei gebracht, "was wir kennen aus den Pegida-Demonstrationen, aus der AfD-Sprache, aus den Vorwürfen gegen die Medien beispielsweise. Er wirft insbesondere den Medien vor, das alles sehr einseitig zu betrachten und auch unterschiedlich zu gewichten", so Gerlach. Tellkamp wörtlich:
"Es wird meiner Meinung nach in diesem Land und auch immer noch mit zweierlei Maß gemessen. Beispiel: 'Wir werden sie jagen.' – Alexander Gauland. Riesenbohei in den Medien. Johannes Kahrs von der SPD sagt genau das Gleiche – es interessiert niemanden. Er twittert es noch. Sigmar Gabriel, heute ist er zurückgetreten, bezeichnet… 'Wir werden die Regierung rückstandsfrei entsorgen.' Aufgeregt wird sich bei Herrn Gauland, bei Herrn Gabriel nicht."
Tellkamp habe bei der Veranstaltung immer wieder ins Feld geführt, dass die Ängste der Menschen und auch seine persönlichen Ängste in den Medien stets mit Hass und Häme beantwortet würden. Außerdem werde der Osten systematisch zurückgesetzt. "Das waren so Hauptargumente, die er gebracht hat", so unsere Korrespondentin.
Grünbein: Für eine Abrüstung der Debatte
Büchner-Preisträger Durs Grünbein hingegen habe beklagt, wie sich die Diskussion derzeit entwickle und eine Abrüstung der Debatte gefordert:
"Ich bin für einen absoluten Klimawandel in der politischen Debatte. Die weitere verbale Aufrüstung nützt niemandem. Die ist vollkommen sinnlos."
Geeinigt hätten sich die beiden nicht, aber es sei "ein guter Streit, der da geführt wurde", resümiert Gerlach. "Ein sehr, sehr spannender Abend - und kann eigentlich nur ein Auftakt gewesen sein zu weiteren Veranstaltungen in diesem Sinne mit solchen hochkarätigen Diskutanten auf der Bühne."
(uko)